Rochow

[40] Rochow, altes, hauptsächlich in der Mark Brandenburg begütertes Adelsgeschlecht, dessen Mitglieder in den Fehden des 15. Jahrh. eine hervorragende Rolle spielten. Dietrich I. von R. (15. Jahrh.) ward durch seine Söhne der Stammvater der vier Hauptlinien, von denen noch die Plessowsche im Adelstand und die Golzowsche im Freiherrenstand fortblüht. Der erstern gehörten an: Adolf Friedrich August von R. auf Stülpe bei Luckenwalde, geb. 26. April 1788, gest. 15. April 1869, auf dem allgemeinen Landtag 1847 Präsident der Kurie der drei Stände, und Hans Wilhelm von R., geb. 1824, gest. 18. Jan. 1891 auf Plessow, Mitglied und seit 1888 Vizepräsident des Herrenhauses, der den Polizeidirektor v. Hinckeldey (s. d.) im Duell erschoß. Dem Geschlecht gehören ferner an:

1) Friedrich Eberhard von, verdienter Volksfreund und Schulmann, geb. 11. Okt. 1734 in Berlin, gest. 16. Mai 1805 in Reckahn, besuchte die Ritterakademie in Brandenburg und nahm als Leutnant in der Gardedukorps an den ersten Feldzügen des Siebenjährigen Krieges teil. Bei Lobositz an der linken, später im Duell an der rechten Hand verwundet, trat er aus dem Heer und widmete sich auf seinen Gütern der Landwirtschaft und wissenschaftlicher Beschäftigung, später als Domherr zu Halberstadt auch der Pflege gemeinnütziger Interessen im Stiftsgebiet (Seminar zu Halberstadt 1778). Um dem Volksunterricht aufzuhelfen, errichtete er 1773 eine eigne Schule in Reckahn bei Brandenburg und nach und nach andre bei seinen Gütern Gettin, Krahne, Brückermark, die bald Musterschulen für ähnliche Anstalten wurden. Wesentlich half ihm dabei der von ihm nach Reckahn berufene H. J. Bruns (1746–94), dem er später die ehrende Grabschrift setzte: »Er war ein Lehrer!« In[40] seinem »Versuch eines Schulbuches für Kinder der Landleute« (Berl. 1772) hatte R. schon vorher eine bessere Unterrichtsmethode dargelegt und empfohlen. Als tüchtiger Volks- und Jugendschriftsteller im Sinne der philanthropischen Aufklärung zeigte er sich in seinem oft ausgelegten und nachgeahmten »Bauernfreund«, später »Kinderfreund« (Berl. 1776; neu bearb. von Schlez, Leipz. 1836). Durch sein freundliches Verhältnis zu dem Minister v. Zedlitz wirkte R. auch auf die amtliche Leitung des Volksschulwesens in Preußen ein. Besonders befürwortete er die Begründung von Seminaren behufs besserer Vorbildung der Volksschullehrer. Die »Literarische Korrespondenz des Pädagogen v. R. mit seinen Freunden« wurde neu zusammengestellt von Jonas (Berl. 1884). Eine Auswahl aus seinen Schriften gab Gansen heraus (Paderborn 1894). Vgl. Gundert, E. v. R. (in Schmids »Geschichte der Erziehung«, Bd. 4, Teil 2, Stuttg. 1898); Jahnke, Eberhard v. R., ein Wohltäter des Landvolks (2. Ausg., Berl. 1905); Reiniger, F. E. v. R., der Reformator des preußischen Landschulwesens (Langens. 1905).

2) Gustav Adolf Rochus von, geb. 1. Okt. 1792 in Neuhausen bei Rathenow, gest. 11. Sept. 1847 in Aachen, studierte die Rechte, machte dann als freiwilliger Jäger die Befreiungskriege mit, widmete sich seit 1815 der Verwaltung der väterlichen Güter und wirkte seit 1822 für eine provinzialständische Verfassung. 1823 Mitglied der Staatsschuldenverwaltung, bald danach vortragender Rat für ständische Angelegenheiten im Ministerium des Innern geworden, trat er 1831 an die Spitze der Regierung in Merseburg und wurde 1834 Minister des Innern. Wegen Kränklichkeit 1842 von der Verwaltung des Innern entbunden, blieb R. Mitglied des Staatsministeriums und des Staatsrats, dessen zweiter Präsident er 1843 ward. Seinen konservativen Standpunkt kennzeichnet das von ihm herrührende geflügelte Wort vom »beschränkten Untertanenverstand« (s. d.). Mit besonderm Eifer nahm er sich des Gefängnis- und Zuchthauswesens an.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 40-41.
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