Buchhaltung

[407] Buchhaltung im Allgemeinen heißt jede Art von Rechnungsführung über ein vorhandenes Besitzthum, das einer Ab- u. Zunahme fähig ist. Dagegen versteht man unter B. im engeren Sinne die Wissenschaft, welche die Handlungsgeschäfte nach einem geordneten Systeme verzeichnen lehrt u. zugleich übersichtlich darstellt: was u. wofür, von wem u. an wen, wann u. wieviel gegeben u. empfangen wurde. Die B. läßt sich aber auch mit demselben Nutzen auf den Staatshaushalt, auf die Verwaltung eines Gutes, einer Fabrik u. überhaupt jeglicher Art des Vermögens des Privatmannes anwenden; denn durch sie kann man zu jeder Zeit den Stand des ganzen Geschäftes u. einer jeden einzelnen Rechnung mit Leichtigkeit u. Sicherheit übersehen. Da die Handelsgeschäfte auf Haben u. Empfangen beruhen, soweit der Kaufmann neben seinem Handelscapital ein gewisses Capital von seinen Geschäftsfreunden durch den Credit besitzt, so muß bei der B. zunächst eine Übersicht (Inventur) der Activa (des verwendeten Vermögens) u. der Passiva (der Schulden) aufgestellt werden. Hat die B. nur den Zweck, das was man von seinen Geschäftsfreunden zu fordern hat, od. was man ihnen schuldet, zu verzeichnen, so heißt sie einfache B.; bezweckt sie aber außerdem noch, darzuthun, wodurch sich das Capital vermehrt od. verringert u. welche Bewandtniß es mit jedem einzelnen Geschäftszweige habe, so heißt sie doppelte od. italienische B. Durch letztere läßt sich das Rechnungsverhältniß zwischen dem Buchführenden u. jedem seiner Geschäftsfreunde, ferner der Gewinn od. der Verlust bei jeder Gattung der gemachten Geschäfte nebst einer Controle über die richtige Buchung ermitteln. Die einfache B. aber gewährt keineswegs die nöthige Übersicht in jedem Augenblick, leitet auch nicht zur Erkenntniß begangener Fehler u. ist daher nur für kleinere Kaufleute, deren Geschäft keine besondere Genauigkeit verlangt, anwendbar. Die doppelte B. ist 1504 von einem italienischen Mennoniten, Lucas Paciolo in Venedig erfunden. Jeder Posten wird doppelt notirt, einmal als Debet (activ) u. einmal als Credit (passiv) so daß Debitor u. Creditor in beständiger Beziehung bleiben. Das Wort Debet nimmt der Kaufmann stets im relativen Sinn; ebenso hat das Wort Credit eine relative Beziehung u. drückt immer das gegenseitige Verhältniß in Rücksicht auf eine Person od. Sache aus. Wenn es daher heißt: A ist Debet, so bedeutet es, A ist schuldig, u. sagt man: B ist Credit, so bezeichnet es, B hat zu fordern. Aller Empfang ist Debet u. alle Ausgaben Credit; so aller Verlust Debet u. aller Gewinn Credit, überhaupt Alles, was ich kaufe, empfange u. in meine Verwahrung nehme, wird Debet, dagegen was ich verkaufe u. ausliefere, Credit genannt. In genauer Unterscheidung dieses Credits u. Debets beruht die Hauptkunst des guten Buchhalters. Meist führt der Kaufmann ein Memorial (Prima nota, Kladde, Strazze), in welches die Geschäfte nach der Zeitfolge mit allen Nebenumständen eingetragen werden; aus diesem trägt er die Posten in das Journal ein (journalisirt sie), wo sie in Debet u. Credit monatlich abgesondert werden, u. wo jedem Conto zugeschrieben wird, was ihm gehört; ferner ein Hauptbuch, in welchem die im Journal enthaltenen Posten in ordentliche Rechnung gebracht werden, um daraus die Bilanz zu ziehen. Dieses, wie die meisten Bücher, zerfällt in mehrere Conti, u. zwar in das Capitalconto, in welchem die verschiedenen Activ- u. Passivcapitale angegeben; das Gewinn- u. Verlustconto, wo die Resultate der verschiedenen Unternehmungen eigen verzeichnet (mit einer Menge Nebenconti); das Commissions- u. Societätsconto, wo die Ergebnisse des Commissions- od. Societätsgeschäfts berechnet sind; das Bilanzconto, wo die verschiedenen