Italienische Sprache

[138] Italienische Sprache. Die J. S. ist eine der sechs literarisch ausgebildeten Romanischen Sprachen, welche in ganz Italien (mit Ausnahme von Savoyen im äußersten Nordwesten, einzelner deutschen Enclaven in Oberitalien, einzelner neugriechischen u. albanesischen Gemeinden u. Districte in Neapel u. Sicilien u. der Insel Malta), sowie ferner in einem Theile der südlichen Schweiz (Canton Tessin), dem Süden Tyrols, einem Theile der Grafschaft Görz, dem Gebiet von Triest, den Städten u. Küstengegenden Istriens u. Dalmatiens, zusammen von 27–28 Mill. Menschen, als Muttersprache gesprochen, außerdem aber noch auf den Ionischen Inseln, sowie in allen Häfen- u. Handelsplätzen der Levante als Lingua franca verstanden wird. Das Italienische ist eine Tochter des Lateinischen, entstand aber nicht aus der Sprache der Römer, wie sie in der Literatur u. dem Munde der Gebildeten angewandt wurde, sondern aus der Sprache des gemeinen Volkes, der Lingua romana rustica, welche schon gegen den Ausgang des Weströmischen Reiches mit gewissen Verschiedenheiten in ganz Italien gesprochen wurde. Zwar läßt sich nicht mehr der Umwandelungsproceß, aber wohl die ersten Spuren u. Keime der Zersetzung bis in die besten Zeiten der blühenden Latinität verfolgen; doch zeigen noch die Inschriften des 5. u. 6. Jahrh. ein wirkliches, wenn auch barbarisches u. verkommenes Latein. Das Ende des 6. u. 7. Jahrh. ist allem Anschein nach diejenige Periode, wo das längst, bes. aber durch die Sprachen der germanischen Eroberer erschütterte Latein gänzlich aus einander gefallen ist u. aus seinen Trümmern sich die neue Volkssprache zu bilden begann. Gegen Ende des 10. Jahrh. muß das Italienische schon als eine eigene Sprache gegenüber dem Latein (dessen Kenntniß übrigens in Italien bis auf Petrarca unglaublich verbreitet geblieben sein muß) ziemlich ausgebildet gewesen sein. Wenn auch (nach dem Zeugniß des Dante u. Petrarca) mit Sicherheit anzunehmen ist, daß schon im 12. Jahrh. in der Italienischen Vulgarsprache gedichtet wurde, u. daß schon gegen Ende des 12. Jahrh., doch gewiß zu Anfang des 13. Jahrh. größere Dichtungen, namentlich Ritterromane, in derselben vorhanden waren, so wird doch erst mit dem 13. Jahrh. der Gebrauch des Italienischen in Schriften aller Art, in Prosa wie in Versen, allgemein. Das älteste echte Denkmal des Italienischen ist eine Inschrift aus Ferrara von 1135; die älteste auf uns gekommene Dichtung das Liebesgespräch (Il Sirventoso) des Ciullo d'Alcamo (herausgeg. von Grion, Padua 1858), welches im[138] sicilianischen Dialekt geschrieben ist u. vielleicht noch dem 12. Jahrh. angehört. In den Anfang des 13. Jahrh. fällt das Il sole genannte Gebet des heiligen Franciscus von Assissi; auch werden um diese Zeit mehrere Dichter, wie Folcacchiero de' Folcaechieri, Ludovico della Vernaccia u. And., genannt. Die Entstehung u. Ausbildung des Italienischen war im Laufe der Jahrhunderte so langsam u. allmälig vor sich gegangen, daß sich das Volk dessen gar nicht bewußt war u. deshalb noch lange seine Sprache Latina od. Romana nannte, im Gegensatz zu der Francisca od. Theotisca, wie man die Sprache der germanischen Eroberer bezeichnete. Später entstand dann der Name Lingua vulgaris od. Volgare, im Gegensatz gegen das Latein, welches als Grammatico od. Grammatice loqui bezeichnet wurde. Im 13. Jahrh. zeigt das Italienische im Wesentlichen schon dieselbe Gestalt, in welcher es uns gegenwärtig vorliegt. Das Mischungsverhältniß der Elemente, aus denen sie besteht, ist mit geringen Ausnahmen das nämliche, wie es noch heute besteht. Die überwiegende Masse der Wörter ist lateinisch, nur ein Theil des Wortschatzes ist den germanischen Mundarten entlehnt u. bereits vollständig assimilirt; auf