Italienische Eisenbahnen

[281] Italienische Eisenbahnen (s. Karte, Taf. VIII).


Inhalt: I. Geschichtliches. II. Geographische Gliederung des Eisenbahnnetzes. III. Technischer Charakter. IV. Verwaltung und Staatsaufsicht. V. Personalverhältnisse. VI. Statistik. VII. Literatur.


I. Geschichtliches.


A. Anfänge und Entwicklung bis zur Einigung Italiens (1861).

Italien ist infolge seiner politischen Zerstücklung erst spät dazu gekommen, sein Eisenbahnnetz auszubauen. Was während des Bestandes einer Anzahl unabhängiger Staaten in Italien an Eisenbahnen gebaut wurde, waren meist unzusammenhängende Linien von lokaler Bedeutung. Eine Ausnahme bildeten die beiden Hauptlinien, von denen die eine die Lombardei und Venetien verband und vorwiegend aus militärischen Rücksichten gebaut war, die andere von Piacenza über Bologna-Pistoja nach Florenz führte (vollendet 1864).

a) Neapel, Sizilien. Die erste Eisenbahn Italiens entstand mit Hilfe französischen Kapitals. Durch kgl. Erlaß vom 19. Juni 1836 wurde dem Ingenieur Armand Bayard die Konzession für den Bau einer Eisenbahn von Neapel nach Nocera mit Abzweigungen nach Salerno, Avellino und anderen Städten erteilt. Die am 4. Oktober 1839 eröffnete 8 km lange Teilstrecke Neapel-Portici der Linie Neapel-Salerno war der erste in Betrieb genommene Schienenweg auf dem Gebiet des jetzigen Königreichs Italien.

Demnächst ließ die bourbonische Regierung auf Kosten des Staats die Bahn Neapel-Cancello-Caserta und deren Verlängerung bis Capua bauen; erstere wurde 1843, letztere 1844 für den Betrieb eröffnet. Für die Fortsetzung dieser Linie zu den Grenzen des Kirchenstaats fand sich kein Unternehmer, deshalb nahm der Staat 1856 die Arbeiten selbst auf. Durch Verfügung vom 20. Januar 1845 wurde auf Kosten des Staats noch die Linie Cancello-Nola (eröffnet 1846) und 1853 die Fortsetzung Nola-S. Severino genehmigt, die 1861 vollendet wurde.

Der Eisenbahnbau durch den Staat erschien jedoch vielen als eine bedenkliche Belastung des Staatschatzes, weshalb man sich wieder an den Unternehmungsgeist von Privaten wandte. Durch kgl. Dekrete wurden 1855 die Linien Neapel-Brindisi (über Avellino-Foggia-Barletta-Bari) und Salerno-S. Severino und Neapel-Tronto durch die Abruzzen nebst der Zweigbahn Ceprano-Popoli konzessioniert. 1860 erfolgte die Konzession der Linie Tronto-Tarent und zweier Linien über den Apennin, welch letztere Konzessionen jedoch bei dem Sturz der bourbonischen Regierung unausgeführt blieben.

b) Kirchenstaat (Lazien, Umbrien, Marche, Romagna). Zu Beginn des Jahres 1861 be standen hier nur folgende Linien:

1. Rom-Ciampino und Ciampino-Frascati (beide 1857 eröffnet), von der Gesellschaft Pio-Latina gebaut.

2. Rom-Civitavecchia (eröffnet 1859), von der Gesellschaft Pio-Centrale gebaut.

3. Bologna zur Grenze Modenas 1859, als Teilstrecke der Linie Bologna-Piacenza der Gesellschaft der lombardisch-venetianischen und mittelitalienischen Eisenbahnen konzessioniert, wurde erst eröffnet, als die Romagna nicht mehr zum Kirchenstaate gehörte.

1860 vereinigten sich die beiden Gesellschaften Pio-Latina und Pio-Centrale unter dem Namen Società Generale delle Strade Ferrate Romane und übernahmen auch den Betrieb auf den Linien Rom-Capua und Cancello-Sarno.[281]

c) Großherzogtum Toskana. Dieses besaß zu Beginn des Jahres 1861 ein verhältnismäßig entwickeltes Eisenbahnnetz, das der Hauptsache nach aus nachstehenden drei Linien bestand:

1. Florenz-Empoli-Pisa-Livorno.

2. Pisa-Lucca-Pistoja-Florenz.

3. Empoli-Siena-Torrita (nach Chiusi).

Zu 1. Die Konzession und der Bau wurde an die Gesellschaft der Leopoldinischen Eisenbahnen vergeben. 1844 wurde als erste Eisenbahn in Toskana die Teilstrecke Livorno-Pisa eröffnet; es folgten dann die Strecken Pisa-Pontedera (1845), Pontedera-Empoli (1847) und Empoli-Florenz (1848).

Zu 2. Die Konzession wurde für die Teilstrecke Pisa-Lucca an die A. G. der Eisenbahn Pisa-Lucca (1844), für die Reststrecke Lucca-Pistoja-Florenz der Gesellschaft Maria Antonia vergeben (1846). Eröffnet wurde die Strecke Pisa-Lucca Ende 1846; die weitere Fortsetzung bis Florenz in der Zeit von 1848 bis 1859.

Zu 3. Wurde der Eisenbahngesellschaft »Centrale Toscana« konzessioniert. Die Eröffnung erfolgte 1848 bis 1860 bis Torrita.

Zu Beginn des Jahres 1860 vereinigten sich die Leopoldinische, die Pisa-Lucca und die Maria Antonia unter dem Namen »Livornesische Eisenbahngesellschaft«. 1860 wurde der Gesellschaft »Società delle Ferrovie Maremmane« die Konzession für eine Linie von Livorno zum Chiarone (Grenze des Kirchenstaats) verliehen, die Anschluß an die Linie Civitavecchia-Rom erhalten sollte.

d) Lombardei und Venetien. Die erste Bahn der Lombardei und Venetiens, damals österreichisch, war die Linie von Mailand nach Monza, deren Konzessionierung an eine Privatgesellschaft 1838 erfolgte. Der Betrieb wurde 1840 eröffnet. 1837 wurde die lombardisch-venetianische Ferdinands-Eisenbahngesellschaft zum Bau einer Eisenbahn von Mailand nach Venedig mit einem Stammkapital von 50 Mill. Lire gegründet und erhielt 1840 die Konzession. In demselben Jahre wurden die Arbeiten zwischen Padua und Venedig bei der großen Lagunenbrücke begonnen. Infolge mangelnden Vertrauens und des Hereinbrechens der Finanzkrise war das Unternehmen dem Zusammenbruche nahe; um das Mißtrauen zu beseitigen, erklärte sich die Regierung 1842 bereit, falls die Mittel der Gesellschaft erschöpft sein sollten, den Bau auf eigene Kosten weiterzuführen und die Bahn zwei Jahre nach der Vollendung gegen Umtausch der Aktien in 4%ige Staatsschuldverschreibungen anzukaufen. Die Gesellschaft schritt nunmehr zur Ausführung des Baues. Am 13. Dezember 1842 wurde die Strecke Padua-Fort Malghera an den Lagunen, am 1. November 1843 die kurze Strecke Fort Malghera bis zur Lagunenbrücke eröffnet. Bevor diese vollendet war, sah sich die Gesellschaft genötigt, infolge neuer finanzieller Schwierigkeiten mit der Regierung wegen Ausbaues und Betriebsübernahme für Rechnung der Gesellschaft in Verhandlung zu treten und anfangs 1846 wurde eine Verständigung darüber erzielt. Anfangs 1846 wurde auch die Lagunenbrücke fertiggestellt und in demselben Jahre der Verkehr auf der ganzen Strecke Padua-Vicenza-Venedig sowie auf der Linie Mailand-Treviglio eröffnet. 1849 wurde die Strecke Vicenza-Verona-Porta Vescovo, 1851 die Strecke Verona-S. Antonio Mantovano und Mestre-Treviso vollendet, womit die Bauführung des Staats auf Kosten der Gesellschaft endete.

Als die finanziellen Verlegenheiten der Gesellschaft anhielten, kaufte der Staat 1852 die beiden Linien Venedig-Verona und Treviglio-Mailand. Schon 1851 hatte der Staat die Linien Mailand-Monza-Camerlata erworben, deren Schlußstrecke Monza-Camerlata 1849 eröffnet worden war. In der Folge erbaute der Staat nachstehende Linien und nahm sie in Betrieb: 1852 Verona-Porta Vescovo, Verona-Porta Nuova, 1854 Verona Porta Nuova-Coccaglio, 1855 Treviso-Pordenone, Pordenone-Casarta.

1856 trat der österreichisiche Staat sämtliche Linien der Lombardei und Venetiens der lombardisch-venetianischen Eisenbahngesellschaft gegen Zahlung von 100 Mill. Lire ab. Die Gesellschaft verpflichtete sich, die noch nicht ausgebauten Strecken innerhalb bestimmter Fristen dem öffentlichen Verkehr zu übergeben. Der Staat sicherte eine 5%ige Zinsgarantie nebst 1/5% als Tilgungsquote zu.

1856 wurde den Konzessionären der lombardisch-venetianischen Eisenbahngesellschaft auf Grund eines zwischen den beteiligten Mächten abgeschlossenen Staatsvertrags das Recht zum Bau und Betrieb von Bahnen in Mittelitalien erteilt; sie sollten eine Linie von Piacenza über Parma, Reggio, Modena und Bologna durch das Renotal zur Verbindung mit den toskanischen Bahnen bauen, mit einer Abzweigung von Reggio über Guastalla und Suzzara zur Verbindung mit den lombardisch-venetianischen Bahnen mit Überschreitung des Po bei Borgoforte. In diesen Konzessionen wurden Zinsgarantien sowie Vergünstigungen bei den Abgaben und Steuern bewilligt, aber der Gesellschaft die Verpflichtung auferlegt, die ganze Bahn in der Ebene bis zum Fuß des Apennin zweigleisig herzustellen.

Die Konzession für die lombardisch-venetianische Bahn und für die zentral-italienischen[282] Bahnen wurde von den Konzessionären einer Aktiengesellschaft überlassen, die den Namen »Società delle Strade Ferrate del Lombardo-Veneto e dell' Italia Centrale« annahm.

Die Gesellschaft schloß 1857 mit der österreichischen Regierung ein Übereinkommen ab, wonach ihr der Bau der Strecke Bergamo-Monza erlassen wurde und sie sich dagegen verpflichtete, eine Verbindungslinie von Bergamo zur Linie Treviglio-Mailand sowie eine Flügelbahn von Treviglio über Crema nach Cremona und auf Verlangen der Regierung Treviglio-Coccaglio zu bauen. Sodann erwarb die Gesellschaft auch die toskanische Maria Antonia-Bahn (Pistoja-Florenz).

Im Jahre 1857 vollendete die Gesellschaft die Verbindung Mailand-Venedig sowie die Teilstrecken Coccaglio-Bergamo und Bergamo-Treviglio. Im folgenden Jahre wurde die Strecke Mailand-Magenta fertiggestellt.

Die österreichische Regierung verlieh im September 1858 die Konzession für eine Anzahl von Linien (damals alle der österreichischen Südbahn gehörend), darunter von Kufstein nach Verona und von Wien nach Triest, die sich in Verona und in Nabresina (Triest) an die Linien der lombardisch-venetianischen und zentral-italienischen Eisenbahngesellschaft anschließen sollten. Sodann ermächtigte die Regierung die Konzessionsbewerber, sich mit der letztgenannten zu einer Gesellschaft zu vereinigen und gewährte ihr für den Fall der Fusion auch die Konzession für die Linie Padua-Rovigo.

