Kalbfleisch

1. Das Kalbfleisch stiehlt einem den Speck aus dem Wiemen (der Rauchkammer).Petri, II, 66.


2. Kalbflaisch vnd Kuh(oder Rind-)fleisch sieden nicht zugleich.Lehmann, 827, 5; Simrock, 5373; Körte, 3264a; Braun, I, 1727; Reinsberg I, 117.

Der Jüngling sollte nie eine alte Frau heirathen; auch ist es schon schwer die aufbrausende Jugend mit dem gesetzten Wesen des verständigen Mannes zur Ausführung eines gemeinschaftlichen Planes zu vereinigen.

Dän.: Kalve-kiød og oxe-kiød syde ei lige længe. (Prov. dan., 332.)


3. Kalbfleisch – Halbfleisch.Franck, II, 184a; Egenolff, 265a; Gruter, I, 52; Petri, II, 412; Lehmann, 410, 26; Schottel, 1133b; Sutor, 161; Bücking, 39; Eiselein, 358; Blum, 164; Simrock, 5381; Frischbier2, 1863.

Oft mit dem Zusatz: Junge Leute – halbe Leute. Es fehlt ihm nicht blos die Nährkraft, es ist in vielen Fällen auch ungesund. Alles in der Welt verlangt seine Reife, sein gewisses Alter, wenn es für einen bestimmten Zweck tauglich sein soll. Unerfahrene junge Leute in wichtigen Aemtern und Würden sind – Kalbfleisch. Wer ein Kind zur Gattin nimmt, wird bald genug erfahren, dass Kalbfleisch, wie im buchstäblichen Sinne, nur Halbfleisch ist. Das Kalbfleisch ist nirgends gut angeschrieben. In Toscana behauptet man, dass es, nebst jungen Hühnern und rohen Fischen, den Kirchhof fülle. Die Franzosen schreiben dem schlechtgekochten Kalbfleisch und rohen Hühnern dieselbe Wirkung zu: Veau mal cuit et poulets crus font les cimetières bossus. Die Spanier halten dafür frisches Schweinefleisch (s.d.) für schädlich. (Magazin für die Literatur des Auslandes, 1863, S. 603.) Die Engländer sagen zwar: In a shoulder of veal there are twenty and two good bits; aber es steckt nur ein Volkswitz darin, der sagt, dass darin zwanzig Bissen enthalten sind, aber nur zwei gute.

Dän.: Kalve-kiød er kun kalv kiød. (Prov. dan., 332.)

Frz.: Veaux, poullets et poissons crus font les cimetières bossus. (Leroux. I, 132; Kritzinger, 703b.)

Holl.: Calfvleisch half vleisch. (Tunn., 17, 10; Harrebomée, I, 376a.)

Lat.: Pro cibo dimidio carnes vituli reputato. (Fallersleben, 449.)


[1109] 4. Kalbfleisch hängt man nicht in den Rauch. Simrock, 5381a.

Die Jugend muss frisch genossen werden, (Grimm, V, 58.)


5. Kalbfleisch verträgt keinen Pökel.

Junge unerfahrene Leute erliegen in der Regel solchen Geschäften und Unternehmungen, die gereiftere Manneskraft und Einsicht erfordern.

Holl.: Kalfvleesch kan geene pekel verdragen. (Harrebomée, I, 376a.)


6. Kalbfleisch vnd rindfleisch seud nimmer gleich miteinander.Gruter, I, 52.


7. Kalbfleisch wird wohlfeil werden, die Kälber fallen.

Scherz, wenn jemand, besonders ein Kind, ungeschickt fällt. In England scheint es in anderer Bedeutung vorzukommen: Veal will be cheap, calves fall. (Bohn II, 60.)


8. Kalbfleysch vnd Rindfleysch schicken sich nimmer zusammen.Fischart, Ehez., in Kloster, X, 517.

»So wenig als eyn Junger vnd alter Ochs gleich in eynem Silen zusammengekoppelt ziehen.«

9. Kalfflêsk, Halfflêsk. (Ostfries.) – Bueren, 782; Frommann, VI, 285, 758; Hauskalender, III; für Hannover: Schambach, I, 345.


10. Kalfflesk würt boalle gar. (Iserlohn.) – Woeste, 71, 154.


11. Kalvflêsch, Halvflêsch; Hamelflêsch, Damelflêsch; avers up'n Ossenbrad'n müt man gôde Frünn lâden. (Lübeck.) – Deecke, 9.


12. Wer aus Kalbfleisch besteht, den muss man zu keinem Löwen bringen.


*13. Es ist noch Kalbfleisch.

Von ungebändigter oderungewitzigter Jugend. (Grimm, V, 58.)


*14. Es ist noch viel Kalbfleisch bei ihm.

Das Kalbfleisch ist an ihm noch nicht versotten.


*15. Et es noch en Hopen Kalfflesk derane. (Iserlohn.) – Woeste, 87, 124.

Mangel an Erziehung und Bildung.


*16. Et ies noch viel Kalwfleisk deranne. (Westf.) – Für Schlesien: Berndt, 32.

Er ist noch sehr kindisch.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 2. Leipzig 1870, Sp. 1109-1110.
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