Punische Kriege

[694] Punische Kriege. Seitdem die Römer Unteritalien besaßen u. nun auch nach Sicilien, als einem, wegen seines Getreidereichthums für Italien höchst wichtigen Besitze strebten, war es fast unvermeidlich mit den Carthagern (Puniern), in deren Besitz ein Theil von Italien u. unter deren Einfluß der andere stand, in Krieg zu gerathen. Die Veranlassung zum Ausbruch desselben wnrde eine, den Mamertinern von den Römern gegen Hiero geleistete Hülfe. A) Erster Punischer Krieg (Sicilischer Krieg), 264–242 v. Chr. König Hiero von Syracus, welcher die Raubzüge der abenteuernden Mamertiner (s.d.) in seiner Nähe nicht dulden wollte, belagerte Messana, wo sich jene festgesetzt hatten. Die Einen derselben baten von den Römern, die Anderen von den Puniern Hülfe; Rom sendete 264 v. Chr. ein Heer unter dem Consul Appius Claudius, dieser vertrieb die Punier aus Messana u. schlug den Hiero, verfolgte Letztern bis Syracus u. nöthigte ihn 263 zu einem für die Römer vortheilhaften Frieden. Die Punier hatten sich nach Agrigent zurückgezogen, wo Hannibal befehligte u. eine Verstärkung unter Hanno bekam. Die Stadt wurde aber 262 von den Römern erobert, u. die Punier warfen sich nach Panormus, aber auch dies wurde erobert u. die Punier aus ganz Sicilien vertrieben. Jetzt bauten die Römer auch eine Flotte, u. unter C. Duilius (260) erfolgte die erste Seeschlacht bei der Insel Mylä an der Nordküste Siciliens, wo die Römer, was ihnen an Seetaktik abging, durch das Entern ersetzten, die Punier schlugen, 31 Schiffe nahmen u. 14 versenkten. 257 u. 256 eroberten die Römer Corsica u. Malta u. lieferten im ersten Jahre den Puniern eine unentschiedene Seeschlacht beim Vorgebirg Tyndarium, erfochten aber im letzteren Jahre unter den Consuln L. Manlius Vulso u. M. Atilius Regulus einen zweiten Seesieg bei Ecnomus; die Punier verloren hier 94 Schiffe. Durch[694] diesen Sieg wurde den Römern der Übergang nach Afrika geöffnet. Sie landeten unter Regulus bei Hermäum u. waren Anfangs glücklich; aber als die Carthager den Spartaner Xanthippos zu ihrem Feldherrn gewählt hatten, wendete sich das Glück ihnen zu, u. Regulus wurde 255 geschlagen u. selbst gefangen. Die Römer mußten Afrika wieder verlassen u. waren auch zur See unglücklich, indem ihre Flotte 253 Schiffbruch litt; erst 250 gewannen sie unter dem Consul L. Cäcilius Metellus über Hasdrubal wieder einen Sieg bei Panormus u. beschränkten die Punier in Sicilien auf Lilybäum, Drepanum u. Eryx. Aber Hasdrubal rächte sich 249 durch die Vernichtung der von P. Claudius Pulcher befehligten römischen Flotte bei Drepanum; die Römer verloren hier 93 Schiffe. Der Kriegsschauplatz wurde wieder Sicilien, namentlich hielt sich Hamilkar Barkas im nordwestlichen Theile der Insel, auf dem Eryx, von 247–242 u. machte den Römern viel zu schaffen. Mit erneuten Kräften begannen die Römer den Kampf wieder, nachdem sie eine Flotte von 300 Schiffen aus Privatmitteln errichtet hatten; mit dieser schlug der Consul C. Lutatius Catulus die Flotte der Punier 242 bei den Agatischen Inseln so (50 Schiffe wurden versenkt, 70 mit 10,000 Mann genommen), daß die Punier, der Zufuhr beraubt, um Frieden baten; er wurde ihnen unter der Bedingung zugestanden, daß sie Sicilien u. alle Inseln zwischen Sicilien u. Sardinien räumten (Sardinien selbst u. Corsica behielten sie), weder gegen Hiero noch gegen dessen Bundesgenossen Krieg führten, 2200 euböische Talente (über 21/2 Mill. Thlr.) in einem bestimten Zeitraum Kriegskosten bezahlten u. die römischen Gefangenen ohne Lösegeld entließen. Nach dem ersten P-n K. wurde der Janustempel zum zweiten Mal (erst seit Numa wieder) geschlossen.

