Vase

[371] Vase (v. lat. Vas), 1) Gefäß überhaupt für Flüssigkeiten; 2) Gefäß, welches bald ohne, bald mit Fuß vom Boden aufwärts sich erweitert u. dann bald plötzlich, bald allmälig wieder mehr od. weniger verengt u. zuweilen mit Hals, Mündung u. Henkeln versehen ist. Von Stein od. Metall, ausgezeichnet durch gefällige Form u. mancherlei Schmuck, dienen sie jetzt als Verzierung auf Dächern, Altanen, Ofen, Thor- u. Geländerpfeilern, werden auch wohl auf Postamenten in Gärten aufgestellt. Insbesondere 3) die bald lufttrockenen, bald gebrannten thönernen Gefäße, welche früher selten, jetzt zahlreich bei den Ausgrabungen griechischer u. römischer Grabstätten in Mittel- u. Unteritalien, in Griechenland u. auf den nahen Inseln gefunden werden. Die schönsten V-n sind gefunden worden in Apulien u. Lucanien, namentlich bei den Orten Ruvo, Bari, Ceglie, Anzi, Armento, Canosa, Locri; nicht minder ergiebig sind die campanischen Fundorte Nola, Cumä, Pästum, San-Agata de Goti, Avella u. Capua; in Etrurien zeichnet sich vor Tarquinii, Cäre u. Orten des Küstenlandes namentlich Volci durch die Menge u. vorzügliche Arbeit der dort gefundenen V-n aus. Ebenso verspricht noch der Boden Griechenlands u. der asiatischen Kolonien eine reiche Ausbeute. Gesunden werden diese V-n in Grabstätten entweder um den Todten herumstehend, od. mit broncenen Nägeln an den Wänden aufgehängt. Selten dienten sie als Aschenkrüge, vielmehr erhielt der Todte sie von seinem Besitzthum od. als Geschenk mit ins Grab, um sie in der Unterwelt bei den Gastmahlen zu benutzen. Nach Andern sollten sie die Beglaubigung der mystischen Bacchusweihen vorstellen, da die V-n gerade an den Orten am häufigsten vorkommen, wo der Bacchuscult am verbreiterten war, eine Ansicht, welche auch dadurch unterstützt wird, daß aus der Zeit der Römerherrschaft in Mittelitalien keine V-n gefunden werden, was man mit dem Verbot der Bacchusfeste durch das S.C. de Bacchanal vom Jahre 185 v. Chr. in Verbindung bringt. So viel scheint gewiß zu sein, daß beiweiten die wenigsten V-n zu dem Zwecke gefertigt wurden, um den Todten mit ins Grab gegeben zu werden (Vasa funeraria), vielmehr hatten die V-n theils rein kosmetischen Zweck als Votivgefäße in Tempeln u. Hauskapellen, theils dienten sie zu Kampfpreisen, Hochzeitsgeschenken, als Stimmurnen in den Volksversammlungen, als Salburnen in Bädern, zum Mischen u. Ausgießen des Weins etc. Besonders werthvoll sind die gemalten V-n, welche außer den wenigen erhaltenen Wandgemälden, allein noch Zeugen sind von der Technik u. Kunst der Malerei der Alten, diese V-n sind von feinem Thon, welcher nach dem Brennen eine röthlichgelbe Farbe erhielt. Dabei wurde die Zeichnung mit seinem Griffel eingeritzt u. die Farben darauf angebracht. Nach dieser Malerei unterscheidet man vier Perioden: a) die des ägyptisirenden od. phönikisch-babylonischen Styls enthält die V-n, welche bei noch roherer Form sich durch gelblichen, wenig glänzenden Grund kennzeichnen, auf welchem schwärzliche od. braune Figuren, namentlich Thiere in Reihen od. Zonen über einander dargestellt sind; b) der zweiten Periode gehören die V-n des altattischen Styls an mit schwarzen Figuren auf dem glänzenden gelblichen od. röthlichen Naturgrunde des Thons; dargestellt sind hier meist menschliche Figuren, mythologische agonistische Scenen, u. zwar in archaischer Steifheit; bei Männern ist das Nackte, wie die ganze Figur, gewöhnlich schwarz gemalt, bei Frauen weiß, an den Kleidern sind außerdem weiße ob. farbige, meist rothe Streifen od. Bänder angebracht; c) der dritten Periode, der des Schönen Styls, welche das 5. u. den Anfang des 4. Jahrh. v. Chr. umfaßt, gehören die V-n an, welche bei anmuthiger, gefälliger Form auf dunklem, mit zartem Firniß überdecktem Grunde scheinbar flüchtig, aber mit größter Sicherheit ausgeführte Figuren u. Gruppen leichter reiner Komposition zeigen. Nachdem nämlich die Zeichnung angebracht war, wurde das Übrige als Grund mit dunkelvioletter od. schwärzlicher Schmelzfarbe überstrichen, sodaß die Figuren die natürliche Farbe des Thons behielten. Gewöhnlich trägt jede V. zwei Gemälde, zwischen denen die verzierten Henkel vom untern Theile nach dem, Halse aufsteigen. An den untern u. obern Theilen der V. sind außerdem gewöhnlich Blätterverzierungen angebracht; d) die[371] V-n der vierten Periode, der des sinkenden Styls, zeichnen sich durch weniger schöne Form u. eine gewisse fabrikmäßige Flüchtigkeit der Zeichnung aus. Die Objecte der Vasengemälde, mythologische, agonistische, kriegerische u. häusliche Scenen, sind für die Alterthumswissenschaft von großer Wichtigkeit, theilweis sind es wohl selbst Nachbildungen berühmter Kunstwerke. In neuerer Zeit werden besonders in unteritalischen Städten, doch auch in Berlin antike V-n ziemlich täuschend nachgemacht. Die reichste Vasensammlung ist im königlichen Museum zu Neapel, bes. seitdem König Ferdinand I. im Jahr 1818 die Sammlung des Vivenzio zu Pola kaufte; umfangreich u. werthvoll sind auch die im Vatican zu Rom, zu London, Paris, Berlin, Wien, bes. durch die Schenkung des Grafen Lambert, u. in Petersburg. Abbildungen gibt es von Millingen, Millin, Laborde, Bötticher, du Rossi, Gerhard, Panofka u. die des Instituto di corrispondenza archeologica; Hamilton, Collections of engravings from ancient vases, Neap. 1766, Fol., herausgeg. von Tischbein, ebd. 1791, 4 Bde., Fol., deutsch von Böttiger Griechische Vasengemälde, Weim. 1797–1800, 3 Hfte.; Dubois de Maisonneuve, Introduction, a l'étude des vases antiques, Par. 1817; Haus, Dei vasi greci, Palermo 1823; Storia degli antichi vasi sittili, Arezzo 1841; Gerhard, Berlins antike Bildwerke, Berl. 1836 (mit Einleitung in die gesammte Vasenkunde); Derselbe, Auserlesene griechische Vasenbilder hauptsächlicher etruskischer Fundorte, 30 Hfte., ebd. 1839–44; J. L. Ussing, De nominibus vasorum graec., Lpz. 1844; Jahn, Die Vasensamml. des Königs Ludwig von Baiern, Münch. 1854.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 371-372.
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