[374] Edessa, 1) im Altertum Hauptstadt der nordmesopotamischen Landschaft Osroëne; schon im 8. Jahrh. von den Assyrern erobert und damals Ruhu (syr. Urhoi) genannt, heißt jetzt Urfa (s. d.). Unter Seleukos erhielt sie nach der gleichnamigen makedonischen Stadt den Namen E. und nach den vielen Quellen des dort entspringenden Skirtos (Karakojun Su) den Namen Kallirrhoë oder Orrhoë (vielleicht nur Verstümmelung des syrischen Stadtnamens). Unter Antiochos VII. Sidetes, nachdem E. auch Antiochia hieß, gründete hier Orhāi bar Chewjā 137 v. Chr. das edessenische (osroënische oder orrhoënische) Reich (ursprünglich Aryu). Zu seinen Nachfolgern, die meist den Ehrennamen Abgar (s. d.) führten und mit den Römern infolge der Partherkriege in (oft feindliche) Berührung kamen, zählte auch Abgar V. Ukomâ (der »Schwarze«; 4 v. Chr. bis 7 und 1350 n. Chr.), dem nach der Sage Jesus sein Bild übersandte, das später eine Art Palladium bildete, und unter dem der Apostel Thomas (Addai) das Christentum in E. gepredigt haben soll. Unter Trajan zerstörte 116 Lusius Quietus das ungetreue C. Kaiser Hadrian stellte es zwar wieder her; allein es blieb namentlich seit dem Partherfeldzug des L. Berus (162166) von den Römern abhängig, die es im April 216 als Colonia Marcia Edessenorum zu einer Militärkolonie machten. 217 wurde Caracalla hier ermordet. Gordianus III. setzte 242 wieder einen Abgar (XI.) ein; aber sein Nachfolger Philippus gab schon 244 Mesopotamien mit E. und Armenien dem Perser Schapur preis. 260 wurde E. von Schapur belagert und Kaiser Valerian vor den Toren der Stadt geschlagen. Während dieser Zeit und besonders nach der Teilung des römischen Reiches, wodurch E. zum oströmischen Reich kam, entwickelte sich seine Bedeutung in der Geschichte der christlichen Kirche immer mehr; schon Abgar IX. (179214) war Christ[374] geworden. Mehr als 300 Klöster sollen in seinen Mauern gewesen sein; dazu war es Sitz des Ephraem Syrus und seiner Schule. Auch in den arianischen, monophysitischen und nestorianischen Streitigkeiten spielte es eine bedeutende Rolle. 525 ließ Kaiser Justinus I. die Festungswerke wiederherstellen und nannte die Stadt E. Justinopolis. Chosroes I. Nuschirwan belagerte E. erfolglos. Die Ausbreitung des Islams, die E. 641 unter die Herrschaft der arabischen Kalifen brachte, machte der Blüte des Christentums daselbst ein Ende, und unter den nun folgenden innern und äußern Kämpfen unter dem Kalifat erlosch auch Edessas weltlicher Glanz, bis es 1040 den Seldschuken in die Hände fiel. Die byzantinischen Kaiser brachten es nochmals an sich; aber der Statthalter, den sie hinschickten, machte sich unabhängig. Im ersten Kreuzzug bemächtigte sich Graf Balduin von Flandern (s. Balduin 3), vom Fürsten Thoros zu Hilfe gerufen, 9. März 1098 der Herrschaft über die Stadt und machte E. zur Hauptstadt eines Fürstentums E., dem er Samosata und Sarudsch hinzufügte. Dieses bestand über ein halbes Jahrhundert, als Vormauer des jerusalemischen Reiches gegen die Türken, unter der Herrschaft fränkischer Fürsten, bis 1144 unter dem Grafen Joscelin II. der Atabeg von Mosul, Emad ed-din Zenki, die Stadt und Burg mit Starm nahm. Ein 1146 gemachter Versuch, das türkische Joch abzuschütteln, vollendete den Ruin der Stadt. Nach vielen Wechselfällen, die E. nacheinander in die Hände der Sultane von Ägypten und Syrien (1182) und von Rum (1234, wo es der Seldschuk Ala ed-din Kai Kobad eroberte), der Mongolen (Zerstörung durch Timur 1391), Turkmenen und Perser brachten, eroberten es 1637 die Türken, unter denen es sich wieder aus den Trümmern zu einiger Blüte erhoben hat. Vgl. v. Gutschmid, Untersuchungen über das Königreich Osroëne in den »Mémoires« der kaiserl. Akademie in St. Petersburg, 7. Serie, Bd. 35 (1887); Duval, Histoire politique, religieuse et littéraire d'Édesse (Par. 1892).
2) Stadt in Makedonien, westlich von Tessalonike in der Landschaft Emathia, ursprünglich nur Vorstadt von Ägä, die älteste Residenz der makedonischen Könige und bis zum Untergang des Reiches ihre Begräbnisstätte, ist herrlich am Eingang des nach Obermakedonien führenden Passes gelegen. In der Oberstadt befand sich außer den Tempeln des Herakles, Dionysos und Zeus auch das Theater, vor dem 336 v. Chr. Philipp II. ermordet wurde. Unter Antigonos (274) plünderten Söldner des Pyrrhos die Königsgräber. Heute heißt es Wodena (s. d.).