Fétis

[487] Fétis (spr. -tīs), François Joseph, Musikgelehrter, geb. 25. März 1784 zu Mons in Belgien als Sohn eines Organisten, gest. 26. März 1871 in Brüssel, war 1800–1803 Schüler des Pariser Konservatoriums (Rey, Boieldieu, Pradher), unternahm dann Studienreisen in Deutschland und Italien, machte eine reiche Heirat (1806), die ihm erlaubte, ganz seinen Studien zu leben, verlor aber sein Vermögen durch den Bankrott seines Bankiers und zog sich infolgedessen aufs Land (ins Departement der Ardennen) zurück, bis er 1813 zum Organisten und Professor an der Musikschule zu Douai berufen ward. 1818 begab er sich wieder nach Paris, wurde 1821 zum Kompositionslehrer und 1827 daneben zum Bibliothekar des Konservatoriums ernannt und entfaltete nun eine außerordentlich fruchtbare Tätigkeit als Lehrer und Forscher, hielt öffentliche Vorlesungen über Musik, veranstaltete historische Konzerte und begründete 1826 die »Revue musicale«, die bald durch ihre Gediegenheit die einflußreichste Musikzeitung wurde. Daneben schrieb F. noch die Musikreferate für den »Temps« und »National« und stieg schnell zu höchstem Ansehen, so daß er 1833 an die Spitze des zu reorganisierenden Brüsseler Konservatoriums berufen wurde, das unter ihm sich zum Rivalen des Pariser aufschwang. Gleichzeitig wurde ihm der Rang eines königlichen Hofkapellmeisters verliehen. Die F.' Ruhm dauernd wahrenden Hauptwerke sind seine »Biographie universelle des musiciens et bibliographie générale de la musique« (Brüssel 1837–44, 8 Bde.; 2. umgearbeitete Auflage, das. 1860–65; Supplement von Pougin, Par. 1878–80, 2 Bde.), das umfassendste biographische Tonkünstlerlexikon bis auf den heutigen Tag, und seine le ider nicht beendete »Histoire générale de la musique« (Bd. 1–4, Brüssel 1868–75; Bd. 5, Par. 1876, bis zum 15. Jahrhundert reichend). Hohes An sehen genießen auch seine theoretischen Lehrbücher, besonders der »Traité complet de la théorie et de la pratique de l'harmonie« (Brüssel 1844, 11. Aufl. 1875) und der »Traité du contre-point et de la fugue« (Par. 1825, 2. Aufl. 1846), sowie die praktischen Lehrbücher der Harmonie (das. 1824,[487] oft aufgelegt) und des Partiturspiels (1829). Noch schrieb er auch eine Elementargesanglehre, eine vergleichende Klavierschule (»Méthode des méthodes«, Brüssel 1837), eine vergleichende Gesangschule (1840) etc., ein Lehrbuch des Gregorianischen Gesangs sowie eine Menge kleiner historischer und ästhetischer Studien. Als Komponist bewies er auf allen Gebieten Geschick und Routine (7 Opern, 8 Symphonien, Kammermusikwerke aller Art, Klaviersonaten, Messen, Requiem etc.), kam aber damit über Achtungserfolge nicht hinaus. – Von seinen beiden Söhnen hat sich der ältere, Edouard Louis François F. (geb. 12. Mai 1816), seit 1838 Konservator der königlichen Bibliothek zu Brüssel, als Schriftsteller (»Les musiciens belges«, Brüssel 1849, 2 Bde.; »Les artistes belges à l'étranger«, das. 1857–65, 2 Bde., u. a.), der jüngere, Eugène F. (geb. 20. Aug. 1820 in Brüssel, gest. 20. März 1873 in Paris), als Klavierspieler und Komponist bekannt gemacht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 487-488.
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