Ophiten

[312] Ophiten (v. gr., Schlangenverehrer, Schlangenbrüder), gnostische Secte seit dem 2. Jahrh., angeblich von Euphrates gestiftet, von dunklem, vielleicht sogar vorchristlichem Ursprunge, genannt von der Aufnahme der Schlange in ihren Cultus, welche ein altes religiöses Symbol war. Ihr, dem des Gnostikers Valentinus verwandtes System besteht in Folgendem: Aus dem Bythos, dem Urgrunde, emanirte der erste Mensch, d.i. die Idee der Menschheit, der zweite Mensch, d.i. der wirkliche Mensch, u. der heilige Geist, die Mutter alles Lebens, welche aus der Vermählung mit den beiden Urmenschen, Christus, die vollkommene männliche Lichtnatur, u. Sophia, die unvollkommene weibliche, gebiert. Da die Sophia sein will wie Gott, stürzt sie in den Abgrund u. gebiert den Jaldabaoth, Sohn des Chaos. Dieser, der erste unter den sieben Planetengeistern, Gott feindselig, schafft die Welt u. die Menschen, um über Göttliches zu herrschen, wobei er sich aber seiner besten Kraft entäußert. Er ist der Judengott u. das dem Christenthume feindselige Judenthum sein Werk. Da er voll Haß u. Neid in die. Hyle, d.i. Finsterniß, hinabsah u. sich abspiegelte, entstand sein Abbild, der Ophiomorphos, der Schlangengeist, Urheber des Bösen. Die Sophia sucht, nach ihrem Abfall geläutert, das Göttliche im Welt- u. Menschenleben zu fördern u. veranlaßt die Menschen durch den Schlangengeist das Gebot des Jaldabaoth, nicht vom Baum der Erkenntniß zu essen, wodurch er sie in der Beschränktheit halten wollte, zu übertreten. Zur Strafe verbannt er sie auf die finstre Erde u. in materielle Körper, womit Laster u. Versuchungen verbunden sind, u. sucht das höhere Bewußtsein in ihnen durch seinen Engel zu unterdrücken, während auf der andern Seite die Sophia sie stärkt u. erhebt, indem sie einzelne Geistbegabte erweckt. Doch ist ihr Bemühen fast erfolglos, bis der höchste Gott sich selbst der Menschen erbarmt u. den Äon Christus als pneunatischen Messias auf die Erde sendet, welcher sich bei der Taufe mit dem psychischen Jesus, Sohn des Jaldabaoth, vereinigt, welcher diesen seinem Lieblingsvolke verheißen u. gesendet hatte. Da aber Jesus sein Reich stürzte, statt es zu fördern, ließ ihn Jaldabaoth kreuzigen. Zuletzt wird Jesus von Christus in den Himmel erhoben, wohin er die pneumatischen, rein geistigen Wesen nach sich zieht; der Judengott Jaldabaoth aber versinkt, aller geistigen Kräfte beraubt, in den Abgrund der Materie. Ihre Hauptlehre stellten die bis ins 6 Jahrh. dauernden O. in der symbolischen Figur des Diagramma dar. Eng verwandt mit ihnen sind nach ihrer Grundanschauung die Kainiten u. Sethianer. Vgl. Mosheim, Geschichte der Schlangenbrüder, Helmst. 1746, 2. Aufl. 1748; Fuldner, De Ophitis, Rinteln 1834.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 312.
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