Percussionsgewehr

[818] Percussionsgewehr, eine Flinte, Büchse od. Pistole, deren Wesen darin besteht, daß eine mit dem Lauf in Verbindung gebrachte, leicht entzündliche Pulvermasse durch einen Schlag entzündet u. der aus ihr entwickelte Feuerstrahl der Ladung in der Seele zugeführt wird. Die Construction dieser Gewehre ist verschieden, je nachdem sie aus alten Steinschloßgewehren umgeändert od. neu gefertigt sind. Im Allgemeinen läßt sie sich in Folgendem zusammenfassen. Mit dem Lauf ist eine eiserne od. stählerne Warze (Trommel, Zündstollen) durch Verschrauben u. Löthen od. Schweißen verbunden, u. in dieselbe ein in sie mündender Zündkanal eingebohrt, welcher durch eine Schraube (Kanalschraube) geschlossen wird. In diese Warze schraubt man einen kegelförmigen, stählernen, gehärteten u. angelassenen Ambos (Zündstift, Piston) ein, welcher mit einem Gewindetheil versehen ist, über dem Gewinde eine Scheibe (Teller) zum genauen Anschluß an die Fläche des Zündstollens u. zur Verhinderung des Überschraubens hat. Darüber befindet sich ein zwei- od. vierkantiger Theil (Vierkant, Viereck) zum Ansetzen eines Pistonschlüssels beim Ein- u. Ausschrauben, u. zur Aufnahme eines Zündhütchens ein abgestumpfter 34 bis 4 Linien hoher Kegel, dessen obere Fläche die Schlagfläche heißt. Durch den ganzen Zündstift hindurch bohrt man einen Zündkanal, welcher oben eng ist u. sich nach unten zur Weite des Zündstollenkanals erweitert; der Zündstift ist in einem Winkel von circa 60° eingeschraubt. In Frankreich schnitt man 1840 bei Umänderung der Gewehre die Schwanzschraube vor dem Zündloch ab u. ersetzte das abgeschnittene Stück durch eine Kammerschwanzschraube u. befestigte den Zündstift auf den Lauf. Diese Construction verwarf man 1842, schloß das alte Zündloch durch eine Schraube u. schraubte einen kleinen stähleren Stollen zur Aufnahme des Zündstiftes in den Lauf. Diese Manier fand in Rußland Nachahmung. Einfacher bringt man bei Neuanfertigungen die. genannten Theile an der Patentschwanzschraube an. Das Percussionsschloß, dessen Mechanismus dem des gewöhnlichen Schlosses ähnlich ist, setzt einen Hammer (Hahn), zum Zerschlagen der Zündmasse in Bewegung. Dieser. Hammer besteht aus einem Fuß, welcher zur Befestigung auf der Triebwelle mit einem vier- od. sechseckigen Loch versehen ist; an den Fuß schließt sich der nach hinten gebogene Hals (Hammerstiel), an ihn der Kopf, welcher mit einer nach innen verjüngten konischen Ausbohrung (Aussenkung) versehen ist, deren Boden die Schlagfläche bildet, welche mit der des Zündstiftes bei niedergelassenem Hahn sich decken muß, zur Verhütung vom Versagen; die die Aussenkung des Kopfes umgebende eiserne Wand (Mantel) schützt gegen das explodirende Zündhütchen u. bildet einen Deckel für den Zündkanal. Ein vom Kopf abgehender, zur Handhabung mit kreuzweisen Feilenstrichen versehener Haken od. Daumengriff, od. auch knopf- od. ringförmiger Ansatz, bezweckt die leichtere Handhabung des Hahnes. Die äußere Seite des Hahnes ist zur Verstärkung gewölbt, die innere oben mit einem Ansatz versehen, welcher sich gegen das Schloßblech stemmt, um ein Überschlagen das Hahnes zu[818] verhindern, wenn das Schloß abgenommen wird. Auch die Consolschen Schlösser sind Percussionsschlösser, sie wurden 1831 bei der österreichischen Armee eingeführt u. 1842 vom Generallieutenant Baron Augustin verbessert. In das Zündloch wird ein stählerner Zündkern eingeschraubt, welcher in die Pfanne hineinreicht u. mit einem nach der Pfanne erweiterten Zündkanal versehen ist, in welchen man einen Zünder einbringt. Der die Pfanne deckende obere Theil des Deckels erhält eine Durchbohrung u. darin einen beweglichen vertical stehenden, nach der Pfanne zu geschärften Zahn mit rundem Kopf, dieser Zahn bewegt sich in einem ovalen Loch an einer Schraube; der Hahn (Hammer) hat einen Kopf ohne Aussenkung. Der niederschlagende Hammer trifft den Kopf des Zahnes u. dieser den Zünder, welcher dadurch explodirt. Bei den schwedischen u. norwegischen Kammerladungsgewehren sitzt der Zündstift senkrecht unter der Achse des beweglichen Schlußtheiles der Kammer, welche in der Verlängerung des Rohres sich befindet u. behufs des Ladens erst zurückbewegt u. dann aufgerichtet wird, die Zündung erfolgt durch einen Schlag des Hahnes von unten her. Zu den P-en gehören auch die Revolvern. Zündnadelgewehre (s.b.). Um die Gefahr des Losgehens solcher P-e zu verhindern, welche einem zufälligen Zurückziehen des Hahnes aus der Mittelruh u. Berührung des Abzuges bes. ausgesetzt sind, wie Rettercarabiner, Jagdgewehre etc., sind an dem Schloß Versicherungen od. Sicherheiten angebracht, welche entweder das Zündhütchen unmittelbar gegen den Schlag des Hahnes schützen, od. das Vorschlagen des Hahnes bis zur Pistonschlagfläche verhindern. Auch die Artillerie hat die Percussionsschlösser u. Zündungen eingeführt, 1824 wendete der Hauptmann von Metsch die Zündhütchen bei weimarischen Geschützen an, indem er den Schlag auf dieselben durch Hämmer führte, welche die Artilleristen statt der Lunte führten. 1627 führte die österreichische Schiffsartillerie die Percussionskanonen mit Schlössern ein, ihnen folgten 1629 die Hannoveraner u. Engländer, choch hat die Vervollkommnung der Frictionsschlagröhren zumeist diese Einrichtungen verdrängt. Die P-e wurden gegen 1815 in England erfunden u. kamen von da nach Frankreich, wo Pidat u. Debonbert auf die Erfindung der Zündhütchen Anspruch machten; 1822 wurden sie in Deutschland eingeführt.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 818-819.
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