Am 18. November 1858 wurde der Fusionierungsvertrag unterzeichnet und die neugegründete Gesellschaft nahm den Namen an: »I. R. priv. Società delle Ferrovie Meridionali dello Stato, del Lombardo-Veneto e dell'Italia Centrale«. 1859 wurden die Strecken Verona-Porta Nuova-Peri und Magento-Ticino dem Betrieb übergeben.

Infolge des Krieges vom Jahre 1859 fiel die Lombardei an Sardinien. In dem Züricher Frieden (1. Dezember 1859) übernahm das Königreich Sardinien von Österreich alle Rechte und Pflichten in bezug auf die in der Lombardei bestehenden und nach den erteilten Konzessionen noch zu bauenden Bahnen mit der Maßgabe, daß an Stelle der Linie Reggio-Borgoforte die von Bologna über Ferrara nach Pontelagoscuro gebaut werden sollte. Die Verträge zwischen dem Staate Sardinien und der Eisenbahngesellschaft wurden am 25. Juni 1860 endgültig abgeschlossen.

In den Jahren 1859 und 1860 wurden von ihr die folgenden Linien eröffnet: Piacenza-Bologna (Juli 1859), Casarsa-Udine (Juli 1860), Udine-Cormons (Oktober 1860), Rho-Gallarate (Dezember 1860).

e) Sardinien. Bereits 1840 und 1844 wurde die Bewilligung zu Vorarbeiten für die Bahn von Turin nach Genua erteilt. 1845 wurde angeordnet, daß eine Bahn Turin-Alessandria-Genua mit Zweiglinien nach der Lomellina und dem Lago Maggiore durch den Staat zu erbauen sei. Die erste Teilstrecke Turin-Moncalieri wurde im Jahre 1848, die ganze Linie im Jahre 1853 eröffnet. In den Jahren 1854/55 wurde die Linie Alessandria-Arona fertiggestellt. Aus Anlaß des Baues dieser Linie ist mit den interessierten Schweizer Kantonen ein Übereinkommen über die Anlage einer Eisenbahn von Locarno nach Rorschach über den Lukmanierpaß getroffen worden. Es war dies das erste Projekt eines Schienenwegs über die Schweizer Alpen.

Mit dem im Jahre 1850 erfolgten Eintritt Cavours in das Ministerium wurde der früher befolgte Grundsatz des staatlichen Eisenbahnbaues verlassen und für den Bau weiterer Eisenbahnen Konzessionen an Privatgesellschaften auf die Dauer von 80–90 Jahren überlassen. Der Staat übernahm entweder die Hälfte der Aktien allein oder im Verein mit den interessierten Provinzen und Gemeinden oder er verbürgte eine meist 41/2%ige Verzinsung des Kapitals.

Die erste Konzession wurde durch Ges. vom 9. Juli 1850 für die Linie Trofarello-Savigliano-Cuneo (5. Mai 1852) gegeben.

Eine der wichtigsten der Konzessionen war die für eine Eisenbahn von Susa durch den Mont Cenis nach Modane und Genf (1853).

Zu Beginn des Jahres 1861 standen die Eisenbahnen des sardinischen Staates im Betrieb zweier Verwaltungen, u.zw.:

1. Der Staat betrieb die nachstehenden Linien, die zum größten Teil auch ihm gehörten;

Turin-Genua; Turin-Cuneo mit Abzweigung Savigliano-Saluzzo; Turin-Pinerolo; Cavallermaggiore-Bra; Alessandria-Acqui; Alessandria-Piacenza mit Abzweigung nach Tortona-Novi; Alessandria-Arona; Mortara-Vigevano.

2. Die Gesellschaft Vittorio Emanuele hatte in Betrieb die Linien:

Turin-Susa; Turin-Novara-Magenta; Chivasso-Ivrea; Santhià-Biella; Valenza-Vircelli.

f) Sonstige kleinere Staaten. In Parma, Piacenza und Modena wurden erst, nachdem sie ihre Selbständigkeit verloren hatten, Eisenbahnen eröffnet. So wurde der Betrieb auf der Linie Piacenza-Bologna im Jahre 1859 eröffnet. Kaum einen Monat später verkündete die Volksversammlung die Vereinigung der beiden kleinen Staaten mit dem Königreich Sardinien.[283]

Die Strecke von Piacenza zur Linie Alessandria-Stradella wurde erst im Jahre 1860 vollendet.

Im ganzen bestanden in Italien am 1. Februar 1861 1859 km Eisenbahnen, denen noch 421 km in Venetien, damals österreichisch, zuzuzählen sind.

B. Entwicklung des Eisenbahnwesens im vereinigten Königreich. Rückkauf der Eisenbahnen durch den Staat (Ges. vom Jahre 1879), weitere Entwicklung bis zum Abschluß der Betriebsüberlassungsverträge.

Die erste Sorge der neuen Regierung mußte sein, einige Einheitlichkeit und einigen Zusammenhang in den Betrieb der bestehenden Netze zu bringen und den Ausbau eines dem gesamtstaatlichen Interesse dienenden Netzes zu betreiben.

Ihre Absichten sind in einem Berichte des Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 26. Dezember 1861 zusammengefaßt.

Aus politischen Gründen wurden mit den verschiedenen Gesellschaften Konzessionsverträge abgeschlossen, die vor allem auf raschen Bau abzielten und es den Gesellschaften ermöglichten, gestützt, auf staatliche Garantie, die erforderlichen Summen aufzubringen.

In Neapel übertrug Garibaldi einer Unternehmergesellschaft den Bau von vier großen Eisenbahnlinien, die Neapel mit den römischen Bahnen, mit dem adriatischen sowie dem tyrrhenischen Meer und mit der Südspitze Italiens verbinden sollten. Zwei hierüber abgeschlossene Verträge verfielen. So mußten diese Bahnbauten wieder vom Staate selbst übernommen werden. Dieser verpflichtete sich zugleich zur Unterstützung der Gesellschaft der römischen Eisenbahnen, die mit der schleunigen Ausführung früher konzessionierter und weiterer neuer Linien, insbesondere der Linie Neapel-Capua-Caprano, beauftragt wurde.

Durch Ges. vom 21. August 1862 wurden die neapolitanischen Eisenbahnen einer neu zu gründenden Gesellschaft übertragen, die sich unter dem Namen »Gesellschaft der italienischen Südbahnen« (»Società delle Strade Ferrate Meridionale«) am 16. September 1861 mit einem Kapital von 100 Mill. Lire gebildet hatte und in der Folge große Bedeutung erlangte. Die Gesellschaft verpflichtete sich, außer den Linien Ancona-Otranto mit Zweigbahn Bari-Tarent, Foggia-Neapel (über Eboli und Salerno) und Ceprano-Pescara mit Abzweigung nach Castellamare den Bau der Linien Pavia-Brescia und Voghera-Pavia zur Herstellung einer direkten Verbindung zwischen Genua und Mailand zu übernehmen. Der Staat bewilligte den Südlinien die Bürgschaft für einen kilometrischen Rohertrag von 29.000 Lire und den beiden letztgenannten Linien für einen Ertrag von 20.000 Lire und verpflichtete sich ferner zu einem Beitrag von 20 Mill. Lire, der zur Hälfte durch Leistung materieller Arbeit, zur Hälfte durch Überlassung von Grund und Boden gewährt wurde.

Mit der Viktor Emanuel-Eisenbahngesellschaft, die nach der Abtretung Savoyens an Frankreich auf italienischem Boden nur noch die Linie Susa-Novara-Ticino besaß und betrieb, wurde 1863 ein Übereinkommen getroffen, wonach der Staat diese Linie übernahm und der Gesellschaft die Konzession zum Bau der kalabrisch-sizilischen Eisenbahnen erteilte. Für diese Bahnen wurde eine Unterstützung von jährlich 14.000 Lire für das Kilometer gewährt, die nach und nach vermindert werden sollte, sobald der kilometrische Rohertrag 12.000 Lire überschreiten würde; der Überschuß über diese Summe sollte zur Hälfte zur Verminderung der Unterstützung dienen und zur Hälfte der Gesellschaft zufallen. Weiter verpflichtete sich der Staat zu einem Beitrag von 9 Mill. Lire zu den Baukosten der kalabrisch-sizilischen Bahnen.

Für den Bau und Betrieb von Eisenbahnen auf der Insel Sardinien wurde einer »Gesellschaft der sardinischen Eisenbahnen« im Jahre 1863 die Konzession verliehen (insbesonders für die Bahn von Cagliari nach Terranova mit der Fortsetzung bis zum Golfo Aranci).

Am Schluß des Jahres 1864 waren in Italien 3396 km Eisenbahnen im Betrieb. Davon waren 566 km Eigentum des Staats; in die übrigen Linien teilten sich neben den vorerwähnten großen Gesellschaften noch vierzehn kleinere, deren Netze Bahnen von 13–116 km Länge umfaßten. Weitere 3300 km Eisenbahnen waren im Bau oder konzessioniert.

1864 vereinigten sich vier große Eisenbahngesellschaften, die fast alle Linien Mittelitaliens umfaßten, unter eine gemeinsame Verwaltung, die den Namen »Società delle Strade Ferrate Romane« annahm.

Durch Ges. vom 14. Mai 1865 wurde der Verkauf aller dem Staat gehörigen Eisenbahnen angeordnet und eine größere Einheitlichkeit im Eisenbahnwesen dadurch herbeigeführt, daß die kleinen Gesellschaften beseitigt und sämtliche Eisenbahnen in den Händen von vier großen Gesellschaften vereinigt wurden. Hiernach trat die Gesellschaft der lombardisch-venetianischen und zentral-italienischen Eisenbahnen in den Besitz aller innerhalb ihres Gebiets liegenden Linien, die Eigentum des Staats waren oder von[284] ihm betrieben wurden; sie erhielt ferner den Betrieb mehrerer kleiner Privatbahnen. Die genannte Gesellschaft, die von da ab den Namen »Gesellschaft der oberitalienischen Eisenbahnen« (Alta Italia) annahm, hatte an den Staat für die gesamten ihm gehörenden Linien in Oberitalien einen Betrag von 200 Mill. Lire zu bezahlen und den Betrieb der übernommenen Privatbahnen gegen 50% des Rohertrags zu führen. Dagegen verbürgte der Staat für die piemontesischen Linien einen Gesamtrohertrag von jährlich 28 Mill. Lire. Das Netz der oberitalienischen Eisenbahnen umfaßte damals etwa 1500 km.

Die Gesellschaft der römischen Eisenbahnen übernahm die livornesischen und die zentraltoskanischen, sowie die durch die Maremmen führenden Bahnlinien, trat dagegen die Linien Bologna-Ancona mit Abzweigung nach Ravenna an die Südbahngesellschaft ab. Der Staat gewährte der Gesellschaft der römischen Eisenbahnen für alle ihr konzessionierten Linien eine jährliche Unterstützung. Das Netz der in Betrieb befindlichen römischen Eisenbahnen umfaßte darnach 1100 km.

Der neue Vertrag mit der Gesellschaft der italienischen Südbahnen sicherte dieser die Konzession für die große Verkehrsader Bologna-Ancona-Foggia-Brindisi-Otranto, mit allen Abzweigungen, ausgenommen die von Ancona und Rom. Das Netz der italienischen Südbahnen hatte eine Ausdehnung von etwa 800 km.