Über 20 Jahre ruhten die Waffen der Römer u. Punier gegen einander, während welcher Zeit diese für ihren Verlust sich in Spanien entschädigten; hier hatten auch die Römer eine verbündete Stadt, Saguntum; da diese von dem punischen Feldherrn Hannibal belagert u. trotz den Vorstellungen der Römer nach siebenmonatlicher Belagerung erstürmt wurde, so gab dies die Veranlassung zum neuen Krieg. B) Zweiter Punischer Krieg, 218–202. Die Römer wollten die Punier in ihrem eigenen Lande angreifen; allein denselben Plan hatte Hannibal; er ging über den Ebro, die Pyrenäen, durch Gallien, über den Rhodanus u. setzte mit 100,000 Mann zu Fuß u. zu Pferd über die Alpen (entweder über den Kleinen Bernhard od. den Mont Cenis). Als er nach Oberitalien kam, war sein Heer bis auf 30,000 geschmolzen, doch schlug er den römischen Consul P. Cornel. Scipio, welcher eiligst aus Spanien zurückgekehrt war, in einem Reitertreffen am Ticinus u. rückte nun weiter nach Süden vor, auf welchem Zuge er mehre den Römern zinspflichtige Völkerschaften unterwarf; am Trebiafluß, wo derselbe in den Padus mündet, erfocht er über den andern Consul, Tib. Sempronius Longus, welcher einstweilen in Sicilien gestanden u. sich nun mit den Trümmern des Heeres Scipio's verbunden hatte, einen zweiten Sieg, u. nun verbanden sich die oberitalischen Völker mit Hannibal. Ein Treffen fiel noch im Winter bei Placentia vor. Im Frühjahr 217 rückte Hannibal in Etrurien ein u. schlug die Römer unter dem Consul C. Flaminius bei Perusia am See Grasimenus; 15,000 Römer blieben mit dem Consul u. 6000 mußten sich am anderen Tag ergeben. Hannibal zog sich nun nach Picenum, auf der Ostseite Italiens. Der inzwischen zum Dictator gewählte Q. Fabius Maximus Cunctator vermied die Schlachten im offenen Felde u. hielt den Feind durch Stellungen u. Märsche hin, wodurch er ihn ermüdete u. erschöpfte. Hannibal marschirte nach Apulien, wohin ihm das römische Heer unter L. Ämilius Paulus u. M. Terentius Varro folgte; bei Cannä kam es 216 zur Schlacht, der furchtbarsten u. verderblichsten für die Römer in der ganzen Geschichte, 45,000 (nach And. sogar 80,000) Römer, darunter die Blüthe der Ritterschaft, kamen um; Ämilius fiel als Held, Varro, nach dessen entscheidendem Willen die Schlacht geliefert u. durch dessen Unkunde im Kriegswesen sie verloren worden war, rettete sich durch die Flucht. Hannibal, dessen Heer durch die vier Schlachten sehr geschwächt war, konnte seinen Sieg nicht verfolgen; er schickte daher Gesandte nach Rom, um Friedensanträge zu thun, welche aber der Senat gar nicht in die Stadt ließ. Er bezog Winterquartiere in Capua u. konnte nun sein Heer ergänzen, da Campanien u. fast ganz Unteritalien die drückende Herrschaft der Römer abwarf u. sich an Hannibal anschloß. Der Krieg wurde nun fortgesetzt; die Römer durch den Sieg unter Claudius Marcellus bei Nola, 216, ermuthigt, schlugen die Punier noch öfter (z.B. bei Benevent unter Sempron. Gracchus), erlitten aber auch wieder Niederlagen (z.B. 212 bei Erdonia); den König Philippos von Macedonien, mit welchem sich Hannibal inzwischen verbündet hatte, wußten sie durch die Ätolier in Griechenland zu beschäftigen. 