[448] Colonien, Ansiedelungen und Niederlassungen, werden Orte und Länder genannt, wo fremde Ankömmlinge sich niedergelassen haben, die davon die Namen Colonisten, Ansiedler und Pflanzer, erhalten. Die Veranlassung dazu kann eine freiwillige, vielleicht von der Hoffnung auf erleichterten Lebensunterhalt bedingte, oder eine nothgedrungene, wie z.B. bei den im 17. Jahrh. wegen Religionsbedrückungen auswandernden Franzosen (s. Cevennen), von denen auch in Deutschland Colonien angelegt wurden, oder auch eine gezwungene sein, wie bei aus ihrem Vaterlande Vertriebenen und Verbannten. Es kann aber auch einem Staate vortheilhaft erscheinen, einen Theil seiner Bürger zur Anlegung eines Tochterstaates abzuschicken, der dann wie eine Provinz des ältern oder Mutterstaates anzusehen ist. In einem unbewohnten, noch keinem Staate angehörenden Gebiete bedarf es natürlich keiner Erlaubniß zur Gründung einer Niederlassung, innerhalb der Grenzen eines Staates aber wird die Bewilligung und das etwaige Grundeigenthum durch Verträge, Kauf, Schenkung oder Gewalt erworben. Die meisten Colonien sind von jeher durch seefahrende [448] und erobernde Völker in herrenlosen oder in eroberten Gebieten angelegt worden. Die erstern bedurften im Alterthume, wo man nur die Küstenschiffahrt kannte, Zufluchtsorte, Häfen und sichere Niederlagen für ihren Handel mit fremden Ländern, und Niederlassungen der beiden größten Handelsvölker der alten Welt, der Phönizier und Karthager, umgürteten gewissermaßen das mittelländ. Meer; ebenso gab es griech. Colonien in Kleinasien, an den Gestaden des schwarzen Meeres, an den afrik., sicil., ital. und sardin. Küsten. Rom stiftete als erobernder Staat Colonien zur Belohnung seiner Krieger, Versorgung armer Bürger und zur Bewahrung der eroberten Städte, deren Bevölkerung verpflanzt und durch Römer ersetzt wurde. Nachdem fast alle diese Colonien, die fruchtbaren Pflanzschulen griech. und röm. Cultur, während der Völkerwanderung zerstört worden waren, kamen seit dem 8. Jahrh. aus O. die Araber, von religiösem Fanatismus getrieben, und breiteten sich über die Nordküste von Afrika und die westl. Spitze von Europa aus; die Abenteuer suchenden Normannen aber gründeten im S. auf Sicilien, im N. bis nach Island und Grönland Niederlassungen. Die Kreuzzüge wurden Veranlassung, daß Genua am schwarzen Meere, Venedig im Archipel für den Handel mit Asien höchst wichtige Colonien erwarben, welche jedoch später an die aus Asien andringenden Türken verloren wurden. Im 15. Jahrh. begannen die Entdeckungen der Portugiesen an der Westküste von Afrika, welche endlich die Auffindung des Cap (s.d.) und des Seewegs nach Ostindien zur Folge hatten, wo sie 1563 zuerst auf Malabar, später an vielen vortheilhaften Orten Colonien anlegten; Dasselbe geschah auf den afrik. Küsten und Inseln und in dem 1500 entdeckten Brasilien (s.d.), dessen Wichtigkeit sich aber erst später herausstellte. Die Entdeckungen Colombo's (s.d.) führten seit 1492 die Erwerbungen der ehemaligen reichen Besitzungen Spaniens in Westindien und Mittelamerika herbei, und 1580, wo Portugal mit Spanien vereinigt wurde, nahm letzteres auch die portug. Niederlassungen in Besitz. Allein jetzt wurden die Holländer seine gefährlichen Nebenbuhler, denn als ihnen während ihres Kampfes gegen die span. Herrschaft der Verkehr mit Lissabon erschwert wurde, von wo sie das übrige Europa mit ostind. Waaren versorgten, schifften sie seit 1595 selbst nach Ostindien, siedelten sich dort an, bemächtigten sich allmälig sämmtlicher portug. Besitzungen, Goa ausgenommen, besetzten seit 1610 das Vorgebirge der guten