Contract [1]

[411] Contract (lat. Contractus, Rechtsw.), die von zwei od. mehreren Personen gegenseitig erklärte Übereinkunft über die Begründung eines obligationsmäßigen Rechtsverhältnisses; daher Contrahenten diejenigen, welche einen solchen Vertrag mit einander abschließen. A) Nach Römischem Rechte reichte nicht jeder Vertrag hin, um einen C., d. i. ein Forderungsrecht mit voller civilrechtlicher Wirksamkeit u. Klagbarkeit, zu erzeugen. Hierzu bedurfte es vielmehr noch besonderer Formen (Causae civilium obligationum), ohne deren Vorhandensein man nur ein Pactum annahm, welches dann zwar eine Einrede, nicht aber ein Klagrecht zu begründen im Stande war. Diese Formen bestanden in: a) Verba, feierlich gesprochene Worte, in welche die Verpflichtung mit Frage des Gläubigers u. Antwort des Schuldners eingekleidet wurde. Hierunter gehörte früher das Nexum, später die Stipulatio, welche durch ihre Allgemeinheit zugleich die Möglichkeit bot, jede Übereinkunft auf eine einseitige Verbindlichkeit zu einem C. zu machen (Verbalcontract); b) Litterae, geschriebene Worte, welche in den Handelsbüchern (Codices expensi et accepti) eingetragen waren (Litteral contract); c) Res, die Hingabe einer Sache, mit der Übereinkunft, diese od. eine andere Leistung zurückzugeben. Die Römer rechneten zunächst hierher das Darlehn (Mutuum), den Leih- (Commodatum), Hinterlegungs- (Depositum) u. Pfandvertrag (Pignus), dehnten dies aber später auch auf alle andern Fälle aus, in denen an dem Gegentheil eine Leistung mit der Auflage gelangte, daß er dafür wiederum etwas zu leisten habe, wodurch eine Eintheilung in benannte (jene 4) u. unbenannte Realcontracte (C. reales nominati u. innominati) entstand; endlich auch noch d) Consensa, durch bloße Übereinkunft (Consensualcontracte), wohin das Mandat, der Kauf, [411] Pacht, der emphyteutische C. u. der Gesellschaftsvertrag gerechnet wurden. Später wurden jedoch auch mehrere Pacta als klagbar anerkannt, theils durch Gesetze (Pacta legitima), theils durch das prätorische Edict (Pacta praetoria), theils endlich als sogenannte Pacta adjecta, wenn die Übereinkunft einem C. mit Erstreckung auf Treu u. Glauben (C. bonae fidei) beigefügt war. B) In dem heutigen Recht ist diese Beschränkung hinweggefallen. Zwar sind zur Gültigkeit einzelner Verträge bestimmte Formen auch heute erforderlich; im Allgemeinen aber gilt der Grundsatz, daß jeder Vertrag, insofern er nur auf eine obligationsmäßige Leistung gerichtet ist, auch ohne besondere Formalitäten ebenso klagbar ist, wie es im Römischen Rechte die Consensualverträge waren. Der Ausdruck C. wird deshalb jetzt auch für jeden Vertrag gebraucht. Zur Perfection ist nur erforderlich, daß der Wille der Contrahenten gegenseitig in bindender Absicht, mithin namentlich ernstlich erklärt ist. Blos vorbereitende Handlungen, wie einseitige Aufforderungen zur Vertragsschließung (Propositionen) od. vorläufige Verhandlungen, durch welche der Inhalt des Vertrags erst festgestellt werden soll (Tractate, Punctationen) sind an sich unverbindlich. Die Erklärung des Willens selbst kann theils ausdrücklich mit Worten, ebenso wirksam aber auch durch concludente Handlungen erfolgen. Eingetheilt werden die C-e in a) einseitige (C. unilaterales), welche nur auf einer Seite Verpflichtungen erzeugen, z.B. das Darlehn; b) zweiseitige (C. bilaterales), bei welchen für jeden der Contrahenten Verbindlichkeiten entstehen, sei dies nun schon im Wesen des C-es begründet, wie z.B. bei dem Kauf, od. durch hinzukommende Möglichkeiten bedingt, wie bei dem Leihvertrag. Über den Inhalt der einzelnen Verbindlichkeiten kann nur die Natur des abgeschlossenen C-es u. der erkennbare Wille der Contrahenten entscheiden, weshalb sich allgemeinere Regeln darüber hier nicht aufstellen lassen. Der C. kann durch Nebenbestimmungen, wie z.B. Bedingungen, Zeitbestimmungen, Auflagen rücksichtlich des Zwecks, mannigfach modificirt werden; Beifügung von Conventionalstrafen, die Hingabe einer Arrha (s.d.) kann seine Wirksamkeit verstärken. Von selbst versteht es sich, daß Personen, welche rechtlich als handlungsunfähig gelten od. doch nur einen beschränkten Willen haben, wie Unmündige, Wahnsinnige etc., auch C-e mit Rechtseffect entweder gar nicht, od. nur mit diesen Beschränkungen abschließen können. Auch bestehen die Rechte u. Verbindlichkeiten aus C-en, wie die aus jeder Obligation, immer nur zwischen den Contrahenten selbst; für Dritte, insofern sie nicht als Erben od. Cessionare Rechtsnachfolger der ursprünglichen Contrahenten werden, äußern dieselben der Regel nach keine Wirkung. Quasicontracte werden mehrere Rechtsgeschäfte genannt, welche contractsähnliche Verbindlichkeiten u. Rechte hervorbringen, ohne daß gerade diese rechtliche Wirkung in der Absicht der Handelnden zu liegen beruht, wie z.B. bei der Übernahme einer Vormundschaft, der unaufgetragenen Geschäftsführung (Negotiorum gestio) u. dem Erbschaftsantritt. Die Handelnden werden hier, unter gewissen Voraussetzungen, ebenso obligirt, wie wenn ein förmlicher C. abgeschlossen worden wäre, z.B. bei der Vormundschaft u. der Negotiorum gestio. Weil die Römer hierbei die Obligationen möglichst nach Analogie wirklicher Contracte behandelten, wurde ihnen der Name Obligationes quasi ex contractu gegeben.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 4. Altenburg 1858, S. 411-412.
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