Retentionsrecht

[63] Retentionsrecht (v. lat.), Recht des Inhabers einer Sache, dieselbe, obschon er sie an sich herauszugeben[63] schuldig wäre, bis zur Befriedigung eigener Ansprüche dem die Herausgabe derselben Fordernden vorzuenthalten. Das R. bildet kein selbständiges Recht, es gibt weder ein Recht auf die zu retinirende Sache, noch viel weniger ein persönliches Recht, sondern es besteht nur in der thatsächlichen Möglichkeit, durch die Zurückbehaltung der Sache sich einen vorläufigen factischen Schutz zu verschaffen, es erzeugt daher auch keine Klage, sondern der factische Schutz kann nur auf dem Wege einer Einrede geltend gemacht werden, welche die römischen Juristen an die generelle Exceptio doli anknüpften. Die Ausübung des R-s setzt zunächst Detention einer Sache voraus. Da aber der Detentor zur Retention nur durch die Exceptio doli berechtigt ist, so darf er auch nicht auf eine unredliche Weise in den Besitz der retiuirten Sache gelangt sein. Außerdem kann nur eine Sache u. nur für Forderungen retiniri werden, welche der Inhaber der Sache gegen denjenigen hat, welcher die Restitution derselben beansprucht. In Betreff der Beschaffenheit der Forderung wird noch verlangt, daß dieselbe unbedingt u. fällig sei u. zu der retiuirten Sache in irgend einer sächlichen Beziehung sei (Erforderniß der Connexität). Eine solche Beziehung tritt namentlich hervor bei Verwendungen, welche von dem Detentor auf die Sache gemacht wurden u. welche der sie Fordernde zu ersetzen hat; ferner wenn die Gegenforderung, wegen deren retiniri werden soll, aus demselben Rechtsverhältniß u. darauf bezüglichen Handlungen u. Ereignissen entspringt, aus welchem Klage erhoben worden ist, auch wenn der Detentor der an sich zu restituirenden Sache durch dieselbe einen Schaden erlitten hat u. zuvörderst den Ersatz dieses Schadens gesichert haben will; endlich noch in mehren einzelnen Fällen, in denen der Inhaber der detinirten Sache aus derselben seine Befriedigung zu fordern od. doch zu erwarten gesetzlich berechtigt ist, wie z.B. der Erbe, welcher die Quarta Falcidia (s.d.) nicht durch Compensation von Hause aus od. wenigstens nicht mehr erlangen kann, das R. gegen die Vermächtnißnehmer an denjenigen Sachen auszuüben befugt ist, welche er von den Vermächtnissen in die Hände bekommt. Die Wirkung des R-s besteht immer nur darin, daß dadurch der die Restitution Fordernde zur Zeit abgewiesen wird; diese Wirkung bleibt aber so lange in Kraft, als die Forderung des Retinirenden nicht gänzlich getilgt ist. Zweifelhaft ist, ob das R. auch nach Eröffnung eines Concurses (s.d.) geltend gemacht werden könne, indeß hat die gemeine Meinung mit Rücksicht auf die attractive Natur des deutschen Concurses sich stets mehr dahin geneigt, daß mit der Eröffnung des Concurses ein Fortbestehen des R-s unvereinbar sei. Vgl. Faselius, Die Lehre vom R., 2. Aufl. Halle 1793; C. W. Schenk, Die Lehre vom R., Jena 1837; Luden, Das R., Lpz. 1839; Großkopf, Zur Lehre vom R., Oldenb. 1858.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 14. Altenburg 1862, S. 63-64.
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