Grammatik u. Wortformen haben die Barbaren so gut wie gar keinen Einfluß geübt, doch haben Aussprache u. Betonung bedeutende Veränderungen erlitten. Seit Dante ist Germanisches wohl nur wenig hinzugekommen. Das Griechische hat nur einen sehr unbedeutenden u. meist noch durch das Latein vermittelten Beitrag geliefert; was die heutige Sprache mehr davon aufzuweisen hat, beschränkt sich auf wissenschaftliche Terminologie. Dagegen zeigt die Sprache des 13. Jahrh. eine nicht ganz unbedeutende Anzahl von Wörtern u. Wortformen, welche es mit dem Provencalischen u. Französischen gemein hat, aber in der neueren entweder verdrängt od. mit den mehr lateinischen Formen der nämlichen Wortstämme vertauscht hat. Das Arabische endlich, sowie andere Orientalische Sprachen, haben nur wenige, meist auf Handel u. Schifffahrt bezügliche Ausdrücke geliehen.

Die J. S. war natürlich nicht in allen Theilen Italiens dieselbe; wie dies in jedem größeren Lande der Fall ist, entstanden eine große Anzahl von Mundarten, welche jedoch wohl nirgends so verschieden von einander sind, als wie in Italien. Diese große Verschiedenheit mag einerseits auf der Nachwirkung des Einflusses beruhen, welchen natürlich die eigenartigen Urbewohner der Halbinsel (Ligurer, Etrusker, Veneter, Japyger, Umbrer, Latiner etc., s. Italien [Gesch.] I.) bei ihrer Romanisirung auf das Lateinische, wenigstens dessen Aussprache, üben mußten; andererseits auf der Art u. Weise, wie in den verschiedenen Theilen Italiens die eingedrungenen u. eingewanderten Fremden ihre Einwirkung auf die Sprache geltend machten. Die Mundarten des Nordens, wo vorzugsweise die Germanen ihre Sitze aufschlugen u. sich allmälig mit der ursprünglichen Bevölkerung mischten, tragen im Allgemeinen den Charakter der Härte u. einer gewaltsam verstümmelten Sprache. Im Süden, wohin Germanen nur vereinzelt kamen, wo aber Byzantiner, Araber u. bereits französirte Normänner einwirken konnten, zeigt sich der Charakter der Weichheit, der Breite u. das Vorherrschen dumpfer Vocallaute. Die Mitte Italiens, Rom u. Toscana, hat die meiste Selbständigkeit u. in der Sprache auch am meisten römische Form u. Betonung beibehalten. Das Piemontesische im nördlichen Italien grenzt schon nahe an das Französische, während das Venetianische eine ganz selbständige Mundart bildet, welche Nichts von der Härte der benachbarten germanisirenden Dialekte bietet. Neben den zahlreichen Mundarten gab es aber schon im 13. Jahrh. eine Hochsprache, welche in allen Städten Italiens gehört wurde, ohne daß sie eine bestimmte Heimath hatte; Dante nennt sie (in seiner Schrift De vulgari eloquio) das Vulgare italicum, als die dem ganzen Volke gemeinsame, od. das Vulgare illustre, aulicum, curiale, cardinale, um ihren Vorzug vor den Mundarten zu bezeichnen. Alle Dichter des 13. Jahrh. haben ohne Rücksicht auf ihren Geburtsort u. die daselbst herrschende Mundart in dieser allgemeinen Hochsprache geschrieben, wenn sich auch bei den einzelnen Schriftstellern mundartliche Spuren finden. Solche Dichter, wie Guittone d'Arezzo, Buonagiunta da Lucca, Brunetto Latini u. And., welche in der Mundart ihrer Provinz dichteten, werden deshalb von Dante hart getadelt. Jene Sprache der Gebildeten fußt auf dem florentinischen Dialekt, weshalb man jedoch nicht mit verschiedenen Florentinern behaupten darf, die allgemeine Sprache der Gebildeten Italiens sei die florentinische od. toscanische, u. das Italienische sei daher Fiorentina od. höchstens Toscana zu nennen; denn wenn auch das Italienische von der höheren Gesellschaft in Toscana am schönsten u. reinsten gesprochen wird, so spricht doch das niedere Volk in der Stadt u. der Landmann seine Mundart. Es findet somit in Italien ganz dasselbe Verhältniß statt, wie in Deutschland.

