Volhynien

[652] Volhynien, Gouvernement im Europäischen Rußland, zwischen Grodno, Minsk, Kiew, Podolien, Österreichisch Galizien u. Polen; 1295,17 QM.; nördlich fast ganz eben, südlich etwas hügelig, an einigen Orten morastig, überall aber fruchtbar, od. wenigstens einer ergiebigen Cultur zu gewinnen; hat keine großen Gewässer (Bug, Pripez, Styr, Horyn, Teterew, Usha, mehre doch kleine Seen), gemäßigtes Klima. Die 1,528,400 Einw. (im Jahre 1858) sind Rußniaken, Polen u. Juden, auch eingewanderte Moldauer, Deutsche, Großrussen, Zigeuner, Tataren u.a., der Religion nach meist Griechen (1,172,000), außerdem Katholiken (172,300), Juden (186,000), Evangelische (2300) u. Muhammedaner (250); theilen sich in Adel, Geistliche, Bürger u. Bauern, letztere bis vor Kurzem noch leibeigen. Beschäftigung: Ackerbau, Gartenbau, etwas Obstbau, Waldcultur (mit reichlichem Gewinn an Bau- u. Brennholz, Pech, Theer), Jagd auf Auerochsen, allerhand Roth- u. Schwarzwild, Bären, Luchse, Wölfe, Hasen etc.); außerdem gibt es auch Biber, Fischottern, allerhand Sumpfgeflügel. Von Hausvieh zieht man Pferde, Rindvieh (von sehr gutem Stamm), Schafe (zum Theil veredelt), Schweine, Bienen; Fischerei nicht unbedeutend.[652] Das Mineralreich bringt Sumpfeisen, Salpeter u. vielerlei Bausteine; auch gibt es einige Mineralquellen. Die Industrie ist auf einer noch ziemlich niedrigen Stufe, man fertigt jedoch etwas Tuch, Zeug, Leder u. Lederwaaren, etwas Porzellan. Der Handel führt Getreide, Hülsenfrüchte, Lein u. Hanf, Waldproducte, Mühlsteine, Salpeter, Glas, Vieh, Wolle, Hörner, Borsten, Wachs etc. aus. Einteilung in 12 Kreise (Dubno, Kowel, Kremenez, Luzk, Nowgrad-Wolynsk, Ostrog, Owrutsch, Rowno, Saßlawl, Shitomir, Staro-Konstantinow u. Wladimir). Wappen: ein weißes Kreuz (darin ein kleines rothes Schild mit goldenem Kreuze) auf blauem Felde. Hauptstadt: Shitomir. – B. war in frühester Zeit ein Theil von Rothreußen; Boleslaw II. eroberte es 1074 für Polen; Gedimin, Großherzog von Lithauen, riß es zu Anfang des 14. Jahrh. von Polen los u. vereinte es mit Lithauen. König Kasimir II, von Polen nahm es aber den Lithauern 1365 wieder ab u. Wladislaw II. Jagello belehnte, als er König von Polen geworden war, den Prinzen Sigismund, den Bruder des Großherzogs Witold von Lithauen, mit V., nur sollte es nach dieses Fürsten Tode wieder an Polen zurückfallen. König Kasimir IV. schenkte V. seinem Oheim Suidrygailo. Als endlich aber ganz Lithauen der Krone Polen 1569 einverleibt wurde, kam auch V. völlig an dasselbe, mit welchem es nun alle Schicksale bis zu Polens Theilungen theilte. 1796 nach der dritten Theilung Polens wurde V. russisches Gouvernement.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 18. Altenburg 1864, S. 652-653.
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