Die vierte der neugebildeten großen Eisenbahngesellschaften war die der kalabrisch-sizilischen Bahnen.

Im Zusammenhange mit dem in Rede stehenden Gesetze wurde durch kgl. Dekret vom 14. Mai 1865 ein Generalkommissariat (Commissariato generale) zur Kontrolle und Überwachung der Eisenbahnen geschaffen.

Ein weiteres bedeutsames Gesetz ist das vom 20. Mai 1865 über die öffentlichen Arbeiten, das im Abschnitt V den Bau und Betrieb der Eisenbahnen regelte.

Die Hoffnungen, die auf diese Neuordnung der Eisenbahnverhältnisse gesetzt wurden, verwirklichten sich nicht, hauptsächlich infolge der weiteren politischen Ereignisse sowie der schwierigen finanziellen und wirtschaftlichen Lage des gesamten Landes. Um den Bankrott der Gesellschaften zu verhüten und den Eisenbahnbau nicht ins Stocken geraten zu lassen und dadurch die allgemeine Notlage noch zu vergrößern, sah sich die Regierung genötigt, starke Vorschüsse zu gewähren, wodurch dem Land bei dem damaligen niedrigen Stand der Rente (bis zu 36 herab) schwere Opfer auferlegt wurden. Da auch hierdurch eine dauernde Besserung nicht herbeigeführt werden konnte, die Zustände im Eisenbahnwesen vielmehr immer schwieriger und schließlich unhaltbar wurden, schritt die Regierung zum Rückkauf der am meisten bedrängten Eisenbahnen.

Zunächst erfolgte der Rückkauf des kalabrisch-sizilischen Eisenbahnnetzes. Die Viktor Emanuel-Eisenbahngesellschaft trat 1868 ihre konzessionsmäßigen Rechte an den Staat ab. Dieser Rückkauf kostete dem Staat einschließlich der bereits gewährten Vorschüsse und Unterstützungen mehr als 119 Mill. Lire.

In wenig günstiger Lage befand sich auch die Gesellschaft der sardinischen Eisenbahn, weshalb der Staat auf Grund des Gesetzes vom August 1868 ihre Verpflichtung über den Bau neuer Eisenbahnlinien wesentlich einschränkte und ihr staatliche Ländereien zur Verfügung stellte. Die Regierung gewährte ferner einen Beitrag zu den Baukosten der Linie Savona-Turin und gestattete, da die Gesellschaft außer stande war, die Linie zu vollenden, die Übertragung der Konzession an eine andere Unternehmung. Auf Grund eines zwischen der Regierung und der Gesellschaft der römischen Eisenbahnen geschlossenen Übereinkommens, das durch das Ges. vom August 1870 genehmigt wurde, überließ die Gesellschaft dem Staate die Linie Massa-Genua-Ventimiglia und verkaufte ihm die Linie Florenz-Pistoja-Massa um den Betrag von 35 Mill. Lire.

Durch Ges. vom 28. August 1870 wurde ferner der Rückkauf der Linien von Massa an die französische Grenze, von Genua nach Voltri und von Florenz nach Massa genehmigt Der Betrieb dieser Bahnen wurde, ebenso wie jener der bald nach Vereinigung Venetiens mit Italien auf Staatskosten gebauten Linie Pontelagoscuro-Rovigo, die die kürzeste Verbindung Venetiens mit Bologna und Süditalien herstellte, der Alta Italia übertragen. Diese Gesellschaft übernahm auch den Bau und Betrieb der Strecke Bussoleno-Bardonecchia gegen Gewährung eines staatlichen Bauzuschusses von 12 Mill. Lire, sowie den Betrieb des auf italienischem Gebiet liegenden Teils der Mont Cenis-Bahn. In demselben Gesetz wurden ferner Bestimmungen über den auf Staatskosten auszuführenden Bau von 630 km Eisenbahnen in Kalabrien und Sizilien, die Linien Tarent-Reggio, Eboli-Potenza, Messina-Syrakus und Palermo-Catania getroffen.

Nach der Vereinigung des Kirchenstaates mit Italien (1871) sind dessen Bahnen dem Netze der römischen Bahnen angegliedert worden.[285]

1874 ist der Provinz Perugia, nachdem die römischen Eisenbahnen auf ihr Vorrecht verzichtet hatten, die Linie Terontola-Chiusi konzessioniert worden, die die Linien Florenz-Foligno-Rom und Florenz-Empoli-Siena-Chiusi-Rom verbindet und die Strecke Florenz-Rom um 56 km kürzt. Damit ist der heute bestehende Verkehrsweg Bologna-Florenz-Rom fertiggestellt worden.

Der Gesellschaft der oberitalienischen Eisenbahnen wurde im Jahre 1873 auch die Konzession für die Bahn Udine-Pontebba mit Verbürgung eines Reinertrags erteilt. Zu gleicher Zeit übernahm sie den Betrieb auf den Linien Mantua-Modena, Monza-Calolzio, Cremona-Mantua und Legagno-Rovigo. Das Verhältnis dieser Gesellschaft gegenüber dem Staat wurde dadurch mit der Zeit ein sehr verwickeltes. Sie war bei einigen Strecken zugleich Eigentümerin und Betriebsunternehmerin, bei anderen nur letzteres. Die ihr gegenüber vom Staat übernommenen Verpflichtungen waren sehr verschiedener Art, sie bezogen sich teils auf die Verzinsung, teils auf den Roh- und teils auf den Reinertrag. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten und die Notwendigkeit, eine Trennung des italienischen und des österreichischen Netzes der Gesellschaft herbeizuführen, gaben den hauptsächlichsten Anlaß zu dem Baseler Ankaufsvertrag vom 17. November 1875, durch den die Linien der Gesellschaft der oberitalienischen Eisenbahnen ins Eigentum des Staats übergingen.

In einem im Jahre 1876 abgeschlossenen Nachtragsvertrag verpflichtete sich die Gesellschaft der Alta Italia, den Betrieb auf den ganzen erworbenen Netzen, sowie den auf den bereits zum oberitalienischen Netze gehörenden Linien des Staats für 2 Jahre, d.i. bis zum 31. Juni 1878, weiterzuführen.

In den ersten zwei Jahrzehnten seit der politischen Einigung Italiens hat hiernach das Eisenbahnwesen trotz Kriege und Finanznot eine rasche Entwicklung genommen.

Die Verbindungen des Nordens mit dem Süden kamen 1865 zwischen Florenz, Rom und Neapel, und zwei Jahre später zwischen Bologna, Ancona und Brindisi zu stande, während Verbindungslinien zwischen der Ost- und Westküste der Halbinsel 1866, von Falconara marittima nach Orte und im darauffolgenden Jahr von Foggia über Benevento nach Neapel eröffnet wurden. 1863 erhielt Kalabrien die erste Eisenbahn von Buffaloria nach Cosenza und Sizilien die von Palermo nach Empedocle, welch letzterer bald die Küstenstrecke Messina-Catania-Syrakus nachfolgte. In Oberitalien wurde eine Reihe von Verbindungslinien (Mailand-Piacenza, Verona-Bologna, Bologna-Padua u.s.w.) gebaut. Seit 1870 wurde der Eisenbahnbau namentlich im südlichen Teil der Halbinsel und auf Sizilien eifrig gefördert. 1871 erhielt die Insel Sardinien die erste Bahn von Cagliari nach Oristano; am 16. Oktober desselben Jahres erfolgte die Eröffnung der Mont Cenis-Bahn und im darauffolgenden Jahr die der Bahn von Genua nach Nizza. 1879 wurde endlich durch die Vollendung der Linie Udine-Pontebba ein weiterer Anschluß an Österreich gewonnen.

Während Ende 1860 das Netz der I. kaum 1860 km zählte, war es 1870 auf 6233 km und 1875 auf 7709 km angewachsen; Ende 1879 betrug die Länge 8340 km.

Das Ges. vom 29. Juni 1876 verpflichtete die Regierung, spätestens im Jahre 1877 einen Gesetzentwurf über Konzessionierung des Privatbetriebes auf den Staatsbahnlinien vorzulegen.

Demgemäß unterbreitete die Regierung Ende 1877 ein mit den Südbahnen und römischen Bahnen geschlossenes Übereinkommen über den Rückkauf der beiden Netze und schlug zugleich vor, die I. in zwei große Netze, das »Adriatische« und das »Mittelländische« zu teilen und sie Privaten zum Betriebe zu übergeben.

Diese Vorschläge fielen jedoch zugleich mit dem Ministerium und das nachfolgende setzte, auf Grund eines Ges. vom 8. Juli 1878 eine Untersuchungskommission ein, die zu prüfen hatte, inwieweit die bisherigen Betriebssysteme den Interessen des Staats entsprächen und welche Bedingungen für die Vergebung des Betriebs an Privatbahnen festzusetzen wären.

Die Kommission unterbreitete 1881 ihren Bericht, der die Grundlage für die 1885 abgeschlossenen Verträge bildete.

Dieser sehr umfangreiche Bericht kommt nach reiflicher Erwägung zu dem Schluß, daß für die I. der Privatbetrieb dem Staatsbetrieb vorzuziehen sei, und zwar grundsätzlich die Erteilung der vollen Konzession zu empfehlen wäre, daß jedoch mit Rücksicht auf die Schwierigkeit der Wiederveräußerung zunächst mit bloßen Betriebsüberlassungsverträgen vorzugehen wäre.

Zum weiteren Ausbau des italienischen Eisenbahnnetzes wurden durch Ges. vom 29. Juli 1879 für Ergänzungsbauten 1.260,000.000 Lire bewilligt.


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Hiervon für Verbesserungsarbeiten
an den alten Linien 169,398.817 Lire
Für Neubauten1.090,601.183 Lire
Beiträge der an den
Neubauten interessierten
Körperschaften und Privaten 119,568.084 Lire
Im ganzen für Neubauten1.210,169.267 Lire

Die Bahnen werden je nach der Wichtigkeit und der Höhe der zu leistenden Zuschüsse in vier Kategorien eingeteilt.


Italienische Eisenbahnen

Mit Ausnahme der Linien, die einem der Hauptnetze angegliedert werden sollten, waren alle »in der sparsamsten Weise« herzustellen und zu betreiben. Bei den 1530 km der Kategorie 4 sollte jedenfalls, bei den Linien der Kategorie 2 und 3 konnte die Schmalspur Anwendung finden, unter gewissen Bedingungen konnten auch die öffentlichen Straßen mitbenutzt werden (tramvie).

Von den genannten Linien konnten einzelne, ausgenommen solche der Kategorie 1, Privatunternehmern zur Bau- und Betriebsführung übertragen werden.


Für alle in Rede stehenden Linien sind für einen Zeitraum von 21 Jahren, u.zw. von 1880 bis 1900 1260 Mill. Lire bewilligt worden.

Das Gesetz schrieb die Errichtung einer Depositenkassa und einer »Kassa für die vom Staate garantierten Eisenbahnen« für die zur Ausgabe gelangenden Titel, vor um dem Staate, den Provinzen, den Gemeinden und Vereinigungen die Mittel zu verschaffen, den ihnen vom Gesetze auferlegten Verpflichtungen nachkommen zu können.

Für Sardinien wurde jedoch die Regierung beauftragt, einen Gesetzentwurf für den Bau eines Nebenbahnnetzes vorzulegen.


Innerhalb 3 Jahren sollte ein Gesetzentwurf für den Bau einer direkten Linie Rom-Neapel (der sog. »Direttissima«) eingebracht werden.