Was die Mundarten selbst betrifft, so zählt Dante in seinem angeführten Buche deren vierzehn auf, nämlich: das Römische, welches er das häßlichste von allen nennt; das Anconitanische u. Spoletanische; das Mailändische u. Bergamaskische; das von Aquileja u. Istrien; das Sardische; das Sicilische u. das Pugliesische, welche beide er als die edelsten bezeichnet: das Toscanische; das Genuesische, dem er vorwirft, daß es ohne den Buchstaben Z gar nicht bestehen könne; das Romagnuolische; das von Brescia, Verona, Vicenza, Padua; das Venetianische; das Bolognesische, welches er für das beste unter allen halten möchte; die Mundarten von Trident, Turin u. Alessandria. Diese Mundarten haben zwar seit Dante in sich manche Veränderungen erfahren, im Allgemeinen jedoch haben dieselben die von dem Dichter angegebenen Grundzüge behalten. Nach Biondelli (Studij linguistici, Mail. 1856) zerfallen sämmtliche Mundarten, welche gegenwärtig in Italien gesprochen werden, in acht Familien, die sich wieder in Gruppen theilen: die Karnische Familie, mit den Mundarten von Friaul u. von Görz; die Venetianische Familie zwischen Tagliamento, Po u. Gardaseen mit mehreren Unterabtheilungen; die Galloitalische Familie, mit dem Lombardischen, Piemontesischen u. Emilianischen Zweige; die Ligurische, durch den Apennin vom Piemontesischen geschieden u. sich östlich bis zur Sarzana ausdehnend; die Tuskisch-lateinische Familie in zwei Zweigen, von denen der erste aus Florentinischen, Senesischen, Tiberinischen (um die Quellen der Tiber) u. dem Corsischen, der zweite aus der Römischen u. der Umbrischen Gruppe gebildet wird; die Samnitischjapygische[139] Familie, mit den Abruzzesischen, Campanischen, Apulischen u. Tarentinischen Mundarten; Bruttisch-sicilische Familie, mit dem Calabresischen (Dialekt von Cosenza), Sicilischen (Dialekt von Palermo u. Catania) u. dem Nordsardinischen (Dialekt von Sassari); die Sardische Familie, mit den beiden Zweigen von Logudoro u. Campidano. Bei dem großen Localpatriotismus, von welchem in Italien jede Provinz u. jede Stadt beseelt ist, kann es nicht befremden, daß sich nicht nur selbst die höheren Stände im gemeinen Leben ihres Localdialektes bedienen, sondern auch jede dieser Mundarten eine eigene kleine Literatur, meistens freilich nur aus lyrischen Compositionen od. aus travestirten Übersetzungen bestehend, aufzuweisen hat, worunter die Venetianische bei weitem die bedeutendste ist. (Vgl. Gampa, Serie degli scritti impresso in dialetto veneziano, Vened. 1832).

