Ehrengericht

[510] Ehrengericht, 1) (Judicium heroicum, J. equestre, Ehrentafel), privilegirtes Gericht, vor welchem die Ehrensachen adeliger Personen untersucht u. entschieden werden sollen, um Duelle zu verhindern. Die Art dieser Gerichte, welche von den Rittern durch Verträge errichtet u. von den Landesherren bestätigt wurden, welche ihr eigenes Ehrenrecht u. einen besonderen Ehrenrichter (Ehrenmarschall) hatten, vor welchem der, welcher vor diesem Gerichte gerichtet sein wollte, seine Schilde. u. Ahnen beweisen mußte, u. die man bes. in Österreich, Schlesien u. den Lausitzen fand, haben jetzt aufgehört, u. es sind nur die geblieben, welche durch besondere landesherrliche Gesetze errichtet od. angeordnet sind. E-e bestehen 2) in mehreren Armeen u. haben den Zweck, die gemeinsame Ehre der Genossenschaft, sowie die Ehre des Einzelnen zu wahren, gegen[510] diejenigen Mitglieder, deren Benehmen dem richtigen Ehrgefühl od. den Verhältnissen des Offizierstandes nicht entspricht, einzuschreiten u. wo nöthig auf die Entfernung unwürdiger Glieder aus der Genossenschaft anzutragen, damit die Ehre des Offizierstandes in ihrer Reinheit erhalten u. der gute Ruf jedes Einzelnen, sowie des Ganzen unbefleckt bleibe. Zur Competenz der E-e gehören alle Handlungen u. Unterlassungen, welche nicht durch besondere Gesetze als strafbar bezeichnet, gleichwohl aber dem richtigen Ehrgefühl od. den Verhältnissen des Offizierstandes zuwider sind, wie Mangel an Entschlossenheit, fortgesetztes Schuldenmachen, eine ungeziemende Lebensweise, Mangel an Verschwiegenheit über dienstliche Angelegenheiten, fortdauernde mangelhafte Erfüllung der Dienstobliegenheiten, Neigung zum Trunk etc. Außerdem haben die E-e die Streitigkeiten u. Beleidigungen der Offiziere unter sich, sowie die Anreizungen zum Zweikampfe, insofern dieselben nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Acte des Dienstes stehen u. deshalb zugleich als Dienstvergehen zu bestrafen sind, vor ihr Forum zu ziehen. In Preußen bildet das Offiziercorps jedes Regiments ein E., das alljährlich einen Ehrenrath wählt, welcher von dem Commandeur bei vorkommenden Fällen mit der Führung der Untersuchung beauftragt wird. Sind die Acten spruchreif, so spricht das gesammte Offiziercorps des Regiments das Urtheil, das nur auf Freisprechung, auf eine Warnung, auf Entlassung aus dem Dienste, auf Entfernung aus dem Offizierstande, womit der Verlust des Titels der Charge u. die Unfähigkeit zur Wiederanstellung als Offizier verbunden ist, auf Verlust des Rechts, die Militäruniform zu tragen, auf Entfernung aus dem bisherigen Wohnort lauten darf. Jedes Urtheil bedarf der Bestätigung des Königs. Bei Streitigkeiten u. Beleidigungen soll der Ehrenrath die Vermittelung versuchen, läßt sich diese nicht herbeiführen, so muß er als Kampfrichter dem Duelle beiwohnen. Auch 3) auf Universitäten, wo früher nur die Burschenschaft E-e hatte, sind die E-e in neuester Zeit allgemeiner u. hier u. da sogar gesetzlich gemacht worden. Ihre Bestimmung ist, bei contrahirten Duellen Aussöhnung der Parteien zu versuchen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 5. Altenburg 1858, S. 510-511.
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