1880 wurden die ersten Konzessionen für den Bau von Nebenbahnen auf Grund des 1879er Gesetzes erteilt. Weitere Konzessionen folgten 1881/82 und in größerer Zahl 1883 auf Grund der Gesetze vom 5. Juni 1881 und 5. Juli 1882, durch die das Gesetz von 1879 mehrfach geändert wurde.

Inzwischen war der provisorische staatliche Betrieb auf den Netzen der Alta Italia und der römischen Eisenbahnen zunächst von Jahr zu Jahr, bis 1883, und dann halbjährig, bis Ende Juni 1885, verlängert worden.

C. Die Betriebsüberlassungsverträge. Übernahme der Staatsbahnen in den Staatsbetrieb. Entwicklung des Eisenbahnwesens von 1885–1905.

Auf Grund der Vorschläge der Untersuchungskommission von 1881 unterbreitete die Regierung am 18. Juni 1883 der Kammer einen Gesetzentwurf, der die Grundlagen für die zukünftigen durch Ges. zu genehmigenden Verträge enthielt. Hiernach wurden die Bahnen, die im Betrieb der großen Gesellschaften standen, in drei Netze eingeteilt; zwei davon, der Länge nach durch das Festland sich erstreckend, das dritte Netz die Linien Siziliens umfassend.

Von den beiden festländischen Netzen ist das östliche (adriatische) an die Gesellschaft der Südbahnen (Strade Ferrate Meridionali) das westliche (tyrrhenische) an eine neu gegründete Gesellschaft mit dem Namen »Società Italiana par le Strade Ferrate del Mediterraneo« verpachtet worden.

Die Bahnen Oberitaliens waren bereits im Jahre 1875 in den Besitz des Staats übergegangen. Die römischen Bahnen waren auf Grund des Ges. vom 29. Januar 1880 vom Staat gekauft worden, während die kalabrisch-sizilischen Bahnen dem Staate von Anfang an gehörten.

Wegen Rückkaufs der Linien der Südbahngesellschaft stand die Regierung seit 1874 in Verhandlung, der Ankauf scheiterte jedoch an dem Widerstand des Parlaments und auch im Ges. vom 25. April 1885 war vom Erwerb dieser Bahnen abgesehen. Die Südbahn blieb daher Eigentümerin der von ihr erbauten Linien und bezog auch fernerhin die ihr für diese zugesicherten kilometrischen Zuschüsse, während sie in bezug auf den Betrieb dem adriatischen Netz einverleibt und unter denselben Bedingungen wie dieses verwaltet wurden.

Am 1. Juli 1885 hatten im Betrieb:

a) die Mediterranea 4171 km, hiervon 4006 km auf das Hauptnetz und 165 km auf das Nebennetz entfallend;

b) die Adriatica 4379 km, hiervon 3980 km Hauptnetz und 399 km Nebennetz;

c) die Sicula 599 km Hauptlinien.


Die wichtigsten Bestimmungen der Verträge waren folgende:

Der Staat überließ die Linien samt Zubehör den Gesellschaften zur Benutzung und verkaufte das Betriebsmaterial samt Vorräten den Gesellschaften. Die Betriebsüberlassung erfolgte auf 60 Jahre mit der Maßgabe, daß nach Ablauf von 20 Jahren jeder Teil zur Kündigung berechtigt ist.

Die Betriebsgesellschaften haben alle gewöhnlichen und außergewöhnlichen Ausgaben zu tragen, mit Ausnahme der, zu deren Bestreitung die für[287] jedes der drei Netze zu bildenden Reservefonds und die Kasse zur Vermehrung des Vermögensstockes (cassa par gli aumenti patrimoniali) bestimmt sind, und erhalten als Gegenleistung hierfür einen nach Prozenten berechneten Anteil vom Rohertrag, während der Rest teils dem Reservefonds, teils dem Staate zufällt.

Den Gesellschaften wurde ferner die Verpflichtung auferlegt, auf Verlangen und Kosten der Regierung die in dem Ges. vom Juli 1879 und den Abänderungs- und Ergänzungsgesetzen vorgesehenen Linien, soweit solche im Gebiete ihrer Netze liegen, zu bauen, und die Mittel dazu, soweit sie nicht von örtlichen Interessenten aufgebracht werden, durch Ausgabe 3%iger Obligationen unter Verbürgung der Zahlung der Zinsen und der Tilgung durch die Regierung zu beschaffen. Der höchste Gesamtkostenbetrag der den Gesellschaften zu übertragenden Eisenbahnneubauten sollte jährlich betragen:


50 Mill. Lire für das Mittelmeernetz,

40 Mill. Lire für das adriatische Netz,

12 Mill. Lire für das sizilische Netz.


Auf Verlangen der Regierung haben die Gesellschaften demnächst auch den Betrieb der neuen Linien zu übernehmen, die Einnahmen jedoch, bis die Einverleibung in das Hauptnetz erfolgt ist, für die Regierung einzuziehen, die jährlich 3000 Lire für das km und außerdem die Hälfte des Rohertrags der Gesellschaft als Entschädigung für die Betriebskosten überweist.


Das Ges. vom 27. April 1885 ermächtigte weiter die Regierung, in Vermehrung der durch Ges. v. J. 1879 bestimmten 1530 km Bahnen 4. Kategorie, 1000 km Lokalbahnen mit einem Kostenaufwand von 90 Mill. Lire herzustellen.

Durch das Ges. vom 27. April 1885 wurde für das gesamte italienische Eisenbahnnetz ein einheitlicher Tarif festgesetzt und die Regierung behielt sich ein weitgehendes Aufsichtsrecht über die Betriebführung und über den Bau neuer Eisenbahnen vor.

Durch kgl. Erlaß vom 22. Oktober 1885 wurde eine dem Minister der öffentlichen Arbeiten unterstellte Behörde (Ispettorato delle strade ferrate) eingesetzt, mit einem »Generaldirektor« an der Spitze.

Zur Förderung des Eisenbahnbaues auf der Insel Sardinien wurde nach dem Ges. vom 22. März 1885 durch kgl. Verordnung vom 1. August 1886 einer die Bezeichnung »Società italiana per la strade ferrate secondarie della Sardegna« führenden Gesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb von zusammen 584 km Eisenbahnen erteilt, für die mit Ausnahme einer 7 km langen, mit 1∙435 m Spurweite gebauten Strecke (Iglesias-Monteponi) eine Spurweite von 0∙95 m angenommen wurde. Der Staat gewährt für diese Nebenbahnen vom Tag der Betriebseröffnung bis zum Ablauf der Konzession (20. Juni 1976) eine jährliche Unterstützung von 9950 Lire für das km.

Nachstehend folgen einige Angaben über die Entwicklung der drei Gesellschaften.

1. Mittelländisches Netz (Rete Mediterranea).

Das Netz der Mediterranea umfaßte:


HauptlinienNebenlinienZusammen
1. Juli 18854006 km 165 km4171 km
1. Juli 18904086 km 646 km4732 km
1. Juli 18954407 km1085 km5492 km
1. Juli 19004737 km1022 km5759 km
30. Juni 19054760 km1065 km5825 km

Die Einnahmen und Betriebsausgaben stellten sich für die Zeit von 1885–1905 wie folgt:


Italienische Eisenbahnen

Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich, waren die finanziellen Ergebnisse im allgemeinen wenig günstig.


2. Adriatisches Netz (Rete Adriatica).

Länge der im Betrieb stehenden Linien:


HauptlinienNebenlinienZusammen
1. Juli 1885 3980 km 399 km 4379 km
31. Dez. 1890 4054 km1144 km 5198 km
31. Dez. 1895 4212 km1373 km 5585 km
31. Dez. 1900 4307 km1493 km 5800 km
30. Juni 1905 4385 km1435 km 5820 km

Nachstehend folgen einige Angaben über die Einnahmen und Ausgaben:


Italienische Eisenbahnen

[288] 3. Sizilisches Netz (Rete Sicula).

Dieses umfaßte:


JahrHauptlinienNebenlinienZusammen
1. Juli 1885 599 599 km
1. Juli 1890 609 111 720 km
1. Juli 1895 616 484 1100 km
1. Juli 1900 616 484 1100 km
30. Juni 1905 616 484 1100 km

Betriebseinnahmen und Ausgaben.


Einnahmen:


Jahr Hauptlinien Nebenlinien Zusammen
Lire Lire Lire
1885/86 7,459.600 33.700 7,493.300
1890/91 7,757.800 732.400 8,490.200
1895/96 7,793.7002,223.70010,017.400
1900/01 9,460.7002,754.40012,215.100
1904/0510,385.3003,650.70014,036.000

Ausgaben:


1885/86 6,270.300 Lire
1890/91 6,850.500 Lire
1895/96 9,391.400 Lire
1900/0110,797.600 Lire
1904/0513,152.200 Lire

Als Anteil an den Einnahmen erhielt die Gesellschaft:


1885/86 6,161.000 Lire
1890/91 7,314.200 Lire
1895/9610,064.400 Lire
1900/0111,672.100 Lire
1904/0512,891.400 Lire

Die Durchführung der neuen Verträge war mit großen finanziellen Schwierigkeiten verbunden. Im November 1886 stellte die Regierung eine Berechnung auf, nach der alle Bahnbauten 2226 Mill. Lire, also 1000 Mill. Lire mehr, als das Ges. 1879 annahm, erforderten.

Anfangs 1888 legte die Regierung einen neuen Gesetzentwurf vor, der den ganzen Eisenbahnbauplan regelte, mit Ausnahme der im Art. 20 des Ges. vom 27. April 1885 in Aussicht genommenen ferneren 1000 km Nebenbahnen. Das am 20. Juli 1888 veröffentlichte Ges. ging darauf hinaus, die dem Land seit 1879 versprochenen Linien binnen der bestimmten Frist wirklich auszubauen und die Beschaffung der hierzu nötigen Gelder der Privatunternehmung zu überlassen.

Nach dem Stand von Ende 1888 waren


vollendet1922 km
im Bau1532 km
nicht angefangen3066 km
zusammen 6520 km

Von diesen 3066 km sollten vom Staat selbst 1471 km mit 890 Mill. Lire, durch Privatvergebung 505 km mit 303 Mill. Lire ausgeführt und durch Verträge mit den Betriebsgesellschaften 1090 km mit 417 Mill. Lire sichergestellt werden.

Über die sog. Direttissima Rom-Neapel bestimmte das Ges. vom 20. Juli 1888, daß vorläufig von Rom nach Segni eine neue doppelgleisige Bahn in drei Jahren gebaut werden soll (diese Strecke wurde 1892 vollendet), durch Vertrag vom 29. September 1888 übernahm die Mittelmeerbahn den Bau dieser Linie gegen einen Betrag von 221/2 Mill. Lire.

Durch Ges. vom 4. Dezember 1902 wurde an Privatunternehmungen der Bau und Betrieb einer Reihe von Linien vergeben. Bei Schmalspurbahnen wurden die Provinzen von der Verpflichtung befreit, die ihnen mit Ges. vom 29. Juli 1879 auferlegten Beiträge zu leisten.

Durch dieses Gesetz sind die Provinzen, Gemeinden, Provinzial- und Kommunalverbände ermächtigt worden, die ihnen konzessionierten Bahnen selbst zu bauen und zu betreiben. Für alle konzessionierten Privatbahnen konnte auch Kleinbahnbetrieb zugestanden werden.