Die erwähnte allgemeine J. S. ist im 13. Jahrh. noch nicht zu völliger Sicherheit u. zum Selbstbewußtsein gelangt, da sich in den Schriften dieser Zeit noch ein Schwanken u. ein sichtbarer Einfluß provinzieller Mundarten u. auch des Provencalischen zeigt. Erst mit dem 14. Jahrh. gewinnt das Volgare das entschiedene Übergewicht u. eine feste Begründung Wenn auch schon Brunetto Latini, Gelehrter, Staatsmann u. Dichter des 13 Jahrh., der erste war, welcher sich in Florenz um die Sprache verdient machte, so gebührt doch seinem großen Schüler Dante unstreitig der Ruhm, namentlich die Sprache der Poesie mit vollem Bewußtsein ausgebildet u. für alle Zeiten fixirt zu haben. Nicht gering anzuschlagen sind auch die Verdienste, welche sich Petrarca bes. um das lyrische u. musikalische Element in derselben erworben hat. Die Sprache der Poesie ist seit Dante u. Petrarca wesentlich die nämliche geblieben bis auf den heutigen Tag. Nicht so günstig waren die Verhältnisse für die Prosa; die ersten prosaischen Schriftsteller waren ebenfalls Florentiner; unter denselben nimmt unbestritten Boccaccio den ersten Rang ein. Seine Sprache ist vortrefflich, wo er dem natürlichen Zuge seiner florentinischen Muttersprache in vielen seiner komischen Novellen folgt; wo er sich dagegen erheben will, verläßt er seinen eigenen Boden, um, durch das Studium der alten Klassiker verführt, in unnatürlicher Fülle u. steifem, schwerfälligem Periodenbau, einen Wettkampf mit dem römischen Sprachbau zu versuchen. Leider hat gerade dieser der J-n S. widerstrebende Styl bis in die neuesten Zeiten herab stets die meisten Nachahmer gefunden. Dante, Petrarca u. Boccaccio, wozu in zweiter Ordnung noch Franco Sanochetti, Giov. Villani, Passavanti u. einige Andere kommen, haben zwar mit Recht dem 14. Jahrh., welches deshalb von den Italienern Il gran secolo od. Il Trecento genannt wird, einen unvergänglichen Ruhm verliehen, allein die einseitige Bewunderung u. Nachahmung ihrer Sprache hat doch vorzüglich auf die Ausbildung der Prosa einen hemmenden u. störenden Einfluß geübt. Im 15. Jahrh., dem der klassisch-philologischen Studien in Italien, wurde der nationalen Sprache keine Förderung zu Theil; die bedeutendsten Talente vernachlässigten dieselbe u. wollten nur Latein schreiben. Selbst Bojardo schrieb in einer durch norditalienische Idiotismen verunstalteten Sprache, andere, wie Burchiello u. Pulci, in der Sprache des florentinischen Volkes od. in einer von Florentinismen starrenden Sprache. Erst gegen das Ende des Jahrhunderts zeigen sich wieder Werke in edler u. gebildeter Sprache, wie die des Lorenzo de' Medici u. des Angelo Poliziano. Da bisher fast alle berühmten Schriftsteller Florentiner gewesen waren, so stellte sich immer mehr die Ansicht fest, daß nur Florentiner, od. solche, welche sich den florentinischen Meistern knechtisch unterwürfen, zu den klassischen Schriftstellern, den Testi di lingua, gezählt werden dürfen. Als sich jedoch im 16. Jahrh. das Italienische durch Ariosto, Tasso u. Guarini zum höchsten Gipfel der Ausbildung erhob, schlossen die erbitterten Florentiner den Kreis der von ihnen als klassisch correct u. mustergültig bezeichneten Schriftsteller, u. die 1582 begründete Accademia della Crusca begann ihre Thätigkeit mit Angriffen auf Tasso, welcher aus ihrem Wörterbuche