Diplomatik

[175] Diplomatik (v. gr.), Urkundenlehre, die Wissenschaft von den schriftlichen Aufsätzen, welche Rechte u. Thatsachen beurkunden u. in künftigen Zeiten als Beweis dienen sollen, namentlich von den Merkmalen der Echtheit derselben u. deren Auslegung. Die D. ist ein Haupttheil der historischen Quellenkunde u. zerfällt in: A) Schriftkunde (Graphik) u. diese in die Lehren a) vom Material, wie Pergament, Papier, Tinte; b) von den Buchstaben, Interpunctionen, Abbreviaturen, Siglen, Tironianischen Noten. B) Zeichenkunde (Semiotik), u. diese in die Lehre a) von den Chrismas, b) von den Siegeln (Sphragistik), Kreuzen etc. C) Formelkunde (Formularia), die inneren Kennzeichen der Schreibart u. Form, an den Titeln, Anfangs- u. Schlußformeln, Unterschriften der Kanzler u. der Zeugen, Data etc. enthaltend; s. Urkunde. Die D. als Wissenschaft bildete sich in der ersten Hälfte des 17. Jahrh., wo Länderstreitigkeiten, die in Deutschland stattfanden, zur genauen Untersuchung von Urkunden führten. Nik. Zyllesius war 1633 der erste, welcher Grundsätze zur Untersuchung einzelner Urkunden (bei Entscheidung eines Streites zwischen dem Kurfürsten von Trier u. der Reichsabtei St. Maximin) aufstellte, ihm folgten D. Heider, B. Leuber u. bes. H. Conring, deren Schriften durch Zweifel über die Echtheit alter Urkunden veranlaßt wurden, u. der Jesuit Papebroch bildete 1675 die Anwendung dieser Grundsätze in seiner Schrift: Propylaeum antiquarium circa veri ac falsi discrimen in vetustis membranis (Act. SS. April. Tom. II. 1675), auf Urkunden im Allgemeinen weiter aus. Die Karmeliter u. Benedictiner waren in diesem Werke wegen des Alters mehrerer ihrer Klöster angegriffen, u. dies veranlaßte Letztere, die D. genauer zu erforschen, u. war Ursache von Mabillons Werk: De re diplomatica, Par. 1681, Suppl. 1704, Fol.; diesem folgte Maffei mit seiner Istoria diplomatica, Mantua 1727, v. Bessel, Heumann u. bes. die Benedictiner Toustain u. Tassin mit ihrem Nouveau traité de diplomatique, 6 Bde., Par. 1750–1765, übersetzt von Adelung, Erf. 1759–1769, 9 Bde. Später stellten I. D. Köhler u. I. Ch. Gatterer, Elementa artis diplomaticae, Gött. 1763, die D. noch wissenschaftlicher auf, u. Oberlin, Schwartner, I. von Schmidt-Phiseldeck u. bes. Schönemann vervollkommneten sie immermehr; für die Graphik ist bes. wichtig: Kopp, Palaeographia critica, Manh. 1817–29, 4 Bde.; Pertz, Schrifttafeln, Hannov. 1846. Als Hülfswissenschaft ist fast unzertrennlich von ihr die urkundliche Chronologie.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 175.
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