[775] Malebranche, Nicol., französischer Philosoph, geb. 6. Aug. 1638 in Paris, widmete sich, frühzeitig durch Kränklichkeit u. körperliche Mißgestalt zu[775] einem einsamen Leben bewogen, dem Geistlichen Stande u. trat 1660 in die Congregation der Väter des Oratoriums ein. Die Schrift des Cartesius De homine zog ihn von dem Studium der Kirchenväter u. der Biblischen Geschichte zu dem der Philosophie hin. Die bedeutendste seiner Schriften, welche die Frucht seines philosophischen Nachdenkens sind, hat den Titel: De la recherche de la verité (Par. 1674, 3 Bde., ebd. 1712, 4 Bde.; deutsch Halle 177686, in 4 Bänden). Gestützt auf die cartesianische Unterscheidung zwischen Denken u. Ausdehnung u. die behauptete Unmöglichkeit, daß eine körperliche Substanz eine Vorstellung od. eine Erkenntniß in der Seele als der Substanz des geistigen Lebens hervorbringen könne, suchte er neben der Darstellung der Quellen u. Formen des Irrthums in Verbindung mit zahlreichen, zum Theil freien u. scharfsinnigen psychologischen Erörterungen u. durch Widerlegung der möglichen Ansichten über die Entstehung unserer Erkenntnisse den Hauptsatz zu erhalten, daß wir alle Dinge in Gott schauen (Que nous voyons toutes choses en dieu), d. h. daß Gott ebenso die Ursache unseres Bewußtseins, wie der Natur, od., wie er es wohl auch ausdrückt, daß er der Ort der Geister sei, wie der Raum der Ort der Körper. M. bildet dadurch ein Mittelglied zwischen Cartesius u. Spinoza; die charakteristischen Züge u. Consequenzen der Lehre des Letzteren treten bei ihm deshalb noch nicht vollständig hervor, weil er an den ethischen Eigenschaften Gottes festhält u. ein tiefer, in dem christlichen Offenbarungsglauben wurzelnder religiöser Sinn ihm die ethischen Beziehungen Gottes zu dem Menschen in dem an sich rein theoretischen Begriff der Immanenz der Dinge in Gott nicht verschwinden läßt; wie er denn überhaupt bezüglich des Verhältnisses zwischen Gott u. Welt etwas Unbegreifliches anerkennt. So neigt er sich trotz der analysirenden Schärfe seines Denkens einer idealistischen Mystik zu, die bes. in seinen Conversations chretines (Par. 1671), in dem Traité de la nature et de la grace (Rotterd. 1680) u. in den Meditations chretiennes (Par. 1684) hervortritt. Außerdem hat er einen Traité de la morale (Rotterd. 1684, deutsch von Reidel, Heidelb. 1831) u. als Ehrenmitglied der Franzöfischen Akademie, wozu er 1699 ernannt wurde, einen Traité de la communication du mouvement in Verbindung mit der Abhandlung: Système général de l'univers geschrieben. Er st. 13. Oct. 1715 in Paris. Seine Werke erschienen noch bei seinem Leben gesammelt in 11 Bänden, Par. 1712, u. sind neuerdings von E. Genoude u. Lourdoueix (ebd. 1837, 2 Bde.) herausgegeben worden