Der Staat behielt aber in allen Konzessionen das Recht, die Bahn innerhalb zweier Jahre nach Vollendung des Baues gegen Ersatz der Baukosten und Auslagen für Materialvorräte mit einem Aufschlag von 5% zurückzukaufen. Wenn innerhalb dieser Frist der Rückkauf nicht erfolge, so sollte er erst nach 20 Jahren und unter den im Gesetze über die öffentlichen Arbeiten vom Jahre 1865 festgesetzten Bestimmungen stattfinden.

Eine besondere Erwähnung verdient der Bau der Zufahrtslinien zum Simplon. Nach Genehmigung des Vertrags zwischen Italien und der Schweiz (1898) über die Durchfahrung des Simplons zwischen Brig und Iselle konzessionierte die Regierung der Provinz Mailand und der Gemeinde Turin die Linien Arona-Domodossola und Santhià-Arona und kam mit der Mediterranea wegen des Baues der Linie Domodossola-Iselle gegen eine feste Entschädigung von 16∙65 Mill. Lire überein.

Mit dem Ges. vom Juni 1901 wurde der Cassa aumenti patrimoniali der Mediterranea ein Zuschuß von 12∙5 Mill. Lire gewährt, um den Bau der kürzesten Verbindung zwischen dem Hafen von Genua und der Giovilinie zu ermöglichen.

Schon im Jahre 1898 war von der Regierung eine aus Mitgliedern des Parlaments und Vertretern der Ministerien bestehende Kommission eingesetzt worden, die zu prüfen hatte, wie sich die Betriebsführung auf den verpachteten Bahnen bewährt habe und welches Betriebssystem mit 1. Juli 1905 gewählt werden sollte.

Der Bericht stellte fest, daß die Erfüllung der von den Konzessionären übernommenen Verpflichtungen sowohl hinsichtlich des Betriebs als der Gewinnbeteiligung des Staats mit der Zeit ganz der Willkür[289] der Konzessionäre preisgegeben worden sei. Dies sei teils auf die Unzulänglichkeit der für die staatliche Aufsicht aufgewendeten Mittel zurückzuführen, anderseits verkannte die Kommission auch nicht die günstigen Wirkungen der Verträge, indem dadurch geordnete Betriebsverhältnisse herbeigeführt worden waren, die den Betrieb regelmäßig gestaltet und vervollkommnet hatten.


D. Entwicklung des Eisenbahnwesens von 1905 bis zur Gegenwart.


Im Jahre 1905 lief der erste Abschnitt der Pachtzeit nach den Verträgen von 1885 ab. Die Regierung leitete mit den Verwaltungen der drei großen Netze Verhandlungen wegen Fortsetzung des Betriebs ein, die nicht zum Ziele führten. Es wurde daher im März 1904 ein Gesetzentwurf vorgelegt, der die Regierung ermächtigte, den staatlichen Betrieb der Eisenbahnen für den Fall einzurichten, daß für alle oder einen Teil der Eisenbahnen keine befriedigenden Bedingungen von den Privatgesellschaften zu erreichen sein sollten.

Dieser Gesetzentwurf kam nicht zur Verabschiedung. Im Februar 1905 legte die Regierung einen neuen Gesetzentwurf vor, der die Ermächtigung erhielt, die Mediterranea, Adriatica und Sicula ab 1. Juli 1915 in Staatsbetrieb zu übernehmen. Für den Fall, daß eine Vereinbarung wegen der Meridionali nicht zu stande kommen sollte, war die Regierung ermächtigt, der Meridionali den Betrieb einiger dem Staate gehörender Linien zu übergeben, die nun Anschluß an das Netz der Meridionali hatten.

Das Ges. vom 22. April 1905, betr. den Staatsbetrieb trat am 1. Juli 1905 in Kraft.

Die im Betriebe der drei großen Gesellschaften befindlichen Linien wurden in zwei Netze geteilt, von denen das der Meridionali alle dieser gehörenden Linien, mit Ausnahme der in den Staatsbetrieb übernommenen Linien Lecco-Colico, Neapel-Eboli, Torre Annunziata-Castellamare, umfaßte.

Der Meridionali wurde ferner der Betrieb der an sie anschließenden staatlichen Linien Ascoli-Benedetto, Teramo-Giulianova, Lucera-Foggia, Manfredoni-Foggia, Gallipoli-Zollino übergeben. Die Gesamtlänge des genannten Netzes betrug 2224 km.

Das staatliche Netz umfaßte alle Linien, die im Betriebe der Mediterranea und der Sicula gestanden hatten, außerdem die der Meridionali nicht belassenen Linien des Netzes der Adriatica. Die Linien der Ferrovie secondarie Romana, Roma-Viterbo, mit Abzweigung nach Ronciglione und die Linie Varese-Porto Ceresio, die Privatbesitz bildeten und von der Mediterranea betrieben wurden, sind bloß provisorisch und dem Staatsbahnnetz besonders angegliedert. 1908 gingen diese Linien wieder in den Privatbetrieb über.

Die Anschlußpunkte der beiden Netze bildeten Bologna, Ravenna, Faenza, Lugo, Rimini, Falconara, Porto Civitanova, Terni, Sulmona, Isernia, Benevento, Caserta, Neapel, Rochetta, S. Antonio, Potenza, Tarent, Brindisi. Gemeinsam war ferner die Station Ancona, da die Linie Falconara-Ancona im Gemeinschaftsbetrieb stand.

Der Fährendienst zwischen dem Festlande und Sizilien (Reggio-Messina und Villa S. Giovanni-Messina) wurde gleichfalls der Staatsbahnverwaltung übertragen.

Die Gesamtlänge des Staatsbahnnetzes betrug am 1. Juli 1905 10.606 km.

Auf Grund des Ges. vom 15. Juli 1906 erfolgte mit Rückwirkung vom 1. Juli desselben Jahres die Einlösung der Meridionali und von diesem Zeitpunkt an führten die Staatsbahnen den Betrieb aller Linien, die früher zu den Netzen der Mediterranea, Adriatica und Sicula gehört hatten, sowie auch die staatlichen Linien Vicenza-Treviso, Vicenza-Schio und Padua-Bassano, die bis dahin im Betriebe der Società Veneta gestanden waren.

Die Länge des vom Staate am 1. Juli 1906 betriebenen Netzes betrug 13.232 km.

Die neue Staatseisenbahnverwaltung hatte bei Beginn ihrer Tätigkeit mit den allergrößten Schwierigkeiten zu kämpfen, die sich infolge ungenügender Vorbereitung des Staatsbetriebs sowie der Unzulänglichkeit der Betriebsmittel und Stationsanlagen ergaben. Diese Schwierigkeiten wuchsen mit der Steigerung des Verkehrs, die allein im ersten Betriebsjahre 10∙24% betrug.

Unter diesen Umständen sah sich die Verwaltung genötigt, mit größter Beschleunigung bedeutende Investitionen durchzuführen (1905/06 allein 111 Mill. Lire), auch weiterhin erfolgte ausgiebige Vermehrung der Fahrbetriebsmittel und Ausgestaltung der Bahnanlagen. Der Gesamtkredit, der den Staatsbahnen zur Verfügung gestellt wurde, belief sich auf 1414 Mill. Lire, wovon 1080 Mill. Lire bereits verwendet sind.

Von neuen Linien wurden 1906 die Zufahrtlinien zum Simplon, Borgomanero-Arona und Domodossola-Iselle eröffnet. Letztere steht im Betriebe der schweizerischen Bundesbahnen. Diese beiden Linien wurden durch private Unternehmungen gebaut und verstaatlicht.

In der Folge ist eine Reihe neuer Linien dem Staatsbahnnetze zugewachsen, u.zw. Linien,[290] die vom Staate gebaut worden sind (darunter Cuneo-Vetimiglia, Fassano-Mondovì-Ceva, Spilimbergo-Gemona, Bologna-Verona und die an Private konzessionierten schmalspurigen Linien der Basilicata und Kalabriens).


Außerdem werden zwei direkte Linien, u.zw. Genua-Tortona und Bologna-Florenz gebaut, die dazu bestimmt sind, den Übergang über die Apenninen zu erleichtern. Diese Linien führen mittels großer Basistunnel durch den Apennin und kürzen die Strecken zwischen Mailand, bzw. Turin und Bologna-Florenz. Der im Zug der Linie Bologna-Florenz (83 km) im Bau befindliche Tunnel durch den Apennin wird eine Länge von 18.510 m aufweisen; die Tunneleingänge liegen im Tal des Setta und des Bisenzio (vgl. Rivista Tecnica della Ferrovie Italiane 1913, November- und Dezemberheft).

Im Bau ist ferner eine 44∙5 km lange Linie von S. Arcangelo nach Urbino. Diese Linie bietet in ihrem Teile von S. Leo bis Urbino bedeutende technische Schwierigkeiten. Insgesamt kommen 12 Tunnel zur Ausführung, von denen 4 eine Länge über 3 km aufweisen, u.zw. Tassonatunnel 6600 m, Macerata Feltriatunnel 3500 m, Pallinotunnel 3300 m und Urbinotunnel 3400 m.

Eine Reihe von Linien wurde von Privaten gebaut und vom Staate eingelöst (darunter Livorno-Vada, Mestre-Primolano-österr. Grenze u.s.w.).


Außerdem wurden zwei direkte Linien Genua-Tortona und Bologna-Florenz gebaut. Diese Linien führen mittels zweier Basistunnel durch die Apenninen und kürzen die Strecke zwischen Mailand, Turin und Bologna-Florenz.

Eine besondere Erwähnung verdienen die Studien der Staatsbahnverwaltung über Einführung des elektrischen Betriebes.

Seit dem Jahre 1905 war auf der Valtellinabahn (Strecke Lecco-Colico-Sondrio und Colico-Chiavenna) der Dreiphasenbetrieb mit Luftleitung und auf der Linie Mailand-Gallerate-Varese-Porto Ceresio der Gleichstrombetrieb mit dritter Schiene eingeführt.

Nachdem die Staatsbahnverwaltung nach eingehenden Studien die Überlegenheit des Dreiphasensystems sowohl in technischer als auch in ökonomischer Beziehung festgestellt hatte, beschloß sie die Einführung des genannten Systems auf den nachstehend angeführten Linien oder Teilstrecken, u.zw.:


1. Sampierdarena-Busalla,

2. Savona-Ceva,

3. Domodossola-Iselle,

4. Gallerate-Laveno,

5. Gallerate-Arona,

6. Mailand-Lecco,

7. Usmate-Bergamo,

8. Bardonecchia-Modane,

9. Neapel-Salerno,

10. Torre Annunziata-Castellamare,

11. Pistoja-Bagni della Poretta.

Der elektrische Betrieb wurde eingeführt:

im März 1911 auf der Strecke Pontedecimo-Busalla,

im Juli 1911 auf der Strecke Pontedecimo-Campasso,

im Juli 1912 auf der Strecke Salbertrand-Bardonecchia.

Ferner wurden noch die Tunnelstrecken bei Genua elektrisiert und Studien zur Einführung des Einphasensystems auf der Linie Pinerolo-Torino gemacht, die indessen zu keinem günstigen Ergebnisse führten.


Außer den bereits erwähnten Gesetzen, die den Bau neuer Linien zum Gegenstande hatten, sind noch die folgenden Gesetze zu erwähnen:


1. Gesetz vom 9. Juli 1905, betreffend den Bau einiger Linien auf Staatskosten, ferner die Konzessionierung einer Reihe schmalspuriger Linien in Sizilien, deren Bau auf Staatskosten später mit Ges. vom 12. Juli 1906 angeordnet wurde.

2. Gesetz vom 25. Juni 1906, betreffend die Konzessionierung einer Anzahl schmalspuriger kalabrischer Linien.

3. Gesetz vom 13. Juni 1907, betreffend das Recht des Staates auf Beteiligung an dem Ertrag der an Private konzessionierten Bahnen.

4. Gesetz vom 12. Juli 1908 für den Bau der kalabrischen Linien und der Ergänzungslinien der Sicula und der Basilicata, dann der Kosten für die Linie S. Arcangelo-Urbino, für die direkte Linie Rom-Neapel und zur Verbindung der Linien Bra-Nizza und S. Giuseppe-Acqui.

Das Gesetz bestimmt ferner 300 Mill. Lire, die für das Studium und den Bau der beiden direkten Linien Genua-Tortona (über Mailand) und Bologna-Florenz (150 Mill. Lire für jede) zu verwenden sind.

5. Gesetz vom 21. Juli 1910.

Dieses ermächtigt die Regierung, an Private den Bau und den Betrieb der schmalspurigen Linien der Basilicata und Kalabriens zu vergeben, mit Ausnahme einiger für Rechnung des Staats schon im Bau gewesener Zweiglinien.

Die Konzession, u.zw. für den Bau und Betrieb oder bloß für den Betrieb dieser Linien wurde 1911 der Società italiana per le strade ferrate del Mediterraneo verliehen.

Die in Aussicht genommene Länge der Linien, die zum Bau und Betrieb konzessioniert wurden, beträgt 998 km.

Die Konzession ist auf 70 Jahre verliehen; dem Staate steht jedoch das Recht zu, sich die Einlösung nach 20 Jahren nach der Betriebseröffnung vorzubehalten.

6. Gesetz vom 21. Juli 1911.

Dieses Gesetz setzt den Höchstbetrag der kilometrischen Subvention an Private mit 10.000 Lire für öffentliche Bahnen fest, u.zw. für Linien, die namhafte Baukosten erfordern oder dazu bestimmt sind, bedeutende Zentren zu vereinigen, zwei Küstenlinien oder zwei internationale Linien zu verbinden oder aber die Grenze zu erreichen.


II. Geographische Gliederung des Eisenbahnnetzes (s. Karte, Taf. VIII).


Das Netz der I. zeigt seine reichste Verzweigung im oberitalienischen Flachland zwischen den oberitalienischen Seen im Norden und den Apenninenketten im Süden.

Mit den übrigen europäischen Bahnen stehen die I. durch elf Linien in Verbindung, u.zw.:


Venedig-Cervignano-Triest, Udine-Cormons-Görz-Triest, Venedig-Udine-Pontebba-Pontafel-Villach, Venedig-Primolano-Trient, Verona-Peri-Ala-Innsbruck nach Österreich, Sondrio-Tirano-Poschiavo-Bernina,[291] Mailand-Chiasso-Gotthard, Novara-Luino-Pino-Bellinzona, Domodossola-Iselle-Brieg-Lausanne nach der Schweiz Turin-Modane-Paris, Genua-Ventimiglia-Nizza nach Frankreich.


Als Hauptverkehrsstraße der oberitalienischen Bahnen kann die große Linie Modane (Mont Cenis)-Turin-Mailand-Treviglio-Brescia-Verona-Venedig- Mestre-Udine-Cormons angesehen werden. Von dieser zweigen namentlich im westlichen Teile zahlreiche Linien ab, die sich weiter ausästen und neue Knotenpunkte bilden. Einer der wichtigsten Knotenpunkte ist Turin. Von hier führt eine Linie über Asti-Alessandria-Genua-Pisa-Livorno-Civitavecchia nach Rom. Von Turin zweigen ferner: südlich ab a) die Linie nach Cuneo und Tenda (über Saluzzo), die durch 2 im Bau befindliche Strecken Ventimiglia östlich und Nizza westlich erreichen soll; b) die Linie nach Savona (über Brà); c) eine zweite Linie nach Genua (über Asti und Acqui). Nördlich zweigt die Linie Turin-Chivasso nach Aosta, ferner die Linie Santhià-Arona-Domodossola ab. Von Alessandria zweigt die Bahn nach Piacenza, Parma und Bologna (Rimini) östlich; die Bahnen nach Moretta über Cavallermaggiore und nach Acqui westlich ab.

Von Genua führt eine Linie westlich über Savona nach Ventimiglia, südlich nach Spezia (Florenz, Rom).

Ein weiterer Knotenpunkt ist Novara. Von hier gehen die Bahnen in nördlicher Richtung nach Varallo, Domodossola und Pino (Gotthardbahn). Südlich von Novara führt eine Zweigbahn über Mortara an die obengenannte Linie Turin-Alessandria.

Von Mailand, dem nächsten Hauptknotenpunkt der oberitalienischen Ostwestlinie, führen zahlreiche Bahnen nach Norden zu den Seen und zur Schweizergrenze (Como-Chiasso, Lecco-Sondrio, Varese-Porto Ceresio, Gallarate-Luino, Gallarate-Domodossola) und nordöstlich nach Bergamo.

In südlicher Richtung verbinden zwei Bahnen Mailand mit Pavia-Voghera-Novi-Genua und mit Alessandria, sowie mit Piacenza, Parma, Modena und Bologna (Pistoja-Florenz-Rom).

Die Knotenpunkte Treviglio und Brescia entsenden Zweige über Cremona nach Borgo San Donnino; (von Borgo San Donnino verbindet eine Querbahn die Linie Mailand-Bologna mit der Linie Turin-Pisa); von Brescia auch nach Parma und Mantua über Piadena. Von Verona geht ein nördlicher Ast an die österreichische Grenze (Ala), ein südlicher über Mantua nach Modena, und ein östlicher über Legnago, Rovigo nach Chioggia. Eine direkte Verbindung zwischen Verona und Bologna ist im Bau (vgl. oben).

Von Verona östlich sind die wichtigsten Knotenpunkte Padua und Venedig (bzw. Mestre). Von ersterem Punkt zweigt die Linie Padua-Ferrara (Abzweigung nach Ravenna)-Bologna ab, während von Mestre über Treviso (Zweig nach Belluno) und Udine, sowie Portogruaro die österreichische Grenze erreicht wird.

An das oberitalienische Netz schließt sich bei Bologna, Florenz und Pisa das Netz Mittelitaliens an, das in der Hauptsache aus Parallelketten besteht, die von Nordwest nach Südost laufen und durch mehrfache Querlinien verbunden sind.

Die wichtigste dieser Parallellinien, eine Welthandelsstraße, ist die östlichste, von Bologna aus, die Küste des adriatischen Meeres entlang laufende Linie (Rimini-Ancona-Pescara). Aber auch die westlicheren Parallellinien (Pisa-Rom, Florenz-Rom) sind von internationaler Bedeutung, da sie die Verbindung von Oberitalien und Rom herstellen. Von den Querlinien sind die wichtigsten jene von Bologna über Pistoja und Pisa nach Livorno und von Pescara über Solmona nach Rom. Eine weitere Querverbindung bildet die Linie, die von Faenza (zwischen Bologna und Rimini) über Florenz und Empoli nach Pisa geht. Parallel zu dieser führt eine Linie von Florenz über Pistoja-Lucca nach Pisa (Livorno).

Von der Ostküste zweigen von Ancona (Falconara) und Porto Civitanova Querlinien ab, die in Albacina zusammentreffen und in Arezzo, Terontola und Orte die Linie Florenz-Rom treffen. Zwischen Foligno und Orte zweigt bei Terni eine weitere Parallellinie zur Linie Pescara-Sulmona-Rom ab.

In Foligno besteht eine weitere Verbindung über Perugia und Terontola mit Florenz, ferner von Orte nach Viterbo, dann über Chiusi, Asciano (Siena) mit Empoli und von Asciano und Montepescali zur Küste (Piombino).

Von Rom geht die Hauptlinie westlich über Segni nach Neapel und von hier längs der Küste bis Reggio. Auch die Ostküste besitzt von Pescara südwärts ihrer ganzen Länge nach eine Bahn, die über Termoli (Zweig nach Benevento), Foggia (Abzweigung über Benevento und Caserta nach Neapel und Gaeta) und Bari (Zweig nach Taranto) nach Brindisi, Otranto und Gallipoli geht, anderseits von Brindisi noch einen Zweig landeinwärts nach Tarent entsendet und von hier aus längs der Küste (von Metaponto Abzweigung nach Battipaglia der Linie Neapel-Reggio) die Verbindung mit Reggio herstellt.[292]

Eine Querverbindung in Unteritalien führt von Termoli über Campobasso nach Benevento, Avellino und Salerno. Von Foggia besteht eine Verbindung über Cervaro-Rocchetta-St. Antonio (von hier führen Linien nach Barletta, Bari, Taranto und Brindisi) nach Potenza.

Der Mittelpunkt der Eisenbahnen Siziliens ist St. Caterina Xirbi. Von hier führt eine Linie östlich nach Catania, und von hier längs der Küste nördlich nach Messina, südlich nach Sirakus und weiter nach Licata über Modica und Terranova; zwei Linien führen südlich über Caltanisetta-Canicattic nach Licata und Empedocle (Girgenti); eine nördlich einerseits nach Celalu, anderseits nach Palermo über Roccapalumba, nach Termini. Von Palermo geht eine Bahn über Mazzara nach Trapani.

Auf der Insel Sardinien ist Cagliari der Haupteisenbahnpunkt. Von hier geht eine Eisenbahn westlich nach Iglesias. Nördlich führt eine Linie in der ganzen Länge der Insel über Oristano-Macomer-Chilivani einerseits nach Golfo Aranci, anderseits über Sassari nach Portotorres.


III. Technischer Charakter.


Die Spurweite ist bei allen Hauptbahnen = 1.435 m. Eine Reihe von Bahnen untergeordneter Bedeutung ist mit kleinerer Spurweite von verschiedenem Maß ausgeführt. Am meisten vertreten ist unter letzteren die Spurweite von 0.95 m, mit der außer dem größten Teil der Nebenbahnen auf der Insel Sardinien auch eine größere Zahl von Linien auf der Halbinsel und auf der Insel Sizilien hergestellt ist. Die 20 km lange Bahn Monteponi-Portovesme auf der Insel Sardinien hat 0.96 m, die 12 km lange Linie Turin-Rivoli 0.90 m, die zusammen 24 km langen Linien Ponte Tresa-Luvino und Menaggio-Porlezza 0.85 m Spurweite.

Zweigleisig waren Juni 1912 rund 2650 km Eisenbahnen. Durch Gesetz vom 30. Dezember 1888 wurde ein Betrag von 50 Mill. Lire für den im militärischen Interesse als erforderlich erkannten Ausbau des zweiten Gleises auf verschiedenen, in strategischer Beziehung wichtigen Linien bewilligt.

Die gebirgige Oberfläche des Landes hat dem Bahnbau vielfache Schwierigkeiten entgegengestellt, die aber durch kühne Trassenführung und Anlage großartiger Erd- und Steinbauten (Dämme, Steinbrücken, Tunnel und Viadukte) überwunden worden sind. Die Eisenbahnen keines andern Landes sind so reich an Kunstbauten wie die Italiens. Beispielsweise zählt die ligurische Bahn auf der 278 km langen Strecke von Ventimiglia bis Massa 181 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 87 km, demnach etwa 30% der Bahnlänge. Der längste dieser Tunnel, der von Biassa bei Spezia, ist 3036 m lang. Die Linie Sampierdarena-Ventimiglia hat bei einer Länge von 148 km 78 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 27∙5 km, d.i. mehr als 18∙5% der Linienlänge. Die Bahn Novara-Pino zählt bei etwa 80 km Länge 17 Tunnel, 318 Brücken und kleinere Viadukte, außerdem 23 größere Brücken. Die 22 km lange Giovi-Bahn (s.d.) zählt 18 Tunnel mit zusammen 12∙37 km Länge und 7 größere Viadukte mit zusammen 1∙543 km Länge. Die Succursale hat bei einer Länge von 22 km 20 Tunnel mit einer Gesamtlänge von 12∙7 km, d.i. etwa 58% der Gesamtlänge der Linie. Sie hat außerdem 19 Brücken und Viadukte in einer Gesamtlänge von etwa 2∙2 km. Die Abruzzen-Bahn Rom-Sulmona zählt 45 gewölbte Viadukte, zahlreiche Eisenbrücken und Tunnel.

