Thurgau

[424] Thurgau, ein Canton der schweizerischen Eidgenossenschaft, welcher vom Rhein und Untersee, Bodensee, St.-Gallen und Zürich begrenzt wird, 121/2 ! M. umfaßt und gegen 90,000 deutsch redende Einw. hat, die sich bis auf 19,000 Katholiken zur reformirten Kirche bekennen. Er enthält, mit Ausnahme der thurgauer Alpen an der südwestl Grenze, ausgezeichnet schönes Hügelland mit fruchtbaren Thälern, Wiesen und Waldungen. An der Grenze fließt der Rhein und im Innern dient die Thur mit der Sitter und Murg zur Bewässerung. Das Klima ist gemäßigt, am Bodensee äußerst mild. Der Getreide-, Flachs-, Obst-und Weinbau blühen, Industrie, Handel und Schiffahrt nicht minder. Nach der neuen Verfassung von 1831 beruht die Souverainetät auf der Gesammtheit der Bürger. Ein großer Rath, welcher aus 77 evangelischen und 23 katholischen Mitgliedern besteht, hat die gesetzgebende Gewalt. Von dem großen Rathe werden die sechs Männer gewählt, welche den kleinen Rath bilden, der die höchste Vollziehungs-und Verwaltungsbehörde ist. Sie wählen einen Siebenten zum Präsidenten. Der große Rath erneuert sich jährlich zur Hälfte, die Mitglieder des kleinen Rathes bleiben drei Jahre im Amte, jährlich scheiden zwei aus. Den einzelnen Bezirken stehen die auf drei Jahre erwählten Bezirksvorsteher vor, welche den kleinen Rath repräsentiren. Die richterliche Gewalt üben das aus elf Mitgliedern bestehende Obergericht, das aus sieben Mitgliedern bestehende Criminalgericht erster Instanz, ein Verhörrichter mit zwei Mitgliedern (zur Einleitung der Criminalprocesse), die Bezirksgerichte, die Kreisgerichte und die Friedensgerichte aus. Der ganze Canton besteht aus acht Bezirken: Frauenfeld, Tobel, Weinfelden, Bischofszell, Arbon, Gottlieben, Steckborn und Diessenhofen. Die Staatseinnahme beträgt etwa 100,000 Gulden; zum Bundesheere hat T. 1520 Mann zu stellen und 22,800 Fr. Geldbeitrag zu zahlen. Der Hauptort des Cantons ist das Städtchen Frauenfeld mit gegen 2000 Einw. Auf dem Schlosse beim Flecken Gottlieben saßen Huß und Papst Johann XXIII. im J. 1415 gefangen. Die Benedictinerabtei Fischingen hat eine sehenswerthe Kirche. Ausgezeichnet schön sind die mit unzähligen Dörfern, Landhäusern und Schlössern besetzten Ufer des Boden- und Untersees. – Im Mittelalter begriff man unter dem Namen des Thurgaus die ganze nordöstl. Schweiz östl. von Aargau und nördl. von Rhätien. Lange Zeit wurde diese Gegend von den Zähringern im Namen des Kaisers verwaltet, nach deren Aussterben das Land unter mehre Herren getheilt wurde. Namentlich war das Haus Habsburg hier reich begütert. Im J. 1460 bemächtigten sich die Eidgenossen des Landes und beherrschten es durch Landvögte. Oestreich riß die ehemalige Hauptstadt Konstanz an sich. Nach Auflösung der alten Eidgenossenschaft im J. 1798 wurde T. als 18. Canton in die helvetische Republik aufgenommen und 1803 trat es bei Wiederherstellung der Bundesverfassung in die Rechte eines selbständigen Staats ein.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 424.
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