211 wurde Capua von den Proconsuln Q. Fulvius Flaccus (der nachher von Hannibal in einer zweiten Schlacht bei Erdonia geschlagen wurde u. blieb) u. C. Claudius Centho erobert; Hannibal machte einen Zug gegen Rom, stand jedoch von einem Angriffe gegen die Stadt ab; Marcellus schlug ihn 209 bei Canusium u. Fabius nahm Tarent, u. so wurden die Besitzungen der Punier, ungeachtet ihres Sieges bei Locri 208, immer mehr eingeschränkt u. Hannibals Armee wurde immer schwächer, da er vergebens Hülfstruppen aus Afrika erbat. In Sicilien war nach dem Tode Hiero's, des treuen Römerfreundes, 215 dessen Enkel Hieronymus von den Römern abgefallen u. hatte mit den Puniern ein Defensivbündniß geschlossen; in Folge dessen entstand ein Krieg mit Syrakus, welcher sich 212 mit der Eroberung der Stadt durch die Römer endigte. Auch Sardinien war 214 von Manlius wieder genommen worden. In Spanien führten 217 die Brüder Cn. u. P. Cornelius Scipio den Krieg; jener nahm das ganze Land bis an den Ebro; Beide siegten 216 bei Ibera u. öfter über Hasdrubal; fast ganz Spanien ergab sich ihnen. In Afrika schlossen die Römer nun ein Bündniß mit dem König Syphax von Numidien u. landeten 212 dort. In diesem Jahre fielen die beiden Scipionen in Spanien, u. der gleichnamige Sohn des P. Corn. Scipio erhielt 210 hier das Commando; er nahm Neu-Carthago ein u. schlug 209 den Hasdrubal bei Bäcula. Nun zog Hasdrubal seinem Bruder mit 56,000 Mann nach Italien zu Hülfe; Hannibal selbst machte Bewegungen nach Oberitalien, um ihm entgegen zu gehen u. sich mit ihm zu vereinigen. Aber während er Placentia belagerte, vereinigten sich die Consuln M. Livius Salinator u. Cl. Tiberius Nero u. schlugen 207 bei Sena am Metaurus[695] den Hasdrubal, welcher selbst blieb. Hannibal zog sich mit seinem schwachen Heere in den untersten Theil Italiens zurück u. die Sendung seines Bruders Mago 205 mit Hülfstruppen aus Spanien half ihm nichts, denn auch dieser wurde in Oberitalien besiegt. Der Krieg in Italien war jetzt blos Nebensache. Nämlich Scipio hatte in Afrika nach Beendigung der spanischen Eroberungen, da Syphax sich inzwischen mit den Carthagern ausgesöhnt hatte u. gegen die Römer aufgetreten war, mit dem König Masinissa ein Bündniß gemacht; 203 ging er selbst nach Afrika über, nachdem sein Legat C. Lälius ihm den Weg gebahnt u. den Hafen von Hippo besetzt hatte. Da die Punier unglücklich waren, so wurde Hannibal aus Italien gerufen. Er wollte, weil er die Schwäche der carthagischen Armee erkannt hatte, lieber mit Scipio Friede machen; indeß, man wurde nicht über die Bedingungen einig, u. bei Zama kam es 19. Oct. 201 zur Schlacht; nach blutigem Kampfe neigte sich der Sieg auf die Seite der Römer; 40,000 Punier blieben. Nun wurde Friede geschlossen: die Punier mußten alle Besitzungen außerhalb Afrika abtreten, innerhalb 30 Tagen alle Gefangene u. Überläufer, alle Kriegsschiffe bis auf zehn u. die Elephanten ausliefern, 10,000 Talente (gegen 111/2 Mill. Thlr) bezahlen, dem Masinissa das ihm entrissene Land zurückgeben, 100 Geißeln stellen u. dursten ohne Roms Bewilligung keinen Krieg mehr führen. Hannibal war der verlangten Auslieferung durch die Flucht entgangen.

