Thomaschristen

[534] Thomaschristen (Thomasbrüder, Soriani), nestorianische Gemeinden in den Ghats von Travancore, in den Gebirgen zwischen Karnatik u. Malabar u.a. Orten Indiens. Sie haben die Bibel in Syrischer Sprache, nehmen nur die Taufe, das Abendmahl u. die Ordination als Sacramente an, dulden keine Bilder in den Kirchen, glauben an kein Fegefeuer u. verstatten den Geistlichen zu heirathen. Sie rühmen sich von Antiochien zu stammen, wo zuerst der Name Christen gebraucht wurde. Der Apostel Thomas soll von Persien u. Palästina nach Indien vorgedrungen sein, die Gemeinde gestiftet u. in Meliapoor den Märtyrertod erlitten haben. Sie verehren seine Gebeine, welche daselbst begraben sein sollen. Sie kamen eigentlich wohl aus Persien u. Vorderasien u. verdanken vielmehr einem viel Späteren, Mar Thomas aus Syrien, welcher ihnen im 9. Jahrh. das Evangelium predigte, ihren Ursprung. Ihre Bischöfe erhielten sie sonst von den nestorianischen Patriarchen in Mosul. Im 16. Jahrh. wurden sie durch die Eroberungen der Portugiesen Unterthanen derselben. Man fand bei ihnen Vieles im Cultus u. der Verfassung, was an die erste Christliche Kirche erinnerte. Durch mancherlei Machinationen u. Bedrückungen gelang es dem Erzbischof von Goa, Alexis de Menezes, einen großen Theil zu gewinnen u. die Synode in Diampor 1599 bestätigte die Union, aber ein Theil blieb nestorianisch u. floh lieber vor den Verfolgungen in die Berge, wo sie von ihrem früheren Wohlstande sehr herabsanken. Auch ein Theil der Übergetretenen fiel 1653 wieder von der Katholischen Kirche ab. Es sollen jetzt noch 70,000 Seelen zu den Th. gehören, welche einen eigenen Staat unter britischer Hoheit mit Priestern u. Ältesten an der Spitze bilden. Ihre gottesdienstlichen Versammlungen haben Ähnlichkeit mit denen der Protestantischen Kirche. Ihre Liturgie gleicht der der ersten Christengemeinden in Alexandrien. Jede Pfarrei regiert sich durch vier jährlich erwählte Älteste, welche die Zwistigkeiten entscheiden, u. schlägt die Aussprüche dieser an der Kirchthüre an. Der Bischof kann ohne Genehmigung der Gemeinde weder ordiniren, noch suspendiren, od. vom Banne absolviren. Letzter wird schon auf leichte Widersetzlichkeiten erkannt u. erst gelöst, wenn förmliche Kirchenbuße gethan u. das sogenannte Bußopfer, eine Geldstrafe nach Verhältniß des Vermögens des Beklagten, gebracht worden ist. Auch Liebesmahle (Agapen) halten die Th. Arme Mädchen werden aus dem Gotteskasten od. von der Gemeinde ausgesteuert. Alle Th. gehören zur Caste der Nairen, der zweiten Adelsklasse auf Malabar; sie dürfen auf Elephanten reiten, treiben kein Handwerk, sondern nur Ackerbau u. Handel, u. halten sich streng von den niederen Casten entfernt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 534.
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