[840] Wanderschaft, das Reisen eines Handwerksburschen, um als Gehülfe auswärtiger Meister seinen Lebensunterhalt zu verdienen u. um sich in seiner Profession zu vervollkommnen. Die Gesetze, worin die gesammten Vorschriften eines Staates über das Wandern der Handwerksbursche enthalten sind, heißen Wanderordnungen. Bei den Innungen mußte u. muß zum Theil noch Jeder, welcher Meister werden will, drei bis vier Jahre gewandert haben, od. um Dispens von diesen Wanderjahren (Wanderzeit) bei der vorgesetzten Behörde nachsuchen; doch sind den Söhnen der Handwerksmeister, wenn sie das väterliche Handwerk ergreifen, od. den durch Kriegsdienst am Wandern behinderten Handwerksgesellen, ingleichen oft denen, welche in technischen Schulen für ihr Handwerk gebildet sind, gewisse Begünstigungen rücksichtlich der W. gegönnt. Die Wanderung muß mindestens außerhalb der Provinz, wo der Handwerksgeselle geboren ist od. seine Profession gelernt hat, in vielen Staaten sogar außerhalb Landes geschehen. Zuweilen ist den Gesellen eines Handwerks vorgeschrieben, wohin sie wandern müssen, namentlich an Orte, wo ihr Handwerk stark betrieben wird. Die Wanderbursche[840] erhielten sonst, nach dem Reichsgesetz von 1731, zu ihrer Legitimation auf der W. eine Kundschaft, u., wenn sie es verlangten, beglaubte Abschrift ihres Lehrbriefes. Dadurch wurde auf die Abschaffung des keineswegs zur sicheren Legitimation dienenden Handwerksgrusses hingewirkt. Der Zunftgeist widersetzte sich dieser Abschaffung jedoch u. unterschied die wandernden Gesellen, welche jenem Gesetze folgten, Briefträger, von den orthodoxen Geleiten Grüßern. Mißbrauch des Wanderns zum Betteln u. Vagabundiren veranlaßte verschiedene Beschränkungen u. polizeiliche Maßregeln. Dahin gehörte zuerst die Einführung der Wanderbücher, diese vertraten die Stelle des Passes od. der Kundschaften u. legitimirten den Handwerksgesellen zum Wandern. Das Wanderbuch enthält zunächst die Erfordernisse eines jeden Passes, z.B. ein vollständiges Signalement des Wandernden, die Angabe des erlernten Handwerks u. ein Zeugniß über seine Aufführung unter obrigkeitlicher Unterschrift u. Siegel. Die Aufführung u. Arbeitsdauer muß auch von der Obrigkeit od. dem Handwerke jedes Ortes, wo der Geselle in Arbeit gestanden, auf den leeren Blättern vermerkt werden, welche zum Behufe der darauf zu bringenden Visa hinter der Legitimation im Buche angebracht sind. Die Wanderbücher sind großentheils im ersten Decennium des 19. Jahrh., z.B. 1808 in Baiern, 1810 in Sachsen etc. eingeführt worden. Seit dem dritten Decennium des 19. Jahrh. besteht die Vorschrift in den mehrsten deutschen Staaten, daß jeder wandernde Handwerksbursche, welcher nicht ein gewisses Reisegeld, in der Regel ungefähr 3 bis 5 Thaler, beim Eintritt in das Land vorzeigen kann, zurückgewiesen wird; dann, daß er, wenn er an einen Ort kommt, sogleich nach Arbeit sich umthun muß, u. erhält er diese nicht, sich sogleich wanderfertig machen u. abreisen muß. Durch den Bundestagsbeschluß vom 15. Jan. 1835 wurde das Wandern zu einem besonderen Gegenstande der gesammten deutschen Polizei erhoben u. nach gewissen, politisch anrüchigen Ländern, namentlich der Schweiz, verboten (s. Deutschland S. 66 u. Schweiz S. 652). Vgl. Gewerbe u. Zunft.