ausgeschlossen blieb. Von dieser Zeit an, etwa seit dem Anfange des 17. Jahrh., wurde der pedantische Einfluß der Crusca immer mächtiger in Italien, dem nur wenige entgegenzutreten wagten. Im 17. Jahrh., welches wenig bedeutende Schriftsteller aufzuweisen hat, sind in der Sprache zwar keine entschiedenen Rückschritte zu bemerken, doch ist auch nichts anzuführen, was der Sprache u. dem Styl irgendwie zur eigenthümlichen Ausbildung gereicht hätte. Nur die Ansprüche der Florentiner auf die Alleinherrschaft in der Sprache wurden immer lauter u. entschiedener, so wie durch die Crusca mächtig unterstützt. Das Wörterbuch der letzteren, eigentlich nur ein Idiotikon der Florentinismen in der Sprache u. fast nur aus Schriften des Trecento, namentlich von Toscanern, geschöpft, wurde als Canon aufgestellt. Die vielen Mängel dieses im engsten Municipalgeiste abgefaßten Werkes wurden unter den Zeitgenossen schon von Girolamo Gigli u. dem Grafen Magalotti gerügt, aber die späteren Ausgaben des Wörterbuchs haben keine Abhülfe gebracht u. selbst die neueste Ausgabe (s. unten) hat trotz der Mahnungen Cesarotti's u. der Kritik Monti's (Proposta di correzioni ed aggiunte al Vocabolario della Crusca, Mail. 1817, 3 Bde.) nur wenig Rücksicht darauf genommen. Seit der letzten Hälfte des 17. Jahrh. trat eine Reaction gegen den Pedantismus der Crusca ein, welche jedoch für die Sprache höchst ungünstig war, indem man zum Ausdrucke für die neuen Ideen großentheils fast ohne Vermittelung die Französische Sprache u. Darstellung aufnahm. Viele Schriften, bes. aus der ersten Hälfte des 18. Jahrh. sind in sprachlicher Hinsicht das Schlechteste, was die Italienische Literatur besitzt. Während diese antinationale Richtung bes. durch Bettinelli, Cesarotti, Algarotti vertreten wird, eiferten Andere, wie Gasparo Gozzi, um so mehr für die alte Reinheit der Sprache. Einen mittleren Weg zwischen der toscanischen Pedanterie u. dem Gallicismus schlugen der Kritiker Baretti u. die Dramatiker Goldoni u. Carlo Gozzi ein. In neuerer Zeit nahmen verhältnißmäßig ebenso wenige die Sprache der Trecento einerseits (wie Antonio Cesari), wie die französirende Richtung andererseits ausschließlich in Schutz; Dichter, wie Pindemonte u. Parini, hielten sich fern von beiden Extremen, u. Männer, wie Monti u. Perticari, erhoben sich ebenso energisch gegen die bornirten Ansichten der Crusca, wie gegen den die Sprache zerstörenden Gallicismus u. empfahlen dagegen das echte Studium der edlen, alten Vorbilder. Die meisten Dichter u. Prosaiker der neuesten Zeit, wenn auch wie Nicolini, Rosini u. A, Toscaner von Geburt,[140] meiden den einseitigen Florentinismus u. ringen nach höchster Eleganz in der Sprache überhaupt. In Bezug auf die Prosa ist noch zu bemerken, daß die Italienische Literatur kein eigentliches allgemein gültiges Muster für dieselbe besitzt. Durch das Schwanken ihres anerkannt größten Begründers Boccaccio zwischen florentinisch-plebejischer Art u. latinisirende Schwulst hat sie von Anfang an auf falsche Bahnen geleitet. Was sich hier u. da Vortreffliches findet, ist rein individueller Art; es gibt verschiedene Manieren, es hat sich aber kein Styl für die Prosa gebildet u. kein Prosaiker hat einen so überwiegenden Einfluß gewonnen, daß er allgemein als Muster u. Vorbild hätte betrachtet werden können.

