Obligation

[188] Obligation (v. lat. Obligatio, Verbindlichkeit), 1) ein zwischen zwei od. mehren bestimmten Personen bestehendes Verhältniß, in Folge dessen die eine (Schuldner) der anderen (Gläubiger) zu irgend einer Leistung verpflichtet ist, es mag diese in einem Thun od. Geben u. dgl. bestehen. Nach Römischem Rechte entstehen O-en entweder aus Verträgen od. aus Verbrechen u. überdies aus Thatsachen, welche man entweder den Verträgen od. den Vergehen an die Seite stellte; manche O-en gehen indeß auch unmittelbar aus gesetzlicher Vorschrift hervor. Im neueren Rechte werden bei der Entstehung der O-en aus Verträgen nicht mehr blos die im Römischen Rechte anerkannten Contracte als Entstehungsgründe angenommen, sondern jede Übereinkunft, wenn sie nur einen obligationsmäßigen Inhalt hat, reicht zur Erzeugung einer O. aus. In letzter Beziehung ist nur vorauszusetzen, daß die Handlung des Schuldners, welche den Gegenstand der O. bildet, eine natürlich u. rechtlich mögliche, eine erlaubte u. eine solche sei, welche einen Vermögenswerth für den Gläubiger hat. Die O. ist eine O. simplex, wenn nur Ein Gegenstand zu leisten, od. O. copulativa, wenn mehre Sachen zu geben sind, od. O. alternativa, wenn von mehren versprochenen Gegenständen nur einer od. der andere zu leisten ist. Jede O. ist ferner entweder eine selbständige, für sich bestehende, od. accessorische, welche erst einer anderen O. hinzutritt, z.B. eine Bürgschaft; weiter entweder eine einseitige, wo nur Eine Person zu leisten hat, od. eine zweiseitige, wo jeder Theil zu leisten u. mithin jeder Gläubiger u. Schuldner zugleich ist, z.B. beim Kauf; endlich entweder eine theilbare od. untheilbare, je nachdem theilweise Erfüllung resp. Zahlung stattfinden kann od. nicht. Auch theilt man die O. in O. civilis u. O. naturalis. Der letztere Ausdruck bedeutet theils die aus dem Jus gentium hergeleiteten klagbaren Verbindlichkeiten im Gegensatz zu den altrömischen u. rein civilrechtlichen, theils so viel, wie natürliche Verbindlichkeit überhaupt, so daß entweder nur eine moralische Verpflichtung, od. eine auf einem Vertrage beruhende Verbindlichkeit, welchem die Gesetze keine Klagbarkeit gestatten, darunter verstanden wird. Charakteristische Merkmale u. Folgen einer O. naturalis der letzteren Art sind: der Schuldner kann das Geleistete nicht zurückfordern, der Gläubiger kann damit compensiren gegen klagbare eigene Verbindlichkeiten, Bürgschaften, Pfandbestellungen, Zahlungsversprechen für sie sind gültig; ebenso kann sie durch eine Novation (s.d.) gültig in eine O. civilis verwandelt werden. Indessen treten nicht sämmtliche dieser Folgen bei jeder O. naturalis ein, sondern nur so weit die betreffenden Gesetze sie zulassen. Wenn mehre Gläubiger od. Schuldner bei einer O. vorkommen, so ist diese entweder eine O. in partem pro rata, d.h. jeder Gläubiger kann blos seinen Antheil fordern, jeder Schuldner braucht nur seinen Antheil zu leisten, od. eine O. in solidum (O. solidaria), d.h. jeder Gläubiger hat den Gegenstand der Leistung ganz zu fordern, od. jeder Schuldner ihn ganz zu leisten. Diese Solidarität kann dann entweder rein auf der Identität des Gegenstandes beruhen, zu dem mehre berechtigt u. verpflichtet sind, so daß mehre, außerdem selbständige O-en existiren, welche nur darin ein gemeinschaftliches Schicksal haben, daß, wenn die eine durch Leistung des Geschuldeten getilgt ist, damit auch die anderen getilgt sind, weil ihnen ihr Gegenstand genommen ist, wie z.B. bei Denen der Fall ist, welche zusammen sich eines Delicts schuldig gemacht haben u. deshalb schadenersatzpflichtig geworden sind; od. die Solidarität kann zugleich das Moment in sich schließen, so daß die mehren Gläubiger od. Schuldner Subjecte desselben Rechtes resp. derselben Verbindlichkeit sind. In letzterem Falle heißt die O. eine Correal-O., u. zwar Activcorreal-O., wenn die Mehrheit auf Seite der Gläubigerschaft, Passivcorreal-O., wenn sie auf Seiten des schuldnerischen Theiles steht. O-en dieser Art werden z.B. erzeugt, wenn sich die mehren Schuldner mit dem Beisatz: Einer für Alle, Alle für Einen, sammt u. sonders u. dgl. verpflichten.[188] Vgl. Bucher, Das Recht der Forderungen, 2. Aufl. Erl. 1830; Unterholzner, Quellenmäßige Zusammenstellung der Lehre des Römischen Rechts von den Schuldverhältnissen, Berl. 1840, 2 Bde.; Koch, Das Recht der Forderungen nach Gemeinem u. Preußischem Recht, ebd. 1836, 3 Bde. 2) Die Thatsache, wodurch eine O. im obigen Sinne begründet wird; 3) die darüber ausgestellte Urkunde. Vgl. Staatspapiere.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 188-189.
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