Gemeinheitsteilung

[535] Gemeinheitsteilung (Gemeinteilung, Separation) ist die Aufhebung wirtschaftlicher Gemeinheiten durch Verteilung der in der gemeinsamen Benutzung von Gemeinden verbliebenen Ländereien unter die einzelnen Nutzungsberechtigten und durch Ablösung von Grunddienstbarkeiten; auch heißt G. das gesetzlich geordnete Verfahren, das dabei zu beobachten ist. Die G. ist in mehreren Staaten durch Gemeinheitsteilungsordnungen und Gemeinheitsteilungsgesetze besonders gefördert worden, weil man die gemeinsamen Nutzungs- und Eigentumsrechte an landwirtschaftlichem und forstlichem Gelände (Gemeinheiten) als kulturschädlich oder doch der wirtschaftlichen Entwickelung hinderlich glaubte erkannt zu haben. In diesen Gesetzen sind die Mitwirkung der Auseinandersetzungsbehörden und namentlich auch die Voraussetzungen, unter denen die etwa widerstrebende Zahl der Teilungsinteressenten zur G. veranlaßt (provoziert) und gezwungen werden kann (Teilungszwang), eingehend geregelt. Als Generalteilung bezeichnet man die G. zwischen verschiedenen Gemeinden, als Spezialteilung die innerhalb einer einzelnen Gemeinde erfolgende G. Werden sämtliche Gemeinheiten in einer Gemarkung aufgeteilt, so liegt eine allgemeine G. vor. Handelt es sich dagegen nur um eine teilweise Beseitigung der Gemeinheiten, indem nur ein Teil der Mitberechtigten aus der bisherigen Gemeinheit ausscheidet, so wird sie als partielle G. bezeichnet. Solche Gemeinheiten kommen teils als Eigentum der Gemeinde vor (s. Allmande), teils als Miteigentum einer gewissen Klasse von Gemeindeangehörigen; namentlich handelt es sich dabei um gemeinsames Weideland, um gemeinsame Forst-, Fischerei-, Torfnutzung u. dgl. Die G. ist bei Aufhebung gemeinsamen Eigentums regelmäßig eine Realteilung, d. h. jedem Berechtigten wird seine Abfindung tunlichst in Land zugeteilt. Die Erhaltung gemeinsamer Waldungen wird im Interesse der Forstkultur angestrebt. Aufteilung von Gemeindewaldungen ist meist gesetzlich verboten, solche von anderm korporativen Waldeigentum nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Gemeinheitsteilungen werden teils selbständig, teils gleichzeitig und im Zusammenhang mit Verkoppelungen ausgeführt. Vereinzelt ergingen Gemeinheitsteilungsordnungen schon im 18. Jahrh., welche die Aufhebung von Gemeinheiten auch gegen den Willen einzelner Berechtigter ermöglichten (z. B. für Schlesien Reglement vom 14. April 1771 wegen Auseinandersetzung und Aufhebung von Gemeinheiten und Gemeinhutungen; Preußisches allgemeines Landrecht, Teil I, Titel 17, § 311ff.). Allgemeiner und in größerm Maßstab wurde die Reform aber erst im 19. Jahrh. in Angriff genommen, im Fürstentum Lüneburg (Hannover) 1802, in Preußen seit 1821, in Nassau seit 1829, in den meisten andern Staaten erst später. In Preußen wurde, nachdem bereits durch königliche Instruktion vom 17. Okt. 1811 und Verordnung vom 20. Juni 1817 die Generalkommissionen, Spezialkommissionen und Revisionskollegien organisiert waren, für die sechs östlichen Provinzen die Gemeinheitsteilungsordnung vom 7. Juni 1821 erlassen (dazu Verordnung vom 28. Juli 1838; in Westfalen eingeführt durch Gesetz vom 9. Okt. 1848); sie wurde ergänzt und erweitert durch Gesetz vom 