Der erste Italiener, welcher Beobachtungen über die Sprache sammelte, war der Cardinal Bembo in seinen Prose, die er bereits,500 begonnen hatte, aber erst 1525 veröffentlichte, so daß die Schriften von Gianfrancesco Fortunio (Ancona 1516 u.ö.), Nicolo Liburnio (Venedig 1521) u. Marcantonio Flaminio (Bologna 1521) noch vorher erscheinen konnten. Auf den einmal gegebenen Anstoß folgten noch im 16. Jahrh. eine Menge meist aber unbedeutender grammatischer Arbeiten. Zu den wichtigsten gehören die Schriften des Giangiorgio Trissino, welcher die Orthographie regeln u. durch neue Schriftzeichen fixiren wollte; seine Bemühungen hatten aber nach langem Streite nur den Erfolg, die Buchstaben v u. j als eigenthümliche Consonanten einzuführen. Von anderen grammatischen Arbeiten übten bleibenden Einfluß auf das Studium des Italienischen: der Ercolano des Bened. Varchi (Flor. 1570), welcher den Florentinismus zur Alleinherrschaft erheben wollte; die Avvertimenti della lingua sopra il Decamerone von Lionardo Salviati (Ven. u. Flor. 1584–86, 2 Bde.), einem der eifrigsten Florentiner, welcher Boccaccio über Alle stellt. Die erste ziemlich vollständige Grammatik gab Bendetto Buommattei in seinem Buche Della lingua toscana (Flor. 1643 u.ö.), welches von der Crusca adoptirt wurde. Zur Erweiterung u. Berichtigung desselben schrieb Niccolo Amenta Della lingua nobile d'Italia (Neap. 1723–24, 2 Bde.). Eine reiche Fundgrube von Beobachtungen u. Beispielen bilden die Osservazioni della lingua Italiana (Forli 1685, Bd. 1; Ferrara 1644, Bd. 2; herausgegeben von Lamberti, Mail. 1804, 4 Bde.) von Cinonio (Antonio Mambelli), welche in alphabetischer Ordnung vom Verbum u. den Partikeln handeln. Sehr brauchbar u. lehrreich sind die Ortografla italiana (Rom 1670 u.ö.; Mail. 1830) u. namentlich Il torto e 'l diritto del non si può (Rom 1655 u.ö.; am besten Brescia 1822, 2 Bde.) von Daniello Bartoli. Die erste systematische, vollständige Grammatik sind die Regole et osservazioni des Corticelli (Bologna 1745, 1775; Reggio 1826 u.ö.); aus derselben haben fast alle Neueren geschöpft. Sonst sind noch aus neuerer Zeit hervorzuheben die Teoria e prospette de' verbi italiani conjugati (Rom 1814, 2 Bde.); Nannucci's Analisi critica de' verbi italiani (Flor. 1843); mehre Arbeiten von Antolini, Gherardini, dessen Introduzione alla grammatica italiana (Mail. 1825 u.ö.) ein gutes Schulbuch ist; Vincenzo Troya (Turin 1844) u. Antonio Semeria (Turin 1851, Bd. 1), welche einen höheren wissenschaftlichen Standpunkt einzunehmen suchen. Verdienste um die etymologische Betrachtung der Sprache haben außer Nannucci noch Ottavio Mazzoni-Toselli (Origine della lingua italiana, Bologna 1831, 3 Bde.), Giovanni Galvani (Delle genti e delle favelle loro in Italia, Flor. 1849) etc. Unter den zahllosen Grammatiken der J. S. sind nur wenige von Bedeutung, so von Flathe, Filippi, Jagemann (Lpz. 1792), Fornasari-Verce, Ad. Wagner. Franceson, Valentini, Keil u. Anderen, welche meist in wiederholten Auflagen erschienen sind; selbständig u. bedeutend sind C. L. Fernows Italienische Sprachlehre für Deutsche (Tüb. 1804, 2 Bde.; neuer Abdruck 1816), Minners Wissenschaftliche italienische Sprachlehre (Frankf. 1830) u. Blancs Italienische Grammatik (Halle 1844).

Die italienische Lexikographie beginnt ebenfalls im 16. Jahrh. mit sehr dürftigen Anfängen. Reicher als die ältesten Arbeiten von Minerbi (1535), Fabricio de Luna (1536) u. Accarisio (1543) sind die Werke von Franceso Alunno (Le richezze della lingua volgare, Ven. 1543; Della fabrica del mondo, ebd. 1546); das erste etwas vollständige Wörterbuch gab aber Pergamini (Memoriale della lingua, Vened. 1568). Das berühmte Vocabolario degli Accademici della Crusca erschien zuerst 1612 in Venedig; dieser folgten eine zweite (ebd. 1623), eine dritte bedeutend vermehrte (ebd. 1691, 3 Bde.) u. eine vierte (Flor. 1729–38, 6 Bde.); eine fünfte erscheint seit 1843 zu Florenz; sie ist zwar an Wortformen u. Beispielen außerordentlich bereichert, aber ganz im Geiste früherer Ausgaben gehalten. Das Werk erlebte eine große Anzahl von Nachdrücken, Auszügen u. Bearbeitungen; geschätzt wegen der Vermehrungen ist die Ausgabe von Neapel (1746–48, 6 Bde.); eine wahre Schatzkammer von verschollenen Wörtern u. Redensarten der von Ant. Cesari besorgte u. vermehrte Abdruck (Ver. 1806, 6 Bde.). Das erste wahre Wörterbuch der Italienischen, nicht blos der Florentinischen Sprache ist das Dizionario enciclopedico von Francesco Alberti (Lucca 1797–1805, 6 Bde.; Mail. 1834 f. 6 Bde.), welches auch zunächst die technischen Ausdrücke der Künste u. Wissenschaften aufgenommen hat. Gegen das Wörterbuch der Crusca u. dessen Bearbeitung durch Cesari richtete Monti (Opere, Mail. 1839 f., 6 Bde.) seine Proposta di correzioni ed agginati al Dizionario della Crusca (Mail. 1817–26, 4 Bde.), wodurch mehrere sehr schätzbare Schriften von Monti selbst, sowie von Niccolini, Semoli, Ferrari, Rigoli u. Anderen hervorgerufen wurden. Sonst machten sich um die Lexicographie verdient: Cardinali, Orioli u. Costa durch das Dizionario della lingua Italiana (Bologna 1819–26, 7 Bde.), das reichhaltigste aller bekannten Wörterbücher, auf das sich Ant. Parenti's Annotazioni (Mod. 1823–26, 3 Bde.) beziehen; ferner Lorenzo Nesi (Dizion. ortologico, Mail. 1825); Luigi Cairo (Dizion. universale, ebd. 1825 f.); Gius. Manuzzi (Vocab. della lingua Ital.); Antolini (Fraseologia ital., ebd. 1826); Ant. Bazzarini (Ortografla enciclopedica universale, Vened. 1824–1837, 14 Bde.); Pasquale Borrelli (Vocab. universale Italiano, Neap. 1829–40, 7 Bde.; Intorno a' principi dell' arte etimologica, ebd. 1834) u. die Wörterbücher von Ant. Maria Robiola (Tur. 1835 f.), L. Carrer u. Federiei (Padua 1827–30, 7 Bde.), Carlo Venzon (Livorno 1828, 7 Bde.), Fodratti (Tur. 1843 f.), [141] Grassi (Genua 1842 f.), G. B. Bolza (etymologisch, Wien 1851 ff.), M. Bagnolo (Panlessico ital., Vened 1844–46), G. Manuzzi (Tur. 1855–58), Trinchera (ebd. 1857 ff.). Wichtige Beiträge für das italienische Wörterbuch lieferte außer Ferd. Grillenzoni (st. 1847), G. B. de Capitani (Della lingua commune d' Italia, Mail. 