Entstaubungsanlagen [1]

[461] Entstaubungsanlagen dienen dazu, den Eintritt des bei vielen Betriebsarten entstehenden Staubes in die Luft der Arbeitsräume vollständig oder möglichst zu verhindern, teils um die gefährliche Einwirkung des Staubes auf die Gesundheit der Arbeiter zu beseitigen, teils um Staubexplosionen zu verhüten, teils um das etwa wertvolle Staubmaterial wiederzugewinnen.

Die schädliche Einwirkung der verschiedenen Staubarten auf den Körper ist sehr verschieden; jeder in großer Menge eingeatmete Staub schadet, da er die Menge der reinen Atemluft vermindert. Staub von Getreidemehl, Reis, Graphit ist nahezu unschädlich; Staub von Wolle, Baumwolle, Flachs, Jute, Hanf, Holz, Tabak, Kohle, Knochen, Horn, Elfenbein, Gips, Schwefel, Kaolin u.s.w. wirkt in geringem Grade reizend, indem er entweder nur bei großer Menge den Atmungsprozeß hindert oder dadurch die Schleimhaut reizt, daß er sich fest in dieselbe einlagert und nur schwer ausgeworfen wird. Durch die scharfe, kantige Form der Staubkörperchen wirkt auf die Atmungsorgane und manchmal auch auf die Augen mehr schädlich ein: der Staub von Lumpen, Haar, Fischbein, Federn, Schildpatt, von kieselstoffhaltigen Mineralien, von Metallen u.s.w. Staub von Arsen, Thomasschlacke, Schwerspat, Aetzbaryt, Blei und Bleiverbindungen, Quecksilber u.s.w. wirkt giftig. Staub kann ferner auch dadurch schädlich wirken, daß er ansteckende Krankheitskeime enthält, z.B. Tuberkelbazillen, Pocken werden bisweilen beim Lumpensortieren, Milzbrand und Rotz in Woll- und Roßhaarfabriken, Gerbereien, Pinselfabriken, Kürschnereien durch Staubeinatmung übertragen.

Zur Bestimmung des Staubgehalts der Luft hat K. Möller in Brackwede einen Apparat konstruiert, bei dem durch ein Papierfilter eine bestimmte Luftmenge gesaugt und die im Filter sich absetzende Staubmenge durch Wägung ermittelt wird. Die Staubentwicklung kann vielfach durch Befeuchtung – z.B. nach Verordnung des Bundesrats vom 26. Mai 1903 für die Oxydierkammern der Bleifarben- und Bleizuckerfabrikation, dann in Kohlengruben, beim Schleifen von Stahl- und Eisenwaren – vermieden werden; die Staubeinatmung kann durch Benutzung von Respiratoren, Schwämmen, Tüchern, die schädliche Einwirkung auf die Augen durch Schutzbrillen, Schutzmasken verhütet werden. Besser ist es, den Staub unmittelbar an der Entstehungsstelle abzufangen und mit Hilfe einer künstlichen Absaugung abzuleiten. Der abgesaugte Staub wird entweder ins Freie geblasen oder, wenn daraus Belästigungen der Umgebung entstehen würden oder das Staubmaterial wertvoll ist, in langen Kanälen, weiten Kammern, Staubsammlern, Staubfängern (Cyklonen, s. Aspiration), in Gewebefiltern aufgefangen oder in nassen Staubsammlern durch feinzerteiltes Wasser niedergeschlagen.

Die Ableitung des Staubes läßt sich um so vollständiger bewirken, je mehr die stauberzeugende Maschine oder Vorrichtung vom Arbeitsraum abgeschlossen werden kann. Manche Mahlmaschinen, z.B. Kugelmühlen, bieten schon durch ihre Konstruktion einen dichten Abschluß; auch das zeitweise Oeffnen der Fülltrichter kann dabei durch mechanische Aufgebevorrichtungen vermieden werden. Der Transport stauberzeugender Materialien läßt sich durch abgeschlossene Becherwerke und Schnecken, das Verpacken durch mechanische Füllvorrichtungen für Fässer oder Säcke und das Reinigen z.B. von Lumpen durch Klopfwölfe und Haderndreschmaschinen, von Säcken in Mühlen, Tabakfabriken durch Klopf- oder Bürstmaschinen, das Sieben und Mischen durch besondere Vorrichtungen bewirken, die gänzlich oder bis auf verhältnismäßig kleine Oeffnungen für das Einbringen und die Abführung des Materials ummantelt werden können. Die stauberfüllte Luft wird dann durch Gebläse abgesaugt; die Saugwirkung muß an den freien Stellen so groß sein, daß der Staub nicht nach außen dringt, sondern Luft aus dem Arbeitsraum mit angesaugt wird. In gleicher Weise ist die stauberfüllte Luft bei denjenigen Maschinen und Vorrichtungen zu entfernen, die nur teilweise oder gar nicht abgeschlossen werden können, z.B. Schmirgelschleif- und Polierscheiben beim Bearbeiten von Metallwaren, beim Nadel-, Glas- und Edelsteinschleifen, in Wollhut-, Kammfabriken u.s.w., bei Holzbearbeitungs- und Hechelmaschinen, Sortiersieben, Wölfen und Schlagmaschinen der Baumwollspinnerei u.s.w.

