Numidĭa

[156] Numidĭa, Land in Nordwestafrika; grenzte im Osten an Africa propria, wovon es der Tusca schied, im Süden an Libyen u. Gätulien, im Westen an Mauritanien, von welchem es früher der Mulucha, später der Ampsaga trennte, u. im Norden an das Mittelmeer, also das jetzige Algier; es war gebirgig durch Zweige des Atlas, namentlich durch den Thambes u. Aurasius; Vorgebirge von Osten nach Westen: Hippi Promontorium, Stoborrum, Tretum, von welchem letztern bis zum Vorgebirge Audum in Mauritania sich der Numidĭcus sinus erstreckte; Flüsse: Tusca, Armoniacus (Armua), Rubricatus (Muthul, Ubus), Thapsus, Ampsaga; wichtige Städte: Thabraca, Hippo Regius, Rusicada, Collops (Chullu); im Innern: Vacca (Theodorias), Bulla, Sicca Veneria, Naraggara, Zama, Lares, ad Medera, Theveste, Telepte, Lambese, Tamugadis, die königliche Residenz Cirta u.m.a. N. war fruchtbar, bes. an Weizen, Wein u. Südfrüchten; es gab Löwen, Elephanten, gute Pferde, Schafe, Ziegen; bes. fanden sich treffliche Weideplätze, daher wurde N. früh schon von Nomaden durchzogen. Diesem ihren Wanderleben sollten die Völker N-s ihren Namen Numĭdä od. Numĭdes verdanken, die Griechen nannten sie auch nur Nomades; später wurde ihr Name mit dem der Mauren vermischt, Sie galten als Einwanderer aus Asien u. ihre Hauptstämme waren die Massyli u. Massäsyli; auch nachdem sie, bes. durch Masinissa, seßhaft gemacht worden waren, blieben Heerden ihr Hauptreichthum, u. obwohl wohlhabend geworden, bewahrten sie sich ihr altes einfaches Leben u. waren bis spät ein gesundes, kräftiges, tüchtiges Volk, welches sich im Kriege bes. als gefürchtete Reiter auszeichnete. Ihre Sitten haben sich meist bis jetzt unter den Kabylen erhalten. Die einzelnen Stämme standen unter Häuptlingen, welche nach Landessitte nicht ihre Söhne, sondern ihre Brüder zu Nachfolgern hatten; starb der Bruder, dann erst folgte der Sohn des ersteren Königs. Der älteste bekannte König ist Gala, Fürst der Massylier. Als dieser starb, folgte ihm sein Bruder Ösalces u. diesem widerrechtlich sein Sohn Capusa. Da dieser aber von Mezetulus, einem Anverwandten der königlichen Familie, vertrieben wurde, so griff Masinissa, Sohn des Gala, den Mezetulus mit carthagischer Hülfe an u. schlug ihn. Darauf bekriegte er zur Zeit des zweiten Punischen Krieges den Syphax, König der Massäsylier, welcher sich mit den Römern verbunden hatte; zwar war Masinissa Anfangs glücklich gegen ihn, wurde aber nachher von Syphax aus seinem Reiche getrieben. Als nun Syphax in Folge seiner Verheirathung mit Sophonisbe, Tochter des Hasdrubal, den Römern untreu wurde u. auf die Seite der Carthager trat, verband sich Masinissa mit den Römern u. griff, mit einem römischen Heer unter Lälius verstärkt, den Syphax an, schlug ihn u. beraubte ihn seines Reiches; Syphax selbst wurde gefangen, nach Rom gebracht u. starb dort im Gefängnisse. Den Masinissa machte Scipio zum König u. gab ihm nach der Schlacht bei Zama einen Theil des Massäsylierlandes, u. dies vereinigte Reich hieß nun N. Von den Römern geschützt u. oft ungerecht gegen die Carthager vertreten, machte Masinissa häufig Einfälle in das carthagische Gebiet u. riß ein Stück desselben nach dem andern an sich, wodurch er Veranlassung zum dritten Punischen Kriege (s.u. Punische Kriege) gab. Er starb als Freund der Römer 148 v. Chr. 90 Jahre alt, mit dem Ruhme eines