Conti abgeschlossen werden etc. Außerdem wird noch ein Cassabuch (Hauptcassabuch) geführt, in welches die baaren Ausgaben u. Einnahmen eingetragen u. welches durch ein eigenes Cassaconto das Hauptbuch controlirt wird; u. endlich ein Inventarienbuch, welches die Reinschrift des Status, der über Activa u. Passiva entworfen ist, enthält. Die Differenz zwischen dem einen u. anderen gibt den reinen Besitzstand an, der auch zugleich beim Bücherschlusse mit dem Saldo des Capitalcontos übereinstimmen muß. Nach den Verhältnissen der B. werden noch mehrere Nebenbücher (Hülfs-, Auxiliarbücher) geführt, als ein Bancobuch, an Orten, wo Girobanken sind; Nebencassabücher, Einkaufs- u. Verkaufsbuch, wo die Resultate des eigentlichen Handels angegeben; Wechselbuch wo die ausgestellten u. einkassirten Wechsel angezeigt; Wechselstempelabgabenbuch, wo erstere bemerkt sind; Facturenbuch, wo die Facturen für empfangene u. abgesendete Waaren eingetragen werden; Calculationsbuch, wo der mögliche Erfolg zuvor calculirt wird; Scontrobuch, in welches zu leistende od. gefällige Zahlungen eingetragen werden; Lagerbuch, wo die Vorräthe verzeichnet; Handelsspesenconto, wo die Spesen des Geschäfts angegeben; Diverse Conti (Conto per diverse), wo die kleineren zufälligen Außenstände u. Schulden bemerkt sind etc. Alle diese Nebenbücher stehen zu dem Hauptbuch in Beziehung u. geben ihre Schlußresultate an dasselbe ab. Nach Verschiedenheit der Verhältnisse der Buchführenden u. je nachdem Jemand verschiedene Geschäftszweige betreibt, erhalten diese Nebenbücher od. eigentliche Nebenconti verschiedene Namen, doch bleiben sie sich in der Hauptsache sämmtlich gleich. Will man sich von der Richtigkeit der einzelnen Posten in einem Conto od. einem ganzen Buche überzeugen, so vergleicht man dieselben, wie sie in den correspondirenden Büchern eingetragen sind, miteinander, d.h. man punktirt sie, welches darin besteht, daß man jeden Posten, wenn er sich mit seinem Gegenposten im Debet od. Credit in Übereinstimmung stehend ergeben hat, mit Rothstift od.[407] rother Dinte am Rande bezeichnet. Auf diese Weise muß jeder Fehler gefunden werden. Irrige Posten, die man nicht findet, bringt man einstweilen auf das Conto pro errata, wo man sie, wenn sie später entdeckt werden, beim Abschluß mit in die Rechnung aufnimmt. In wie weit die Bücher vor Gericht Beweiskraft haben, wie lange diese dauert u. in welchen Fällen sie verloren geht, ist in den Gesetzbüchern der einzelnen Staaten bestimmt. In Frankreich, Belgien, Holland u. Portugal hat die Buchführung vor Gericht Geltung, wenn sie das Journal, das Inventarienbuch u. das Briescopirbuch in sich begreift, u. in Spanien noch das Hauptbuch. Im preußischen Landrechte (II. 8) heißt es: Ein Kaufmann kann sich seiner Handlungsbücher, wenn dieselben gehörig geführt sind, zum Beweise bei seinen streitig gewordenen Forderungen bedienen. In Österreich ist der Strazze, dem Journal u. dem Hauptbuch Beweiskraft beigelegt. Vgl. G. D. Augspurg, Die kaufmännische Buchführung, Brem. 1852, 2 Bde.; A. Schiebe, Die Lehre der Buchhaltung, Grimma 1853; Karl Courtin, Der praktische Kaufmann, 1846; Ditscheiner, Vollständiges Lehrbuch der einfachen u. doppelten Buchhaltung, Pesth 1854; Kurzbauer, Lehrb. der kaufmännischen Buchhaltung, 1850; Schwarzkopf, Theoretisch-praktische Anleitung zur einfachen u. doppelten Buchhaltung, 1847; Cassel, Der Kaufmann im Geschäfte u. auf dem Comptoir, 1846; Langhenie, Die doppelte kaufmännische Buchführung, möglichst erläutert u. abgekürzt, 1847; Auspitz, Die Lehre von der kaufmännischen Buchführung, Wien 1857.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 407-408.
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