Handeltreibende

[950] Handeltreibende, im Allgemeinen alle Personen ohne Unterschied, welche aus dem Handel ihr eigentliches Gewerbe machen; die Gesammtheit der H-n bildet den Handelsstand eines Landes, welcher sich in drei Hauptklassen eintheilen läßt: in den höheren Handel, in den mittleren Handel, in den niederen Handel. Es wird hierbei nicht nur die Größe des Waarenumsatzes, sondern auch die Art u. Weise wie der Handel betrieben wird, mit den dabei angewendeten Hülfsmitteln in Betracht gezogen. Jede dieser Klassen besteht für sich allein, obgleich auch Groß- u. Kleinhandel mit einander vereinigt sein können; ebenso können die Handlungshäuser im Betreff des Credits verschiedene Abstufungen haben, z.B. ein Haus ersten, zweiten u. dritten Ranges. Zum höheren Handel ist nur der Kaufmann im eigentlichen Sinne des Wortes zu rechnen, welcher also aus entfernten Orten große Partien von Waaren bezieht, um dieselben an seinem Orte od. nach entfernten Plätzen wieder abzusetzen, u. folglich zum Betriebe seines Geschäftes, Buchhaltung, Correspondenz, Wechsel etc., eines Handlungspersonals bedarf, so wie die höheren handelswissenschaftlichen Kenntnisse besitzen muß. Zur Klasse des Kaufmannsstandes, wie sich dieser nach den hier gegebenen Begriffen herausstellt, gehören also auch die Bankiers, die Assecuradeure, Rheder, die Handlungshäuser, welche sich mit Commissions- u. Speditionsgeschäften befassen, so wie die Fabrikanten. Der mittlere Handel wird von dem sogen. Handelsmann betrieben, welcher seine Ein- u. Verkäufe in kleinen Partien gewöhnlich in eigener Person besorgt, seine Geschäfte meistens mündlich abmacht u. folglich zu deren Führung der höheren Kenntnisse entbehren kann. Zum niederen Handel werden alle diejenigen Personen gerechnet, welche im Kleinen verkaufen (Detaillisten), u. welche wieder dem Geschäfte nach, so wie nach der Art u. Weise, wie sie es betreiben, in Stadtkrämer, Landkrämer (Dorfkrämer), Meßkrämer u. Hausirer zerfallen. Die meisten Staaten unterscheiden verschiedene Klassen der H-n mit getrennten Privilegien, Eintrittsbedingungen u. Gewerbesteuersätzen, am auffallendsten ist aber dieser Unterschied in Österreich u. Rußland. In Österreich bestehen fünf solche Klassen: a) Großhändler, nur zum Handel im Großen, zum Wechselhandel, zum Commissions- u. Speditionsgeschäft berechtigt. Die Großhändler werden wiederum in drei Klassen eingetheilt: aa) in k.k. privilegirte Großhändler, bb) in bürgerliche Großhändler, cc) in die griechischen u. türkischen Großhändler, deren Handel auf die Einfuhr türkischer, die Ausfuhr erbländischer Waaren u. den Transithandel beschränkt ist; sie sind entweder kaiserliche od. türkische Unterthanen. b) Kleinhandelsleute, welche aber auch mit allen Waaren im Großen handeln, so wie dem Commissions- u. Speditionsgeschäft obliegen dürfen (die Kleinhandlungen sind in Österreich gesetzlich noch in specielle od. Klassenhandlungen, welche nur gewisse Waarengatungen führen u. blos in den Provinzialhauptstädten bestehen dürfen, u. in generelle od. vermischte Waarenhandlungen geschieden); c) Krämer für ganz gemeine[950] u. geringe Artikel; d) Standhändler für einige geringfügige Artikel, auf offenem Platze feilgeboten; e) Hausirer. In Rußland muß jeder handeltreibende Inländer auch Bürger sein u. die H-n zerfallen in drei Gilden, welche nach dem Geldbesitz der Mitglieder klassificirt sind u. verschiedene Höhe der Steuer mit sich bringen. a) Die Mitglieder der ersten Gilde müssen 10,000 bis 50,000 Silberrubel (= ca. 10,750 bis 53,800 Thlr. preußisch) besitzen, dürfen ausländischen u. inländischen Handel treiben, sind körperlichen Strafen nicht unterworfen u. dürfen zweispännig fahren; b) die Angehörigen der zweiten Gilde melden den Besitz von 5000 bis 10,000 Silberrubel u. dürfen nur inländischen Handel treiben; c) die dritte Gilde bedingt 1000 bis 5000 Silberrubel Vermögen u. begreift die Kleinhändler. Alle Mitglieder der Gilden zahlen 1 Procent ihres angegebenen Vermögens an Steuer. Jene drei Gilden bilden die erste Klasse der Kaufleute. Die in Rußland ansässigen fremden Kaufleute heißen ausländische Handelsgäste; sie genießen, wenn sie sich einregistriren lassen, fast die nämlichen Vorrechte wie die Mitglieder der ersten Gilde, müssen sich aber des inländischen Handels enthalten. Der ausländische Handel ist in Rußland beinahe ausschließlich in den Händen Fremder. Auch in Polen wird seit 1850 die Kaufmannschaft in Gilden eingetheilt, deren erste die Großhändler umfaßt u. ihren Angehörigen eine jährliche Abgabe von 300 Silberrubeln außer den früheren Steuern auferlegt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 950-951.
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