Glycerīn

[422] Glycerīn (Glyceryloxydhydrat, Lipyloxydhydrat, Ölsüß), C6H8O6 = C6H7O5 + HO, von Scheele entdeckt, kommt in der Natur fertig gebildet nur im Eidotter des Huhnes u. im Hirnfett in der Form von Glycerinphosphorsäure vor, sonst bildet es sich bei der Verseifung der Fette aus dem Lipyloxyd durch Aufnahme von Wasser (2 C3H2O + HO = C6H8O6), es findet sich daher in der Seifensiederlauge u. in der bei der Bereitung der Bleipflaster abgeschiedenen wässrigen Flüssigkeit, aus der man es durch Fällen des in ihr aufgelösten Bleioxyds durch Schwefelwasserstoff u. Verdampfen im Vacuum erhält; aus der Seifensiederlauge gewinnt man es, indem man dieselbe mit Schwefelsäure neutralisirt, mit kohlensaurem Baryt versetzt, das Filtrat eindampft u. mit Alkohol auszieht; sehr rein erhält man es, wenn man durch eine alkoholische Lösung von Ricinusöl Salzsäuregas[422] leitet, mit Wasser auszieht u. das durch Abdampfen gewonnene G. durch Schütteln mit Äther reinigt. Das G. ist ein farbloser od. schwachgelblicher Syrup, schmeckt sehr süß, ist mit Alkohol u. Wasser in allen Verhältnissen mischbar, nicht löslich in Äther, brennt erhitzt mit leuchtender Flamme, wird durch Salpetersäure in Oxalsäure verwandelt, mit Braunstein u. Schwefelsäure liefert es Ameisensäure. Bei 150° zersetzt sich das G. noch nicht, entwickelt aber einen nach Leim riechenden Dampf, welcher sich zu unverändertem G. condensirt. Bei höherer Temperatur wird ein Theil unter Bildung von Acroleïn u. Acrylsäure zersetzt; das Acroleïn gibt sich leicht durch den charakteristischen, dem eines verglimmenden Öllampendochtes ähnlichen Geruch zu erkennen. Mit Hefe zusammengebracht, liefert das G. keinen Alkohol, sondern Metacetonsäure u. Wasser (C6H8O6 = C6H5O3 + 3HO). Durch Chlor u. Brom wird es zersetzt, Platinschwarz verwandelt es in eine Säure; Alkalien u. Metalloxyd, bes. Bleioxyd, werden von ihm in großer Menge aufgelöst. Mit Schwefelsäure verbindet sich das G. zu saurem schwefelsaurem G. (Glycerinschwefelsäure, = C6H7O5 . SO3 + HO . SO3), welche Verbindung auch bei Behandlung der Fette mit Schwefelsäurehydrat entsteht, rein aber durch Zerlegung des schwefelsauren Glycerinkalkes mittelst verdünnter Oxalsäure dargestellt wird. Es ist eine sehr saure Flüssigkeit, welche Baryt-, Kalk- u. Bleisalze nicht fällt, die kohlensauren Salze unter Aufbrausen zersetzt u. beim Erwärmen in G. u. Schwefelsäure zerfällt; bildet mit Basen lösliche, in der Hitze sich zersetzende Doppelsalze. Schwefelsaurer Glycerinkalk (Glycerinschwefelsaurer Kalk = C6H7O5 . SO3 + CaO . SO3), bildet farblose Blättchen od. Nadeln, ist unlöslich in Alkohol u. Äther, bitterschmeckend. Mit Phosphorsäure verbindet sich das G. zu saurem phosphorsaurem G. (Glycerinphosphorsäure = C6H7O5 . 2HO + PO5), bildet eine farblose Flüssigkeit, welche sich leicht zersetzt, stark sauer schmeckt u. sich leicht in Wasser u. Alkohol löst; man erhält es durch Vermischen von G. mit zerstoßener glasiger Phosphorsäure. Das Kalksalz dieser Säure, der phosphorsaure Glycerinkalk (Glycerinphosphorsaurer Kalk = 2 CaO. C6H7O5 + PO5), krystallisirt in farblosen Schuppen, ist leicht löslich in kaltem, schwer in heißem Wasser. Essigsaures G. (Acetin) u. benzoësaures G. (Benzoicin) wurden von Schweitzer im Öl der Früchte von Evonymus europaeus entdeckt. Mit Weinsäure bildet das G. ebenfalls eine saure Verbindung, das saure weinsaure G. (C6H7O5 . C4H2O5 + HO . C4H2O5), welches eine weiche, in der Kälte zu einem festen durchsichtigen Körper erstarrende Masse bildet, welche an der Luft zerfließt, unlöslich in Alkohol ist u. mit Basen lösliche Salze bildet.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 422-423.
Lizenz:
Faksimiles:
422 | 423
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika