Verzehren

1. Alles verzehren vor seinem End', macht ein richtig Testament.Simrock, 184; für Köln: Weyden, I, 3.

Frz.: Grande chère et petite testament.

Holl.: Even op, en de kleêren voor de doodschuld. (Harrebomée, I, 412a.)

Lat.: Cuncta manus avidas fugient haeredis, amico quae dederis animo. (Horaz.) (Binder I, 272; II, 663.)


2. Der mehr will verzehren, denn sein Pflug mag ernähren, der wird langsam zum reichen Herrn und mag sich bettlens nit erwehrn. Chaos, 680; Zinkgref, IV, 355.

Lat.: Messe tenus propria vivere. (Seybold, 305.)

Schwed.: Den mer wil tähra, än han kan nähra, får armod til löna. (Grubb, 96.) – Hvar som meer tärer, än födplogen närer, fattigdoms byrda han draga lärer. (Törning, 75.)


3. Einer verzehrt, was zehn ernährt.


4. Es lässt sich geschwind verzehren, was man langsam erworben hat.Gaal, 1619; Simrock, 10945.

Lat.: Res quaesita mora parva consumitur hora. (Gaal, 1614.)

Ung.: Mértékletessen élly; mert hamar elkél, a' mit sokáig kerestél. (Gaal, 1614.)


5. Vertêrt se mit Gesundheit, sä de Kerel, hadd Brüers verköfft.Hauskalender, III.


6. Vertzer nach deinem aufheben.Hauer, Lij2.

In dem Sinne: Strecke dich nach der Decke.

Lat.: Mese tenus propria vive. (Hauer, Lij2.)


7. Verzehr nicht vber gewinnen, es wird dir sonst zerrinnen.Henisch, 1602, 23; Schottel, 1130a; Simrock, 10944; Körte, 6299.

Frz.: Gouverne ta bouche selon ta bourse.


8. Verzehr nit meer dann du müssist ze gwünnen, oder es wird dir zeletzt zerrünnen.Bullinger, 79b.


9. Viel verzehren und nichts erwerben führt zum Verderben.

»Denn viel verzehren, nit erwerben hilfft zu armut vnd zum verderben, wie das gemeine Sprichwort sagt vnd der verdorben Reuter klagt.« (Waldis, IV, 51.) »Wer mehr will verzehren, denn sein pflug kan ernehren, der wirdt zuletzt verterben und vielleicht hungers sterben.« (Töppen, 76, 19.)

Frz.: Bien dépenser et peu gagner, c'est le chemin de l'hôpital.


[1622] 10. Viel verzehren ist wenig studiren.Petri, II, 575.


11. Viel verzehrt, viel beschwert.

Lat.: Quo minus aegrotes non extra tempora potes. (Chaos, 383.)


12. Was man heute verzehren soll, mag man bis morgen sparen, und was morgen zu schaffen ist, (soll man) heute thun.

Poln.: Co masz dziś zjeść, schownej na jutro, a co masz jutro zrobić, zrób dziś. (Čelakovsky, 131.)


13. Wer alles verzehrt zum Mittagsmahl, der findet abends die Küche kahl.

Holl.: Die all zijn kost verslindt omtrent het middagmaal, vindt, als het avond is, zijn keuken bijster schraal. (Harrebomée, II, 46a.)


14. Wer heut verzehrt, ist morgen frey vnd hat zum Schaden viel Geschrei.Petri, II, 718.


15. Wer mehr verzehrt, als er gewinnt, der muss nachher mit den Mäusen essen.Eiselein, 619; Simrock, 10946.

D.h. aus anderer Leute Häuser.


16. Wer mehr verzehrt, dann er gewinnt, vnd borget vil, das jhm zerrinnt, vnd zeucht sein Fraw eim andern vor, der thut nicht wol vnd ist ein Thor.Henisch, 1602, 35.

Mhd.: Wer mer verzert, wann im got hat beschert, es ist vil wunder gat er in bösem blunder. (Germania, II, 142a.)


17. Wer mehr verzehrt, denn er geladen hat, der fahret mit schaden zu marckt.Petri, II, 618; Henisch, 1041, 55.


18. Wer mehr verzehret, denn sein Pflug erehret, derselbig sich des Bettelstabs nicht wehret.Mathesy, 111a.

Auch: kann sich der Schuld nicht erwehren. (Mathesy, 354b.)


19. Wer mehr wil verzeren, dann sein pflug mag ereren, wie kan sich der erweren; in muss der bettel oder stegreif neren.Franck, II, 102a.

Dies Sprichwort hat bereits in einer neuern, von einem Beurtheiler angefochtenen Form unter Armuth 157 einen Platz gefunden. In der ursprünglichen Lesart konnte es erst unter dem obigen Stichwort aufgeführt werden. Diese ältere Form ist noch von besonderm sprachlichen Werth, weil sich darin das gute, alte Wort »ereren« = erackern, das sonst ganz vergessen und verschwunden zu sein scheint, erhalten hat. Grimm (Wb., III) hat wenigstens bei dem Worte ereren ausser dem obigen Sprichwort keine zweite Belegstelle beigebracht. In seiner ursprünglichen Form findet sich das Sprichwort noch bei Gruter, I, 81; III, 108; Latendorf II, 30; Loci comm., 173; Egenolff, 98a; Grubb, 97; Lehmann, 372, 127, und in neuern Schriften nur bei Eiselein, 511. In andern, sogar alten Quellenschriften ist das »ereren« schon durch »erneren« verdrängt. So lautet bei Ebstorf (21) das Sprichwort: »Wer da will mer vertern, denn sin plug kan erneren, der mot to les vorderven vnd velichte in armot sterven.« (Vgl. Schmeller, I, 97.) Auch Lehmann, II, 874, 207; Henisch, 345, 8; Schottel, 1146b; Zinkgref, III, 326; Sutor, 637, haben in dem Sprichwort schon erneren statt ereren, alle spätern, so Simrock (10947) u.a. selbstverständlich.

Dän.: Hvo meere vil fortære end hans indkomst mon være faaer bettel-staven bære. (Prov. dan., 187.)

Lat.: Qui plus expendit, que rerum summa rependit, non admiretur, si paupertato gravetur. (Loci comm., 173; Sutor, 637.) – Sumtus sensum ne superet. (Philippi, II, 205.)


20. Wer mehr will verzehren, als sein Pflug kann ernähren, der macht sich einen Strang zu seinem eignen Hang.Gaal, 1260.

Engl.: Who more than he is worth does spend, he makes a rope his life to end. (Gaal, 1260.)

Lat.: Quaestus non potest consistere, si consumtus superat.


21. Wer verzehrt über sein Gewinnen, dessen Gut wird bald zerrinnen.


22. Zwei verzehren: die Sonne das Eis, ein gut Gewissen den Kummer.


*23. Verzehren nach dem Ernähren.

Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 4. Leipzig 1876, Sp. 1622-1623.
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