Hermannstadt [2]

[217] Hermannstadt (ungar. Nagyszeben, spr. nádjßében, rumän. Sibjiu, lat. Cibinium), königliche Freistadt mit geordnetem Magistrat und Sitz des ungar. Komitats H. (s. oben), am Zibin, Knotenpunkt der Eisenbahnen Kis Kapus-H.-Fogaras und H.-Heltau, Alvincz-H. und H.-Roteturmpaß-Caineni; besteht aus der auf einem Hügel liegenden regelmäßigen Oberstadt (431 m ü. M., mit dem »Großen Ring«); der mit ihr auch durch Treppen verbundenen Unterstadt und drei, meist von Rumänen bewohnten Vorstädten.

Wappen von Hermannstadt.
Wappen von Hermannstadt.

Die Stadt war ehemals stark befestigt und besitzt noch 2 Basteien und 5 Türme. H. hat 11 Kirchen (4 katholische, 2 evangelische, 1 reformierte und 4 griechische), darunter die gotische Pfarrkirche der Evangelischen (aus dem 14. Jahrh.) mit 73 m hohem Turm und die ehemalige Jesuiten-, jetzt kath. Pfarrkirche. Sonstige hervorragende Gebäude sind: das Rathaus (15. Jahrh.) mit dem sächsischen Nationalarchiv, das Baron Brukenthalsche Palais (mit wertvoller Bibliothek [über 40,000 Bände j, Bildergalerie, Kupferstich-, Münz-, Antiken- und Mineraliensammlung), das Irrenhaus, das große Militär- und das Bürgerspital, das Gewerbe- und Musikvereinsgebäude und ein Standbild des Superintendenten Dan. Teutsch (von Donndorf). H. hat (1901) 29,577 Einw., darunter 16,141 Sachsen, 7106 Rumänen und 5747 Magyaren (Evangelische, Griechisch-Orientalische und Römisch-Katholische), welche regen Gewerbfleiß betätigen (Fabrikation von Tuch, Kotzen, Leder, Stearinkerzen, Spodium, Spiritus, Töpferwaren, Kinderspielzeug etc.). H. hat viele Lehrinstitute (ein Staats- und ein evangelisches und rumänisches Obergymnasium, eine evangelische Oberrealschule, Kadettenschule, ein evangelisches Landesseminar, ein griechisch-orientalisches Seminar, 2 höhere Mädchenschulen etc.) und Humanitätsanstalten (ein katholisches Waisen- und Findelhaus [Theresianum], ein evangelisches Waisenhaus, Landesirrenanstalt, 4 Spitäler etc.). H. ist Sitz eines griechisch-orientalischen Erzbischofs, eines evangelischen Superintendenten und Oberkonsistoriums, eines Militär- und Honvédkommandos, eines Gerichtshofs, einer Finanzdirektion, der sächsischen Nationsuniversität, des Vereins für siebenbürgische Landeskunde, des Siebenbürgischen Karpathenvereins und hat außer einer Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank mehrere Geldinstitute, darunter die oftgenannte (rumänische)Albina sowie ein Theater. In der Umgebung viele Eichenwälder, der Alte Berg mit Villen und Weingärten, das Bad Vizakna (Salzburg), die Dörfer Hammersdorf, Heltau, Michelsberg und der Roteturmpaß. – H. gehört zu den Gründungen jener deutschen Ansiedler, die der ungarische König Geisa (Géza) II. (1141–61) ins Land gerufen, hieß ursprünglich Villa Hermanni, war von Anfang an ein Mittelpunkt deutschen Rechtslebens in Siebenbürgen und wurde schon 1224 Vorort jener deutschen Kolonistengruppen, die der ungarische König Andreas II. zu Einem Gau vereinigte und denen er Privilegien verlieh. 1241 wurde die Stadt von den Tataren zerstört, aber neu besiedelt. Unter Ludwig 1. erlebte sie ihre erste Blütezeit; 1376 entstand die erste Zunft. Seit 1420 wurde sie oft von den Türken belagert, später auch gebrandschatzt. 1529–36 wurde H. im Kriege um die ungarische Krone von den Anhängern Johann Zápolyas belagert und nach siebenjähriger Belagerung zur Übergabe gezwungen, 1610 vom siebenbürgischen Fürsten Gabriel Báthori durch List eingenommen und geplündert. Vgl. Seivert, Die Stadt H. (Hermannstadt 1856); Zimmermann, Das Archiv der Stadt H. und der sächsischen Nation (2. Aufl., das. 1901); Teutsch, Bilder aus der vaterländischen Geschichte (das. 1895); »Führer durch H. und Umgebung« (1896).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 217.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: