Italienische Kunst

[452] Italienische Kunst. Italien ist nicht nur die Wiege der gesammten neueren Kunst, sondern hat dieselbe auch am vollkommensten ausgebildet; selbst nach dem Verfalle derselben blieb es eine Schule für ausländische Künstler, theils wegen der großartigen Sammlungen von Meisterwerken jeder Art, theils auch weil sich manche Ueberlieferung in der Manier und in dem Technischen erhalten hatte. In der Baukunst, in der Plastik u. Malerei fußten die ältesten ital. Meister wie auf byzantinischen so auf den Ueberlieferungen des Alterthums, jedoch mehr in mechanischer als geistiger Weise. Die Baukunst behielt den röm. Rundbogen als Hauptform, selbst die spätere sog. goth. Bauweise wurde in Italien, wo sie im 14. Jahrh. Eingang fand, nie rein ausgeführt, wogegen die byzantinische, ihre Vorgängerin, eine vollendete Durchbildung erhalten hatte. Im 16. Jahrh. wandte sich die Baukunst wieder den antiken, classischen Formen zu (Bramante gest. 1514, Peruzzi gest. 1536 etc.) und erreichte in dem Kuppelbau der Peterskirche durch Michel Angelo Buonarotti (s. d.) die höchste Vollendung. Rühmlich bekannt sind ferner: Barozzio Vignola, Palladio und Ammanati, deren Werke vorzüglich Florenz u. Vicenza schmücken. Das 17. Jahrh. verfiel dagegen in Künstelei und Geschmacklosigkeit (vgl. Bernini), aus welcher sich das 18. nur theilweise herausarbeitete. während gegenwärtig die ital. Baukünstler wieder zu den reinen, einfachen und schönen Formen der classisch gebildeten Meister zurückkehren (Cagnola, Campesi, Simonetti etc.). Die ital. Malerei war wie die Baukunst ein Rest der röm. und stand lange Zeit unter dem Einflusse der byzantinischen; sie wurde selbständig durch Cimabue (s. d.) u. seinen Schüler Giotto (s. d.), welche die Steifheit der byzantin. Formen entfernten und richtige Körperverhältnisse darstellten (florentin. Schule, neben welcher eine sienesische durch Simone di Martino und Fiesole (s. d.) bestand); ihre weitere Ausbildung erhielt sie durch Masaccio, Uccello und Ghirlandajo und den vollendeten Charakter durch Leonardo da Vinci, der zugleich die Regeln der Kunst (Perspective, Beleuchtung etc.) theoretisch feststellte. Andere Meister der florentinischen Schule, durch Ernst, Strenge und kräftige Darstellung charakterisirt, sind: Braccio della Porta, Peruzzi, Michel Angelo Buonarotti, bisher unübertroffen in kräftigen und erhabenen Compositionen; nach ihm sank die florentin. Schule. Die röm. Schule, von Pietro Vanucci aus Perugia gestiftet, ist durch ideale Grazie charakterisirt u. erreichte in Raphael Sanzio den Höhepunkt der gesammten Malerei. Große Meister der röm. Schule sind ferner: Giulio Romano, Garolaso, Vanni, Baroccio u.s.w. Die venetian. Schule ist nicht so ideal wie die römische, zeigt aber prachtvolle Farbengebung und charaktervolle Darstellung des Wirklichen; ihr 1. Meister ist Tizian, fast gleich berühmt sind Giorgione, Tintoreto, Paolo Veronese, Carlo Cagliari etc.; die Ausartung dieser Schule trat schon mit dem 16. Jahrh. ein. Die lombard. Schule bewegte sich in mehren Richtungen. den Meisterwerken der röm. kommt sie in Antonio Allegri od. Correggio nahe; ihr Zweig, die von den Caraccis (s. d.) gestiftete bolognes. Schule wird auch die eklektische [452] genannt, weil sie das Gute aller Schulen sich anzueignen strebte; aus ihr gingen Guido Reni, Albani, Domenichino (Zampieri) u. Guercino da Cento hervor, die letzten großen Künstler. Die sog. Naturalisten, an deren Spitze Caravaggio steht, gest. 1609. setzten das Höchste der Kunst in die Nachahmung der Natur und mußten dadurch zuletzt gemein werden, zugleich kamen im 17. Jahrh. die sog. Bambocciaden (s. d.) auf. eine niedrigkomische Genremalerei; jedoch wirkten neben ihnen noch gute Künstler (Cignani, Franceschini, Crespi und der ausgezeichnete Landschaftsmaler Salvator Rosa). Am Schluß des 18. Jahrh. lebte mit der Kunst überhaupt auch die ital. Malerei wieder auf und nennt unter andern berühmten Namen Camuccini, Benvenuti, Pelagio, Migliara als die ersten, hat jedoch die deutsche Malerei nicht erreichen können. Die Plastik war nach der Völkerwanderung gänzlich von der byzantin. abhängig, emancipirte sich aber allmälig und erreichte im 13. Jahrh. durch Hubert und Peter von Piacenza und besonders durch Pisano. Balduccio, Bonino da Campione eine hohe Stufe. Die eigentl. Schöpfer der neuen Bildhauerkunst sind aber Ghiberti und Donatello im 15. Jahrh., die berühmtesten Meister neben diesen: Luca della Robbia, Rustici, Andrea Sansovino etc., besonders Michel Angelo Buonarotti, sein Schüler Baccio Bandinelli, während Benvenuto Cellini als Gießer, Medailleur und Goldarbeiter sich verewigte. Bald nach Michel Angelo trat der Verfall der Plastik ein u. abermals bezeichnet Bernini vorzugsweise das Zeitalter der Ueberladung und Geschmacklosigkeit, aus welchem sich die Kunst erst zu Ende des 18. Jahrh. durch den Einfluß der Deutschen und Franzosen wieder erhob und zum Studium der Antike zurückkehrte; der Hauptträger dieser Richtung ist Canova (s. d.), dem aber mit Grund vorgeworfen wird, daß er dem Nackten einen zu weiten Spielraum gab.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 452-453.
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