[455] Amphitheater (griech., »Rundtheater«), bei den Römern das zu den Kampfspielen der Fechter und wilden Tiere bestimmte Gebäude. Es war ursprünglich ein Zirkus, zu beiden Seiten mit Plätzen für die Zuschauer; später machte man die Arena (s. unten) rund und führte die Bankreihen stufenförmig hintereinander auf. Diese Bauten bestanden in der Regel aus einer hohen, senkrechten Außenmauer oder aus mehreren Reihen auseinander gestellter Arkaden, an deren innerer Seite die Sitze der Zuschauer treppenartig und auf Bogenwölbungen ruhend umherliefen. In gewissen Entfernungen durchschnitten Treppen alle Sitzreihen von der höchsten bis zur letzten. An jedem römischen A. war für die obersten Staatsbeamten ein besonderer Eingang und eine besondere Sitzreihe vorhanden. Der innerste, tiefste, mittelste Raum, durch Mauerwerk von den Sitzreihen und Korridoren geschieden, bildete die Bühne, die Arena. Sie war, wie das ganze Gebäude, entweder rund oder elliptisch. Um sie herum befanden sich die Behälter für die wilden Tiere und die Aufenthaltsorte für die Kämpfer (Gladiatoren). Die unterste Sitzreihe für die Kampfrichter hieß das Podium. Hier war auch der Ehrenplatz des Spielgebers und der Vestalinnen. Zunächst dem Podium waren die Sitze der Senatoren (cavea prima), dann die der Ritter (cavea media), zuletzt die des Volkes (cavea summa). Um das ganze A. zogen sich oft ein oder mehrere Säulengänge, aus denen man zu den Treppen nach den verschiedenen Sitzreihen (gradationes) durch Pforten (vomitoria) gelangen konnte. Ganz oben lief eine Galerie rundum. In den Zeiten der Republik saßen alle Stände ohne Unterschied durcheinander, in der spätern Kaiserzeit aber wurden jeder Volksklasse besondere Sitzreihen angewiesen und diese durch Schranken und Korridore (cunei) getrennt. Seit Cäsar wurden prachtvolle A. aus kostbarem Material, mit Statuen, Sitzen von Marmor und Schranken von Bronze ausgeführt. Druckwerke führten durch Röhren wohlriechende Wasser in die Höhe und ergossen sie in Nebelschauern herab. Große Tücher (velarii) spannten sich über die Sitze, um die Zuschauer vor Sonne oder Regen zu schirmen. Von 270 Amphitheatern sind noch Nachrichten oder Trümmer übrig. Nach Plinius soll das A. des Scaurus 80,000 Zuschauer gefaßt haben. Rom zählte damals neun A. von ungeheuerm Umfang; aber auch jede andre große Stadt besaß ein A., und die Großen des Weltreichs bauten A. neben ihren Landhäusern. So hatte Attilius ein solches bei Fidenä, und als es einst, von Zuschauern überfüllt, zusammenstürzte, sollen 25,000 Menschen unter seinen Trümmern begraben worden sein. Als zur Zeit des Vespasian die Darstellungen von Seeschlachten (Naumachien) aufkamen, wurde die Arena durch Kanäle und Schleusen unter Wasser gesetzt und in einen See verwandelt. Dieser Kaiser erbaute ein noch vorhandenes A. in Rom, bei dessen Einweihung 5000 (nach andern 9000) wilde Tiere sich zerfleischten (s. Art. »Kolosseum«, mit Abbildung). Von sonstigen Amphitheatern sind zu nennen: das A. von Capua, mit fast 220 m Durchmesser, dem Coliseo allein an Größe nachstehend, aber an Pracht es noch übertreffend; das Amphitheatrum ad Ligerum, unweit der Loire in Frankreich, in Fels gehauen; das A. zu Nemausus (Nimes, s. Tafel[455] »Architektur V«, Fig. 1 u. 2), mit Säulenreihen dorischer Ordnung; das zu Pola in Istrien, mit Sitzen für 70,000 Zuschauer; das A. zu Verona, mit vier Stockwerken, das einzige A. in Italien, das noch vollständig erhalten ist. Ruinen von Amphitheatern finden sich noch in Adria, Agrigent, Albano, Arezzo, Arles, Autun, Basel, Bordeaux, Brescia, Cahors, Catania, Florenz, Fréjus, Gubbio, Herculaneum, Konstantinopel, Lyon, Metz, Narbonne, Neri (wohl erhalten), Orléans, Otricoli, Padua, Périgueux, Pompeji, Pozzuoli, Sevilla, Smyrna (wohlerhalten), Syrakus, Trier, Tunis (Utica), Vienne. In modernen Theatern ist A. auch Bezeichnung für eine bestimmte Blatzreihe (»Oberring«).