tapfern, einsichtsvollen Fürsten, der namentlich den Ackerbau unter seinem Volke befördert hatte. Seine Söhne u. Nachfolger waren Micipsa, Gulussa u. Mastanabal, welche sich in das Reich theilten. Gulussa erhielt den Oberbefehl über die Armee, welche im dritten Punischen Kriege den Römern beistand, starb aber bald darauf, u. in Kurzem wurde Micipsa wieder Herr des ganzen Reichs, welches er 119 v. Chr. unter seine Söhne Adherbal u. Hiempsal u. seinen Neffen Jugurtha, den Sohn Mastanabals, theilte. Aber sogleich nach Micipsas Tode ließ Jugurtha den Hiempsal ermorden u. im Jahre 117 ward das Reich durch römische Vermittlung unter Adherbal u. Jugurtha getheilt. Kaum hatten sich aber die römischen Bevollmächtigten entfernt, als Jugurtha in Adherbals Gebiet einfiel, denselben schlug, in Cirta zur Übergabe nöthigte u. ermordete. Da wurde der Consul Calpurnius Bestia gegen ihn abgeschickt, dieser aber wurde von Jugurtha bestochen, ließ ihm Leben u. Krone u. legte ihm nur einen Tribut auf. Jugurtha wurde nun nach Rom gefordert, aber sein Geld rettete ihn, wiewohl er in Rom selbst seinen Verwandten Massiva heimlich tödten ließ. Der Krieg (Jugurthinischer Krieg) wurde indeß fortgesetzt, aber Jugurtha schlug den Consul Sp. Postumius Albinus 110 u. dictirte einen schimpflichen Frieden; der Senat erkannte aber den Frieden nicht an u. schickte 109 den Metellus (s.d. 11) nach N., welcher den Jugurtha 108 wiederholt besiegte u. dafür den Beinamen Numidicus erhielt. Jugurtha mußte sich ergeben, begann aber den Krieg bald wieder, u. floh zu seinem Schwiegervater Bocchus nach Mauritanien. Dem Metellus folgte im Commando 107 Marius. Dieser besiegte den Bocchus u. Jugurtha, u. jener rettete sich durch Jugurthas Auslieferung an die Römer 106. Jugurtha wurde nach Rom geführt u. dort hingerichtet. Die Römer vertheilten nun das Land an die noch übrigen Glieder der königlichen Familie. Einer derselben, Juba I., Hiempsals Sohn, war im Bürgerkriege ein treuer Anhänger des Pompejus u. that dem Cäsar großen Schaden. Als er aber 46 v. Chr. bei Thapsus mit Scipio geschlagen u. von einem Sklaven ermordet worden war, machte Cäsar N. als Numidia propria (N. nova, N. romana) zur Provinz u. bestellte den Geschichtsschreiber [156] Sallustius zum Präfecten. Den Sittius, durch dessen Beistand Juba geschlagen worden war, beschenkte Cäsar mit dem westlichen Districte um Cirta. Innerliche Kriege zwischen den Präfecten der neuen u. alten Provinz zerrissen das Land, bis beide in die Hände des Triumvirn Lepidus u. endlich an Augustus kamen, unter dessen Regierung N. eine gesetzliche Einrichtung bekam. Jubas Sohn, Juba II., in Rom erzogen u. bei dem Kaiser beliebt, erhielt das väterliche Reich wieder, aber in veränderter Gestatt, indem nun dasselbe aus dem alten Gebiet des Syphax (Massäsylien) u. Mauritanien bestand u. nun den Namen Mauritanien (s.d.) bekam. Das eigentliche N. blieb unmittelbare römische Besitzung u. wurde zur Provinz Afrika geschlagen, wovon es jedoch einen besonderen Theil mit Beibehaltung seines alten Namens N. ausmachte. Bei der Theilung des Römischen Reiches kam N. mit Afrika an das Weströmische Reich, dann an die Vandalen, im 6. Jahrh. an das Byzantinische Reich u. im 7. Jahrh. an die Araber.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 156-157.
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