2. März 1850. Das Gesetz gab jedem Einzelnen das Recht, seine Separierung in dem vorgeschriebenen Verwaltungsweg herbeizuführen. Für die Rheinprovinz erging ein eignes Gesetz, die rheinische Gemeinheitsteilungsordnung vom 19. Mai 1851. Die wesentlichen Bestimmungen der preußischen Gesetzgebung wurden nach 1866 auf die neu erworbenen Landesteile ausgedehnt (für Kurhessen Gesetze von 1867 u. 1876, für Schleswig-Holstein und Nassau von 1876), während Hannover eine entwickelte eigne Gesetzgebung aus früherer Zeit hatte. Bis 1866 wurden in den acht alten Provinzen 15,262,100 Hektar, die 1,600,150 Besitzern gehörten, reguliert, bis 1887 (einschließlich der neuern Provinzen) 20,094,776 Hektar mit 2,093,970 Besitzern. In Braunschweig sind Gemeinheitsteilungen vollständig durchgeführt auf Grund des Gesetzes vom 12. Dez. 1834, in Sachsen nach dem Gesetz vom 17. März 1873. Für das Großherzogtum Hessen wurde bereits 7. Sept. 1814 eine Gemeinheitsteilungsordnung erlassen. In Süddeutschland war, weil hier die wirtschaftlichen Zustände und deren Entwickelung andrer Art sind, das Bedürfnis nach einer umfassenden Gesetzgebung nicht hervorgetreten. Man begnügte sich hier mit einzelnen Ablösungsgesetzen insbes. für Weide- und Streuberechtigungen (Bayern 28. Mai 1852, Baden 31. Juli 1848, Württemberg 29. März 1873). In Österreich ordnete ein Gesetz von 1768 Teilung von Gemeinweiden an, das Patent vom 5. Juli 1853 ermöglichte die Ablösung der Grunddienstbarkeiten; die G. wurde durch Gesetz vom 7. Juli 1883 geordnet, die Ausführung im einzelnen der Landesgesetzgebung überlassen. In Ungarn war die G. (Segregation) auf Antrag 1836 zugelassen. Frankreich regelte die Gemeinheiten durch den Code rural und das Gesetz vom 10. Juni 1793. In der Schweiz sind die kulturschädlichen Grundgerechtigkeiten meist durch Kantonsgesetze beseitigt. In Dänemark (außer Jütland) sind die Gemeinheiten meist bei Vornahme der seit 1781 (Gesetz vom[535] 23. April) ausgeführten Verkoppelungen verschwunden; in Norwegen auf Grund des Gesetzes vom 17. Aug. 1821. In Schweden wurde schon frühzeitig mit Separationen begonnen, ein ausführliches Gesetz 9. Nov. 1866 erlassen, das ältere Bestimmungen zusammenfaßte und ergänzte. In Schottland sind fast alle ehemaligen Gemeinheiten auf Grund eines Gesetzes von 1668 aufgeteilt, in England begann man mit Aufhebung der alten Feldgemeinschaften schon im 16. Jahrh.; 1710 wurde eine eigne Inclosurebill (inclosure, weil die separierten Grundstücke eingezäunt wurden) erlassen; doch kam die Gesetzgebung nur dem Großgrundbesitz zugute, erst seit 1845 hat sie auch dem mittlern und kleinen Besitz die G. ermöglicht. Vgl. Schöner, Handbuch in Gemeinheitsteilungs-, Auseinandersetzungs- etc. Angelegenheiten (Bresl. 1883); Großmann, Artikel G. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 3 (Jena 1892); Buchenberger, Agrarwesen und Agrarpolitik, Bd. 1 (Leipz. 1892); Glatzel und Sterneberg, Das Verfahren in Auseinandersetzungsangelegenheiten (2. Aufl., Berl. 1901); Wismüller, Geschichte der Teilung der Gemeinländereien in Bayern (Stuttg. 1904). S. auch Flurregelung.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 535-536.
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