Bei der Luftabsaugung ist darauf zu achten, daß die Geschwindigkeit der nach den Absaugungsstellen hinziehenden Luft nicht so groß ist, um die Arbeiter durch Zug zu belästigen; bei nicht ummantelten Maschinen und Vorrichtungen ist die Luft stets nach abwärts abzusaugen, damit sie nicht wieder in den Atmungsbereich der Arbeiter kommt.

Um den zur Staubabsaugung mittels Gebläse (Exhaustor) erforderlichen Kraftbedarf möglichst gering zu erhalten und dadurch Anlage- und Betriebskosten zu vermindern, ist es notwendig, die Geschwindigkeit der Luftströme an den Absaugungsstellen und in den Rohrleitungen nicht größer zu erzeugen, als zur Mitführung des abgesaugten Staubes erforderlich ist; ferner sind die an den Absaugungsstellen zur Aufnahme der Staubluft anzuordnenden Oeffnungen[461] (Hauben, Kanalmündungen) zweckmäßig zu gestalten, damit die einströmende Luft ohne Wirbelbildung in die Absaugeleitungen gelangt; letztere sind unter möglichst kleinem Winkel an die Sammelleitungen anzuschließen, damit Stauungen des Luftstromes in diesen vermieden werden (Rohranschlüsse unter sehr spitzem Winkel werden von der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg nach dem Verfahren von Prandtl ausgeführt); die Sammelleitungen sind an den Stellen, wo die einzelnen Absaugeleitungen einmünden, mit stetigem Querschnittsübergang herzustellen; die zur Absaugung angeordneten Gebläse (Exhaustoren) sind zweckmäßig zu konstruieren, so daß sie großen Wirkungsgrad haben und bei der Absaugung von Spänen u. dergl. diese nicht hängen bleiben und den Exhaustor verstopfen; für die Staubsammler sind gleichfalls zweckmäßige Konstruktionen zu wählen, die geringe Luftwiderstände ergeben.

Einige Beispiele von Entstaubungsanlagen bieten die Figuren 1–3. Fig. 1 verdeutlicht die Absaugung des Staubes aus den Polierkegeln und Schleifgängen einer Reismühle nach einer Ausführung des Eisenwerks vormals Nagel & Kaemp A.-G. in Hamburg; die stauberfüllte Luft wird von Schleudergebläsen durch im vierten Geschoß aufgestellte Staubfänger gesaugt, in denen der Staub sich absetzt. Fig. 2 und 3 veranschaulichen die Anordnung der Leitungen über dem Fußboden; häufig werden sie auch in Kanälen, die im Fußboden hergestellt sind, oder in den unter den Maschinenräumen gelegenen Kellern untergebracht. Zum Anschluß der Leitungen an die Maschinen u.s.w. werden neuerdings auch dichte Metallschläuche verwendet. Die Absaugung von Sägemehl und Hobelspänen bei Holzbearbeitungsmaschinen zeigt Fig. 2; diejenige des Staubes bei Schmirgel-, Schleif- und Poliermaschinen zeigt Fig. 3; in beiden Fällen wird die Saugwirkung durch ein Schleudergebläse erzeugt, das mit den stauberzeugenden Maschinen durch Blechröhre verbunden ist.

Bei nicht ummantelten Maschinen und Vorrichtungen ist die Menge der abzusaugenden Luft sehr groß, da diese mit einer Geschwindigkeit an der Maschine u s. w. vorbeiziehen muß, die nicht genügt, um den Staub mitzunehmen. Mit dieser Luftmenge geht im Winter eine große Wärmemenge verloren, indem die von außen in gleichem Maße zudringende kalte Luft auf die Temperatur des Arbeitsraumes gebracht werden muß. Um diesen Wärmeverlust auszugleichen, wird nach dem Vorschlag von K. Möller die abgesaugte warme Luft vom Staube gereinigt und wieder in den Arbeitsraum eingeführt; die für die Arbeiter notwendige Frischluftmenge, die z.B. bei der Textil- und Tabakindustrie bedeutend geringer ist als die wegen der Staubentfernung abzusaugende Luftmenge, wird von außen zugeleitet.


Literatur: Migerka, Staubarten in Wort und Bild, Wien 1895; Albrecht, Handbuch der praktischen Gewerbehygiene, Berlin 1896; Sommerfeld, Handbuch der Gewerbekrankheiten, Berlin 1898; Rambousek, Staub im Gewerbebetriebe, Wien 1901; Roth, Kompendium der Gewerbekrankheiten, Berlin 1904; Hartmann, Arbeiterschutz, Jena 1904.

K. Hartmann.

Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 1., Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 461-462.
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