Nossairier

[131] Nossairier (Nossairen, d.i. Halbchristen, auch Kesbiner, Bergbewohner, od. Ansarier, s.d. 2), Secte im Osmanischen Asien, zwischen dem Libanon u. Antiochien, in 18–20 verschiedenen Horden wohnend u. den Türken zinsbar; gutmüthig, edel, treu u. ehrlich, wahrscheinlich syrisches Urvolk, redet einen eigenthümlichen Dialekt u. ist ungefähr 60,000 Köpfe stark. Ihr Gebiet ist in dem Ejalet Saïda des Türkischen Asien, fruchtbar an Getreide, Hülsenfrüchten, Tabak, Gemüse, Seide. Ihre Oberhäupter (Mokkadems) wohnen in Bahlulie, Symrin u. Safeta. Unter Moslemin geben sie sich für Moslemin aus, befolgen aber einen eigenen Cultus. Ihr Prophel ist Nossair, welcher lehrte, daß Gott Ali Ibn Abi Taleb, in der Gestalt von 12 Imams (also in 12 Vermenschlichungen, z.B. als Abraham, Moses, die vierte, Jesus die sechste, Muhammed die siebente) auf Erden erschienen, wo er allemal Gegner fand, dann in den Himmel zurückgekehrt sei u. sich mit diesem wie mit einem blauen Schleier bedeckt, endlich sich in die Sonne zurückgezogen habe, weshalb sie die Sonne anbeten. Jesus sei nicht wirklich gekreuzigt, sondern Jemand an seiner Stelle. Sie theilen das Abendmal (Fleisch u. Wein), doch nur an Männer, aus; feiern Weihnachten, Beschneidung Christi, Palmsonntag, Tag der heiligen drei Könige, Ostern u. einige Apostel- u. Heiligentage. Mit den Schiiten erheben sie den Ali über Muhammed. Sie nehmen eine Seelenwanderung an; die Seelen der Ungläubigen wandern in Maulesel, Esel, Kameele u. Schafe. Ein verstorbener N. bedarf einer gewissen Zeit zur Reinigung u. Heiligung. Ist diese verflossen, so nimmt er von Neuem die menschliche Gestalt an, um einen zweiten Läuterungsproceß zu durchlaufen, u. erst nach diesem wird er in die Sterne versetzt; hat er aber die Vorschriften des Propheten nicht befolgt, so muß er nach seinem Tode in den Körper eines Christen od. Juden wandern. Die Moral der N. lehrt Barmherzigkeit gegen die Mitmenschen, Redlichkeit, Abscheu vor Diebstahl u. Meineid, geduldige Ertragung der Armuth u. anderer Übel, Achtung des weiblichen Geschlechts, Gutherzigkeit, Freundschaft. Von den Moslemin werden sie verachtet. Im zweiten Jahrzehend des 14. Jahrh. scheinen sie bedeutend gewesen zu sein, da 1318 ein Prophet von ihnen die Stadt Dschabbel in Syrien einnahm.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 131.
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