Oberpräsident

[870] Oberpräsident, in Preußen der oberste Beamte der staatlichen Provinzialverwaltung (zu unterscheiden von der kommunalen Selbstverwaltung der Provinz, die der Landesdirektor leitet). Die erste Einrichtung der Oberpräsidien erfolgte durch königlichen Erlaß vom 16. Dez. 1808. Nach dem Organisationsgesetz vom 26. Juli 1880 und dem Gesetz über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 sind die Oberpräsidien bureaukratisch organisiert. Dem Oberpräsidenten steht ein Oberpräsidialrat und die erforderliche Zahl von Räten und Hilfsarbeitern zur Seite. Der O. vertritt die Staatsministerien in besonderm Auftrag und bei außerordentlichem Anlaß, insbes. im Kriegsfall und bei Gefahr im Verzug; er verwaltet unmittelbar die über den Bereich einer Regierung hinaus oder über die ganze Provinz sich erstreckenden Angelegenheiten, Anlagen und Anstalten, wie z. B. die Strombauverwaltung; er vertritt die Staatsregierung auf den Provinziallandtagen, nimmt die Rechte des Staates gegenüber der katholischen Kirche wahr und erledigt in Verbindung mit dem kommandierenden General die das Armeekorps betreffenden Militärsachen, soweit die Zivilverwaltung hieran beteiligt ist. Außerdem sind ihm besondere Aufgaben zugewiesen, wie z. B. die Ernennung der Amtsvorsteher, der Standesbeamten, die Genehmigung der Errichtung von Apotheken u. dgl. Auch ist ihm ein gewisses Polizeiverordnungsrecht eingeräumt. Der O. führt die allgemeine Aussicht über die Behörden der Provinz; er steht als Beschwerdeinstanz über den Bezirksregierungen. Dem Oberpräsidenten steht der Provinzialrat (s. Provinzialverfassung) zur Seite. Der O. von Brandenburg ist zugleich O. von Berlin, das in gewisser Beziehung nicht bloß einen Stadtkreis, sondern auch einen Regierungsbezirk und einen Provinzialverband für sich bildet. An Stelle des Regierungspräsidenten führt er die Staatsaufsicht über die Gemeindeangelegenheiten und hat auch alle sonstigen Zuständigkeiten der Abteilung des Innern der Regierung von Potsdam in bezug auf Berlin, mit Ausnahme der Verwaltung der Invaliden-, Pensions- und Unterstützungsangelegenheiten, die dem Polizeipräsidenten von Berlin übertragen sind.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 870.
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