Amphitheāter

[432] Amphitheāter (v. gr., röm. Ant.), ein dachloses Gebäude in ovaler Form, das mit mehreren ringsum laufenden u. stufenweis sich über einander erhebenden Spitzen versehen u. zum Schauen der, in seinem Innern gegebenen Fechterspiele u. Thiergefechte bestimmt, auch zur Abhaltung von Volksversammlungen benutzt war. Der Haupttheil eines A-s war im Innern die Arena od. Area, der mittlere freie Platz, worauf die Spiele gegeben wurden; der Boden derselben war mit klarem Sande überstreut; in der Mitte war zuweilen eine Erhöhung, wie in den Theatern die Thymele, auch bei mehreren unterirdische Gänge od. Kanäle. Die Zahl der Eingänge zu der Arena war verschieden; in dem A. zu Verona waren 2 Haupteingänge an den schmalen Seiten einander gegenüber u. neben jedem 2 Nebeneingänge. Der Bau, welcher die Arena umgab u. den Grund der Sitzreihen ausmachte, bestand gewöhnlich aus 3, durch 2 Gänge geschiedene Abtheilungen. Auf die äußerste folgten die Gänge u. jenseit derselben die, das ganze A. umgebende Porticus. Die innerste, der Arena nächste Abtheilung war eine Mauer, auf welcher die untersten Sitzstufen u. das Podium angelegt war, letzteres war eine Art Logen, wo die vornehmen Leute u. Magistratspersonen saßen. In Vespasians A. zu Rom war auf der Ostseite der Platz für den Kaiser. Unter diesen befanden sich die Ställe (Caveae) für die zu den Thiergefechten gebrauchten Thiere, u. die Eingänge für die Gladiatoren. In den nach außen folgenden Abtheilungen waren die Treppen zu den, über einander liegenden Stockwerken (Maeniana) der Sitzreihen (Gradationes). Die verschiedenen Stockwerke der Sitzstufen waren durch Gänge (Praecinctiones) von einander geschieden, aus denen man durch Pforten (Vomitoria), in die Sitzreihen gelangte; diese Pforten, deren sich in dem A. zu Verona in jedem Stockwerk 16 befanden, waren durch Thüren verschlossen. Ganz oben lief eine offene Gallerie herum. Die Außenseite zeigte etliche Reihen von Arkaden über einander, deren Pfeiler bald mit Wandsäulen, bald mit Pilastern verziert waren; das oberste Stockwerk hatte zumeist statt der Arkaden zwischen den Pilastern die volle Mauer u. in derselben abwechselnd Fenster. Die Arkaden in dem untersten Stockwerk waren Zugänge in das A. Über das ganze, offene Gebäude ward zum Schutz gegen Sonne u. Regen ein Tuch (Velarium) ausgespannt. Die Arenen konnten auch unter Wasser gesetzt werden, zur Aufführung von Seegefechten (Naumachiae), doch waren dazu auch besondere Gebäude. Die A. sind eine Erfindung der Römer; in Griechenland wurden in der römischen Zeit Stadien dazu eingerichtet. Zuerst baute (um 50 v. Chr.) C. Scribonius Curio 2 hölzerne Theater, die mit ihren Rücken an einander standen u. dann auf ihren Angeln mit den Zuschauern gedreht u. zu Einem vereinigt werden konnten. Darnach baute Julius Cäsar auf seinem neuen Forum ein A. für 80,000 Menschen. Dieß erhielt auch zuerst den Namen A., ward aber nach Beendigung der Spiele wieder abgetragen. Nachdem schon Statilius Taurus, Freund des Kaisers Augustus, ein A. aus Stein gebaut hatte (das aber klein war, nicht oft gebraucht wurde u. unter Nero zum Theil verbrannte), so ließ Nero wieder eins in der Nähe des Campus Martius aus Holz bauen, u. erst Vespasianus begann ein steinernes A. zu bauen, das sein Sohn Titus 80 n. Chr. vollendete; dieß ist das Amphitheātrum Havianum (A. Titi, A. Vespasiani), jetzt noch in Ruinen unter dem Namen Coliseum (Colosseum, wegen seiner riesenhaften Größe so genannt) vorhanden. Auf den Sitzen faßte es 85,000 Menschen, u. auf der obersten offnen Gallerie noch 20,000. Sein Umfang beträgt 1683 Fuß; die Höhe 183. Es war auch zu Naumachien (s. ob.) eingerichtet. noch zu Karls des Gr. Zeiten stand es unversehrt, jetzt in Ruinen. Außer diesem waren noch in Rom oas Amphitheatrum Balbi in der 9. Region, dem Kaiser Augustus von Balbus erbaut; das Amphitheatrum castrense in der 5. Region auf dem Esquilinus von Backsteinen, wovon noch Überreste vorhanden sind; das Amphitheatrum Trajani auf dem Marsfelde, vom Kaiser Hadrian abgebrochen. Außerhalb Rom gab es noch A. zu Adria, Albano, Arezzo, Arles, Basel, Bourdeaux, Brescia, Capua, Catanea, Cumä, Douay (in Anjou), Fidenä, Florenz, Frejus, Gubbio, Herculanum, Hispellum, [432] Lyon, Nemausus, Padua, Placentia, Pola, Pompeji, Pozzuoli, Sagunt, Syrakus, die meist noch in Ruinen vorhanden sind, u. in Verona (s.d.), welches allein noch in seinem Innern wohl erhalten ist. Vgl. Maffei, Degli Anfiteatri (bes. über das zu Verona), Verona 1728; Carli, Degli anfit., Mailand 1788; C. Fontana, Anfiteatro Flavio, Haag 1828 Fol.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 432-433.
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