Bemerkenswert sind ferner wegen ihrer technischen Anlagen die Bergbahn Rochette Asiage, zum Teil Zahnradbahn, zum Teil Adhäsionsbahn (sie steigt bei einer Länge von 21 km von 2877 auf 1001 m Meereshöhe), die Teilstrecke Poggio-Rusco-Nogara der neuen Bahn Bologna-Verona mit einer eisernen Brücke über den Po von 510 m Länge, dann die 34 km lange Teilstrecke Longarone-Belluno-Cadore-Bahn mit 36 Tunneln und 13 Brücken.

Was die Neigungsverhältnisse betrifft, so liegen nur 20% in der Horizontalen, etwa 40% haben Steigungen bis zu 5, 30% solche von 5 bis 15 und 10% größere Steigungen. Die größte Schienenhöhe auf den Übergängen über die Alpen und Apenninen haben:


Mont Cenis (Ceniso)1295 m üb. d. M.
Pontebba 567 m üb. d. M.
Sulmona-Isernia1267 m üb. d. M.
Sulmona-Averzano 907 m üb. d. M.
Termoli-Campobasso 868 m üb. d. M.

Die Richtungsverhältnisse sind im allgemeinen günstig. Es liegen 72∙7% in der Geraden und 27∙3% in Krümmungen.

Der Oberbau besteht aus Vignolesschienen auf hölzernen Querschwellen. Nur auf einzelnen Strecken liegen Eisenschwellen oder solche aus armiertem Beton. Die Bahnhofanlagen waren zur Zeit des Privatbetriebes – von einzelnen Hauptstationen abgesehen – meist unzureichend, und die staatliche Eisenbahnverwaltung mußte seit 1905 neue Aufwendungen machen, um die Stationsanlagen dem gesteigerten Verkehr entsprechend auszugestalten. Unter anderem wurden fast alle[293] größeren Stationen (mehr als 50) teils ganz neu gebaut, teils wesentlich ausgestaltet.

Auch in bezug auf die Fahrbetriebsmittel, die nunmehr zunächst im Inlande hergestellt werden, sind seit der Einführung des Staatsbetriebes große Fortschritte zu verzeichnen. So laufen beispielsweise in den Zügen schwere Heißdampflokomotiven und mit allen Bequemlichkeiten ausgestattete vierachsige Wagen mit Seitengang.


IV. Verwaltung und Staatsaufsicht.


Das Gesetz über die Einführung des Staatsbetriebes bestimmte, daß die Verwaltung der Staatsbahnen selbständig unter der Oberaufsicht des Ministers für öffentliche Arbeiten erfolgen solle. Sie oblag dem Generaldirektor, dem ein aus sechs Mitgliedern bestehendes Administrationskomitee beigegeben wurde. Als Sitz der Generaldirektion wurde Rom bestimmt.

Dem Generaldirektor und dem Administrationskomitee wurden dieselben Befugnisse eingeräumt, die in den Statuten und Reglements für die Generaldirektoren und Verwaltungsräte der verstaatlichten Gesellschaften (Mediterranea Adriatica und Sicula) vorgesehen waren, sofern diese Befugnisse nicht mit den Gesetzen in Widerspruch standen.

Das Gesetz regelte ferner die Beziehungen der Staatseisenbahnverwaltung zum Rechnungshofe und der Staatsadvokatur, ordnete die Übernahme des Personals der Mediterranea und Sicula in den Staatsdienst an und regelte die Verteilung des Personals der Adriatica auf die Staatsbahnen und die Linien der Meridionali, wobei die Personalvorschriften der Privatgesellschaften provisorisch in Geltung belassen wurden.

Die frühere Einteilung der Linien in vier Gruppen wurde provisorisch beibehalten.

Im Oktober 1905 wurde das Staatsbahnnetz in 8 Distriktsdirektionen (Turin, Mailand, Genua, Venedig, Florenz, Rom, Neapel und Palermo) eingeteilt. Das Generalinspektorat, dem die allgemeine technische und administrative Aufsicht über die Privatbahnen oblag (die Mediterranea, Adriatica und Sicula inbegriffen), wurde aufgelöst, seine Funktionen wurden an ein besonderes Amt im Ministerium übertragen.

Bei der im Jahre 1906 erfolgten Übernahme der Meridionali wurde auch die bei dieser bestehende Organisation mit der Betriebsdirektion Ancona provisorisch aufrechterhalten.

Im Juli 1907 erfolgte auf Grund eines Gesetzes die endgültige Einrichtung der staatlichen Eisenbahnverwaltung. Danach liegt die Verwaltung in der Hand des Generaldirektors und eines aus acht Mitgliedern zusammengesetzten, unter dem Vorsitz des Generaldirektors tagenden Verwaltungsrats. Dieser besteht aus zwei höheren Beamten der Staatsbahnen, drei hohen Staatsbeamten und drei nicht beamteten Bürgern, die besondere technische und administrative Befähigung besitzen.

Das Amt des Generaldirektors ist mit jeder parlamentarischen Tätigkeit unvereinbar.

Der Minister ist berechtigt, Beschlüsse des Verwaltungsrats, die gegen das Gesetz oder die Reglements verstoßen, aufzuheben oder wegen schwerwiegender Bedenken mit Zustimmung des Ministerrats zu suspendieren.

Der Generaldirektion blieben Distriktsdirektionen unterstellt, deren Zahl und Sitz durch kgl. Dekret festgesetzt wird.

Mit kgl. Erlaß vom März 1908 wurden weitere Distriktsdirektionen in Ancona und Reggio di Calabria errichtet. Die Länge ihrer Bezirke schwankt zwischen 650 und 2260 km.

Die Distriktsdirektionen, die unter Leitung eines Präsidenten standen, zerfielen in Abteilungen für die Hauptdienstzweige, ihnen unterstellt waren die örtlichen Ämter (Sektionen). Die Errichtung solcher Ämter war dem Verwaltungsrat überlassen und erfolgte im Bereiche von sechs Direktionen.

Im Ministerium für öffentliche Arbeiten wurde ein allgemeiner Verkehrsbeirat und bei jeder Distriktsdirektion ein Bezirksverkehrsausschuß eingesetzt (vgl. Beiräte).

Außerdem wurde durch das Gesetz eine parlamentarische Überwachungskommission eingesetzt. Diese wird aus je sechs Senatoren und Abgeordneten gebildet. Sie hat die Führung der staatlichen Eisenbahnverwaltung zu überwachen und das Parlament oder die Regierung auf die Bedürfnisse des Verkehrs und die Mängel des Eisenbahndienstes aufmerksam zu machen. Die Mitglieder des Parlaments dürfen weder dem Verwaltungsrate noch dem allgemeinen Verkehrsbeirate oder den Bezirksausschüssen angehören.

Außer dem Betriebe wurde der Verwaltung der Staatsbahnen auch das Studium neuer Eisenbahnprojekte sowie die Leitung und Überwachung des Baues neuer Eisenbahnlinien übertragen, die für Rechnung des Staates ausgeführt werden.

Die Erfahrungen der ersten Betriebsjahre ließen mehrfache Änderungen der Verwaltungseinrichtungen des Jahres 1905 geboten erscheinen.

Mit Gesetz vom 25. Juni 1909 wurde u.a. angeordnet, daß zum Zwecke ordnungsmäßiger[294] Erhaltung der Bahnanlagen samt Zubehör und rollendem Material jährlich in das Budget bestimmte Summen unter Berücksichtigung der Höhe der Betriebseinnahmen eingestellt werden sollten (mindestens 1000 Lire für 1 km zur Bestreitung der Unterhaltungskosten der Bahn und 9% der Betriebseinnahmen für die Erhaltung der Betriebsmittel).

Ein Gesetz vom 13. April 1911 traf Verfügungen wegen Verbesserung der Bezüge des Personals sowie wegen Schaffung einer Personalvertretung zur Prüfung gemeinsamer Wünsche der Angestellten in bezug auf materielle und Berufsinteressen. Außerdem ordnete dieses Gesetz an, daß nach Anhörung einer beratenden Kommission, der auch Vertreter des Handels, der Industrie, der Landwirtschaft und der Arbeiterschaft angehören sollen, bis zum Monat Juni 1912 durch kgl. Verordnungen zu einer Reform der staatlichen Eisenbahnverwaltung im Sinne einer Vereinfachung und Dezentralisation geschritten werden solle.

Der Regierung wurde die Vollmacht erteilt, nach Anhörung dieser Kommission die Reorganisation mit der Befugnis durchzuführen, hierbei die geltenden Bestimmungen mit Ausnahme jener über die Bilanz und die parlamentarische Überwachungskommission abzuändern.

Die Reorganisation der Verwaltung erfolgte nach Überwindung mannigfacher Schwierigkeiten und eingehendster Beratung im Schoße obgenannter Kommission mittels kgl. Verordnung vom 28. Juni 1912.

Darnach besteht der Verwaltungsrat fortan aus dem Generaldirektor als Vorsitzenden und neun Räten (darunter vier aus der Reihe der nicht beamteten Staatsbürger). Die Generaldirektion besteht aus vier Betriebsabteilungen (Servizi dell'esercizio), sodann aus sieben anderen Zentralabteilungen (darunter die Neubauabteilung und das Rechnungsbureau). Die Generaldirektion hat ihren Sitz in Rom, jedoch können einzelne Abteilungen und Ämter an andere Orte verlegt werden. Von dieser Befugnis ist für die Zugförderungs- und Wagenabteilung Gebrauch gemacht worden, die ihren Sitz in Florenz haben. Ein Betriebsamt für die Nebenbahnen in Sizilien ist in Palermo errichtet worden. Die Distriktsdirektionen, denen nach dem Gesetz von 1907 die Leitung des Betriebsdienstes sowie die technische, administrative und finanzielle Verwaltung in ihrem Bezirke insoweit abliegt, als sie nicht der Generaldirektion vorbehalten ist, blieben in der Organisation im wesentlichen unverändert. Ihre Abteilungen sind in der Abgrenzung des Geschäftskreises den Betriebsabteilungen der Generaldirektion nachgebildet, denen sie nach wie vor unmittelbar unterstehen. Sie erledigen innerhalb ihrer Zuständigkeit die Arbeiten selbständig, unabhängig vom Direktionspräsidenten.

Den Abteilungen unterstehen die durch die Neuordnung beibehaltenen Bahnerhaltungs- und Werkstättensektionen unmittelbar. Die Betriebs- und Maschinenämter wurden dagegen aufgelassen. Die Zahl der Distriktsdirektionen wurde von zehn auf zwölf vermehrt (Bari und Bologna).