Durch diesen Frieden war der Weg zur Vernichtung Carthagos gebahnt; Masinissa machte Anforderungen an die Punier, welche diese kaum erfüllen konnten, u. lebte daher in stetem Streite mit ihnen. Zur Beilegung einer solchen Streitigkeit wurde Cato 156 v. Chr. nach Afrika geschickt; die Punier durch sein übermüthiges Betragen gegen ihn erbittert, unterwarfen sich seinem Ausspruch nicht, sondern appellirten nach Rom; Cato verließ Afrika als unversöhnlicher Feind der Punier, u. sein ganzes Bestreben ging dahin, daß Carthago, dessen Macht sich inzwischen wieder gehoben hatte u. Rom von Neuem gefährlich zu werden drohete, um jeden Preis gestürzt werden sollte. (Jede seiner Reden im Senatsoll er mit den Worten geendet haben: ceterum censeo Carthaginem esse delendam, d. i. übrigens stimme ich, daß Carthago vernichtet werden muß!) Da die Punier endlich nicht mehr widerstehen konnten, so ergriffen sie 152, ohne Roms Einwilligung, die Waffen gegen Masinissa, wurden aber von Gulussa geschlagen. Die Römer erklärten ihnen als Treubrüchigen den Krieg. C) Dritter Punischer Krieg, 150– 146. Die Punier thaten Alles, um Rom zu besänftigen, allein die Kriegsrüstungen waren schon gemacht, das Heer stand 149 unter M' Manlius u. L. Marcius Censorius schon in Sicilien; die Punier erklärten sich den Gesandten als Unterworfene der Römer; diese forderten 300 Geißeln, u. nachdem diese gestellt waren, verlangten die Römer, daß die Carthager ihre Stadt verlassen u. sich im Innern des Landes anbauen sollten. Dies schlugen die Carthager ab. Es wurden neue Kriegsrüstungen gemacht, eine neue Flotte gebaut, alles Metall von Privat- u. öffentlichen Gebäuden zu Waffen verarbeitet, Sklaven u. Verbrecher bewaffnet u. der auf Verlangen der Römer vertriebene Hasdrubal zurückgerufen; selbst die Frauen betheiligten sich an der Vertheidigung der Vaterstadt. So hielten sie die Belagerung der Römer drei Jahre aus. Inzwischen wurde Manilius 149 von Hasdrubal zweimal geschlagen, auch L. Calpurnius Piso kämpfte 148 ohne Glück gegen die Carthager. Da schickten die Römer den P. Scipio Ämilianus Africanus 147 als Befehlshaber nach Afrika. Carthago wurde nun enger u. enger eingeschlossen, ein punisches Heer vor der Stadt geschlagen, die Zufuhr abgeschnitten u. zuletzt 146 die Stadt gestürmt. Zwei Mauern waren bereits genommen, die dritte hielt sich noch; nach sechstägigem Sturm fiel auch diese u. nur die obere Stadt u. die Burg Byrsa wurde vertheidigt, welche die Verzweifelten endlich selbst anzündeten u. sich mit ihr verbrannten (unter ihnen Hasdrubals Gemahlin mit ihren Kindern); 50,000 Menschen ergaben sich dem Scipio. Der Brand der Stadt dauerte 17 Tage; Scipio stand auf den Trümmern der Stadt u. mit schweren Ahnungen für das einstige Schicksal seines Vaterlandes sprach er die Verse aus Homer (Ilias 4,164 f.) aus: Einst wird kommen der Tag, da die heilige Ilios hinsinkt, Priamos selbst u. Priamos' Volk, des Lanzenberühmten! Der Sturz Carthagos, so hoch er Rom erhob, begründete doch den Fall Roms, da es nun keinen mächtigen Feind in der Nähe hatte, gegen den es auf der Hut sein mußte. Der erste P. K. war von einem agrigentinischen Griechen Philinus (in carthagischem) u. von Fabius (in römischem Interesse), dann von dem Dichter Nävius (sämmtlich verloren) u. ist neuerlich von CO. Bröcker, Tüb 1846, beschrieben worden; den zweiten hat Livius (Buch 21–30) beschrieben u. Silius Italicus (s.d.) u. Petrarca in dem Epos Africa besungen; die Darstellung des zweiten u. dritten Krieges findet sich bei Appian (Buch 7 u. 8).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 13. Altenburg 1861, S. 694-696.
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