1846), Gius. Gazzeri, E. Rocco, Fil. Ugolini, Mariano d'Ayala u.a., bes. Giov. Gherardini in mehreren seiner gegen die Crusca gerichteten Schriften (z.B. Manuale lessicografico, Mail. 1843; Voci e manieri di dire italiane, ebd. 1839–41, 2 Bde.; Lessigrafia italiana, ebd. 1843; Appendice alle grammatiche it al., ebd. 1843), vor Allem in seinen Supplementi a' vocabolarj italiani (ebd. 1851–59). Hierzu kommen noch viele Handwörterbücher, wie von Ant. Bazzarini (Tur. 1847), Longhi u. Menini (ebd. 1847), von Pietro Fanfani (Flor. 1855, 2 Bde.), sowie mancherlei Wörterbücher über einzelne Wissenschaften, z.B. von Gius. Grassi (Del nuovo dizion. militare ital., Flor. 1828). Über Synonymen sind die Werke von G. Grassi (Tur. 1821, Mail. 1822, Flor. 1846), Nicc. Tommaseo (Flor. 1832, 2 Bde., 1838–40, 6. Aufl. Mail. 1854) u. S. P. Zecchini (Tur. 1848) vorzüglich geschätzt. Von Girol. Rosasco's Rimario toscano besorgte Antolini eine verbesserte Ausgabe (Mail 1839). Einen Trattato dell arte oratoria gab C. Basi (2. Aufl. Flor. 1852). Von den in Deutschland erschienenen Wörterbüchern, wie von Jagemann, Kramer, Castelli, Veneroni u. Flathe, welche alle nur der Crusca folgen, ist das beste u. reichhaltigste das Gran dizionario italiano tedesco e tedesco-italiano von Valentini (Lpz. 1831–1834, 4 Bde.). Große Thätigkeit, namentlich in neuerer Zeit, entwickelten auch die italienischen Gelehrten in der grammatischen u. lexikalischen Bearbeitung der Volksmundarten. Die wissenschaftlichsten Arbeiten dieser Art lieferten B. Biondelli in den Studi linguistici (Mail. 1856) u. dem Saggio sui dialetti Gallo-Italici (ebd. 1853, 3 Bde.); den Dialekt von Piemont behandelten L. Capello (Tur. 1814, 2 Bde.) u. Michaele Ponza (Dizionario piemontese italiano, 3. Aufl. Tur. 1840; Vocabolario piemontese, ebd. 1843); das Mailändische Fr. Cherubini (Mail. 1814–56, 5 Bde.); das Veronesische Angeli (Verona 1821), den Dialekt von Brescia G. B. Melchiori (Brescia 1817–26, 3 Bde.), den von Como Pietro Monti (Mail. 1856), von Venedig u. Padua Gasp. Patriarchi (Padua 1821), von Tyrol Azzolini (Vened. 1856), von Cremona Angelo Peri (Cremona 1847–54), von Ferrara C. Azzi (Ferrara 1857), von Parma Malaspina (Parma 1856–57), von Piacenza Lor. Foresti (Piacenza 1837–42), von Genua Boselli (Genua 1844) u. Angelo Paganini (Genua 1855 ff.), von Bologna El. Erm. Ferrari (Bologna 1835, 3 Bde.), von Sicilien Vincenzo Mortiitaro (Palermo 1838–44, 2 Bde., ebd. 1856) u. G. Biundi (ebd. 1857), von Sardinien V. R. Porru (Saggio di grammatica, Cagliari 1811, Dizionario, ebd. 1832), Vittorio Angius (Cenni sulla lingua dei Sardi, Tur. 1855) u. Giuseppe Spano (Ortografia sarda nazionale, Cagliari 1840, 2 Bde.; Vocabolario Sardoitaliano, ebd. 1851–56, 2 Bde.) etc. Vgl. Fernow, Römische Studien, 3. Bd.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 138-142.
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