V. Personalverhältnisse.


Die Lage der Eisenbahnbediensteten war während der Zeit des Privatbetriebs eine höchst ungünstige, infolgedessen setzte schon in den Siebzigerjahren eine Bewegung der Organisationen der Bediensteten zu dem Zwecke ein, um eine Besserung der Verhältnisse herbeizuführen. 1897 wurde diese Frage zum erstenmal in der Kammer angeschnitten. Durch Dekret vom 26. Juli 1897 wurde eine Untersuchungskommission eingesetzt, die die Lage der Eisenbahnbediensteten zu prüfen und Vorschläge zu erstatten hatte. 1898 berief die Regierung zur Verhütung einer Ausbreitung der Streikbewegung infolge der Auflösung der Liga die Mannschaften des beurlaubten Standes, die Eisenbahner waren, unter die Waffen und ließ sie als Soldaten den Eisenbahndienst versehen. Bis Ende 1898 wurde diese Maßregel aufrecht erhalten. Diese unter dem Schutze des Belagerungszustandes erlassene Verfügung hatte indes keine gesetzliche Grundlage und wurde über Veranlassung der Regierung ein Gesetz über die Militarisierung der Eisenbahner erlassen. Im Januar 1899 erschien der Bericht der Untersuchungskommission. Er gab den Eisenbahnern in einzelnen Punkten recht. Die Kommission empfahl die sofortige Ausführung von 12 Anträgen zur Sicherung eines geordneten Betriebs. Die Regierung trat in Unterhandlungen mit den Gesellschaften, die jedoch die notwendigen Gehaltsaufbesserungen nicht zugestehen wollten. Die Angelegenheit wurde einem Schiedsgericht überwiesen. Dieses entschied zu Ungunsten der Regierung, die nun die Sache einem Appellsgericht übergab. Inzwischen war die Unzufriedenheit der Eisenbahnbediensteten bis zum Jahre 1902 weiter gestiegen. Am 22. Februar brach ein Streik aus. Die Regierung leitete Verhandlungen zwischen den Gesellschaften und den Bediensteten ein, die zu einem günstigen Ergebnisse führten. Bei dieser Gelegenheit wurde den Eisenbahnern die Versicherung gegeben, daß beim Ablaufen der ersten 20 Jahre der Überlassungsverträge mit den Gesellschaften der Staat die Verträge entweder ganz lösen oder zumindest umändern würde. Als das bedeutungsvolle Jahr 1905 immer näherrückte, wählten die verschiedenen Organisationen ein Agitationskomitee, das im September 1904 einen Streik anordnete. Die Bewegung konnte jedoch nicht durchdringen. Es wurde nunmehr vom Agitationskomitee ein Nationalkongreß sämtlicher Eisenbahnerorganisationen einberufen und eine Denkschrift mit den Forderungen derselben ausgearbeitet, um sie der Regierung zu übergeben. Die Regierung ließ sich in Verhandlungen mit den Bediensteten nicht ein und brachte 1905 einen Gesetzentwurf ein, der den Eisenbahnbeamten den Charakter öffentlicher Beamten verlieh, ihnen damit die Waffe des Streiks und der[295] Obstruktion entzog. Sobald dieser Entwurf bekannt wurde, beschlossen die Bediensteten am 15. April 1905 den Streik, da sie die darin zu ihren Gunsten enthaltenen Zugeständnisse nicht als ausreichend erachteten. Die öffentliche Meinung nahm ganz entschieden gegen die Bediensteten Stellung und auch die Mehrheit der Kammer war keineswegs geneigt, den Drohungen der Eisenbahner nachzugeben.

Der Gesetzentwurf wurde dementsprechend mit großer Mehrheit angenommen. Nunmehr unterhandelten die Eisenbahnbediensteten und waren froh, bescheidene Zugeständnisse zu erhalten.

Das Gesetz von 1905 war nur ein Notgesetz gewesen, das durch das endgültige Gesetz vom 1. Juli 1907 ersetzt wurde. Dieses nahm jedoch die Bestimmung des ersteren über das Streikverbot unverändert auf. Die Folge davon war ein abermaliger partieller Streik, der jedoch infolge strenger Abwehr bald ein Ende fand.

Auch seither erneuerten die Bediensteten wiederholt ihre weitgehenden Forderungen, denen durch das Ges. von 1911 über die Neuorganisation der Staatsbahnen durch Gehaltszulagen für die unteren Kategorien zum Teil entsprochen wurde.

Ungeachtet dieser Zugeständnisse drohten die Bediensteten zuletzt – allerdings ohne Erfolg – im Frühjahr 1914.


VI. Statistik.


Längen der I.:

Am 30. Juni 1912 betrug die Gesamtbetriebslänge der I. 17.363 km, wovon 13.454 km im Staatsbetrieb und 3909 km im Betrieb und größtenteils im Eigentum von Privatunternehmungen waren.

Von den 13.454 km im Staatsbetriebe stehenden Bahnen waren 13.383 km normalspurig und 71 km sizilischer Ergänzungslinien schmalspurig (0∙95 m Spurweite).

Die im Privatbetrieb stehenden 3909 km verteilen sich auf 55 Unternehmungen. Von diesen seien erwähnt:


Compagnia Reale delle Ferronie sarde421 km
Società Italiana per la strade ferrate
secondarie della Sardegna594 km
Società Veneta541 km
Ferrovie Nord Milano266 km
Società Italiana per le strade ferrate
del Mediterraneo176 km
Società per la ferrovia dell'Apennino
centrale134 km
Società Nazionale di ferrovie e Tramvie121 km

Von den 3909 km im Privatbetrieb befindlichen Eisenbahnen waren 2417 km normalspurig und 1492 km schmalspurig (überwiegend 0∙95 m).

Außerdem waren am 30. Juni 1912 noch im Betrieb:


Dampftrambahnen 5046 km
elektrische Trambahnen (städtische
und nichtstädtische) 5046 km
Drahtseilbahnen verschiedener
Systeme16∙481 km

Betriebsergebnisse der italienischen Staatsbahnen.


Italienische Eisenbahnen

[296] Die nachstehenden statistischen Angaben, die das Betriebsjahr 1906/07, in dem die Einlösung der Meridionali erfolgte und das Betriebsjahr 1911/12 vergleichen (das Betriebsjahr beginnt am 1. Juli und endet am 30. Juni), geben ein Bild von dem Aufschwung des Staatsbahnnetzes in dieser ersten Periode.

Mittlere Betriebslänge 1906/07 13.099 km, ferner 183 km im Privatbesitz befindliche Linien, die vom Staate betrieben wurden.

Im Jahre 1911/12 betrug die mittlere Betriebslänge 13.454 km; außerdem 11 km mit Sonderbetrieb.

Von den vom Staate betriebenen Linien waren zweigleisig:


Am 30. Juli 19061992 km
Am 30. Juni 19122598 km

Stand der Fahrbetriebsmittel am 1. Juli 1906:


Lokomotiven 3.214 Stück
Triebwagen 55 Stück
Personenwagen 8.383 Stück
Gepäckwagen 2.128 Stück
Güterwagen für den Verkehr
auf den den Staatsbahnen
gehörenden Linien62.298 Stück
Güterwagen für den Verkehr
der nicht den Staatsbahnen
gehörenden Linien 8.578 Stück

Stand am 1. Juni 1912:


Lokomotiven 5.021 Stück
Triebwagen 151 Stück
Personenwagen10.037 Stück
Gepäckwagen 3.371 Stück
Güterwagen92.990 Stück

Zugverkehr (ausschließlich der im Sonderbetrieb stehenden Linien):


Im Jahre 1906/1907 geleistete
Zugkilometer 89,687.827
Im Jahre 1911/1912 geleistete
Zugkilometer111,943.877

Im übrigen sind die Betriebsergebnisse der italienischen Staatsbahnen in den Jahren 1906/1907 bis 1912/1913 der Tabelle auf S. 296 zu entnehmen.

VII. Literatur: Für die Geschichte und die Verhältnisse der italienischen Eisenbahnen bis zum Jahre 1881 geben die in letzterem Jahr veröffentlichten »Atti della Commissione d'inchiesta« die beste Quelle ab. Vor der Neuordnung des italienischen Eisenbahnwesens im Jahre 1885 wurden alljährlich, zuletzt für das Jahr 1884, von der Regierung ausführliche statistische Berichte über die italienischen Eisenbahnen unter der Bezeichnung »Relazione statistica sulle costruzioni e sull' esercizio delle strade ferrate italiane« veröffentlicht. Nach der Neuordnung des italienischen Eisenbahnwesens im Jahre 1885 ist ein unter gleicher Bezeichnung veröffentlichter amtlicher Bericht, der die Jahre 1885 bis 1887 umfaßt, bekanntgemacht worden. Eine gleichartige Statistik ist für die Jahre 1888–1890 veröffentlicht worden. In der Folge wurde je eine besondere Statistik über Bau und Betrieb (Relazione sulle costruzioni und relazione sull' esercizio delle strade ferrate italiane) veröffentlicht. Seit der Einführung des Staatsbahnbetriebs erscheint ein ausführlicher Geschäftsbericht (zunächst unter dem Titel »Ferrovie dello Stato. Relazione sull' andamento dell' amministrazione delle ferrovie delle Stato«, in den letzten Jahren unter der Bezeichnung »Relazione dell' amministrazione delle ferrovie esercitate dello Stato«). Außerdem wird eine Statistik der Staatsbahnen unter der Bezeichnung »Statistica dell' esercizio« (Parte I Statistica generale, Parte II Statistica del traffico) herausgegeben. Vgl. ferner Ministero dei lavori pubblici: Sul riscatto ed esercizio delle ferrovie italiane. Rom 1876. – Pieck, Die Eisenbahnfrage in Italien, Arch. f. Ebw. 1882. – Baccarini-Dornig, Le ferrovie italiane e il parlamento. Rom 1884. – Pieck, Das italienische Eisenbahngesetz vom 27. April 1885 und die neuen Betriebsüberlassungsverträge, Arch. f. Ebw. 1886. – Gasca, Il codice ferroviario Mailand 1887–1891, 2. Aufl. – Chelli, Le nostre ferrovie. Mailand 1889. – Spera, L'esercizio ferroviario et le possibili riforme ed economie, Teil I–III. Rom 1897 bis 1905. – Rossi, Spesa d'esercizio e quantità di personale delle principali reti ferroviarie italiane e di alcune reti estere. Rom 1897. – Claus, Die Eisenbahnfrage in Italien, Arch. f. Ebw. 1902. – Bresciani, Die Eisenbahnfrage in Italien, Arch. f. Ebw. 1905, 1907, 1908. – Spera, L'esercizio ferroviario in Italia nei sui rapporti con l'economia del paese e la scienza dei trasporti. Rom 1907. – Gasca, L'Esercizio delle Strade Ferrate. Turin 1910. Ritter, Vorschläge für die Neuorganisation der italienischen Staatseisenbahnverwaltung und für die Hebung der wirtschaftlichen Lage ihrer Angestellten, Arch. f. Ebw. 1911. – Schapper, Zur Neuordnung der italienischen Staatsbahnverwaltung, Ztg. d. VDEV., 1911. – Commissione consultativa per la riforma dell'ordinamento delle ferrovie dello Stato. Rom 1912. – Sulle disposizioni legislative relative alle concessioni ferrovarie all'industria privata in Italia. Rom 1912. – v. Ritter, Die Neuordnung der italienischen Staatseisenbahnverwaltung, Arch. f. Ebw. 1913.

Bianchi.

Tafel VIII.
Tafel VIII.
Quelle:
Röll, Freiherr von: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, Band 6. Berlin, Wien 1914, S. 281-297.
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