Hoffnung und faßten auch auf einigen westind. Inseln und dem amerik. Festlande in Surinam festen Fuß. Minder glänzend begann Großbritannien ungefähr um dieselbe Zeit die Erwerbung von Colonien, denn obgleich schon 1591 brit. Schiffe nach Indien gesegelt, auch 1600 und 1698 ostind. Handelsgesellschaften gestiftet worden waren, beschränkten sich doch 1708, wo die erwähnten Handelsgesellschaften sich verschmolzen, die engl. Besitzungen in jener Weltgegend auf Madras, Kalkutta und Bencoolen. Allein seit einem Jahrh. haben sich die Briten ein ungeheures Gebiet in Ostindien (s.d.) unterworfen und alle andern fremden Mächte überflügelt. Ihre ebenfalls seit Anfang des 17. Jahrh. in Nordamerika gegründeten Niederlassungen erreichten nicht minder, zwar weder durch Schätze des Bergbaus, noch durch Handel, sondern durch die landwirthschaftliche Thätigkeit fleißiger und aufgeklärter Einwanderer, welche der bürgerlichen Unruhen wegen Schottland und England verließen, eine große Ausdehnung. Dazu kamen noch seit 1625 mehre Niederlassungen auf westind. Inseln, die zum Theil den Spaniern entrissen wurden und 1763 außer andern Gebieten die Erwerbung Canada's (s.d.) von Frankreich. Indessen verlor es in Folge des Aufstandes und der Unabhängigkeitserklärung von 13 seiner nordamerik. Provinzen nach einem vergeblich von 1775–83 darum geführten Kriege alle die Gebiete, aus denen der erste unabhängige Staat der neuen Welt, die Vereinigten Staaten von Nordamerika (s.d.) entstand. Schon 1788 begann Großbritannien die täglich an Wichtigkeit zunehmende Colonisation Australiens durch Stiftung der Ansiedelung von Botanybay (s.d.) und die franz. Revolutionskriege gaben ihm ebenfalls Gelegenheit, seine Colonien durch Eroberungen vorzüglich auf Kosten der Holländer und Franzosen zu vermehren. Frankreich erwarb erst 1664 durch Kauf von Privatansiedelungen auf den westind. Inseln Guadeloupe, Martinique u.a., dann durch Ansiedelungen in Cayenne, Canada und den seit 1697 aus den Räubersitzen der Flibustier (s.d.) auf Haiti entstandenen Besitzungen, Colonien; auch wurden in Ostindien die Niederlassungen Pondichery (1670), an der Ostküste Afrikas Isle de France und Bourbon (1720) gegründet. Indessen gediehen nur die westind., allein auch von diesen wurde Haiti (s.d.), sowie der größte Theil des franz. Colonialgebiets bald verloren, das jedoch seit 1830 durch Algier (s.d.) eine neue und wichtige Vermehrung erhalten hat. Unter den andern europ. Seestaaten besitzt nur Dänemark eine Niederlassung in Indien, nämlich Stadt und Gebiet von Trankebar, das ursprünglich von einer Handelscompagnie erworben, 1777 aber an die Krone abgetreten wurde, was auch 1754 mit den westind. Inseln St.-Thomas, St.-Jean und St.-Croix geschehen war, welche ebenfalls bis dahin einer Handelsgesellschaft gehörten; endlich gründeten die Dänen 1721 auch Niederlassungen in Grönland. Schweden hat 1784 die kleine Insel Barthélemy in Westindien von Frankreich erworben, Rußland aber legte seit 1787 wegen Pelzhandel und Fischerei Ansiedelungen auf den Kurilen, Aleuten und den Westküsten Amerikas an, das südl. Rußland aber enthält unter andern auch viele deutsche Colonien; Östreich versuchte ebenfalls im letzten Viertel des 18. Jahrh. eine Niederlassung auf den nikobarischen Inseln in Ostindien zu stiften, die aber, gleich einer 1682 von Preußen an der Küste von Guinea gegründeten Colonie, bald aufgegeben wurde.
Bis Ende des vorigen Jahrh. hatte man bei der Verwaltung der Colonien nur die Bereicherung des Mutterlandes im Auge, dem man auch den alleinigen Verkehr mit denselben zu sichern suchte. Ja dieser wurde sogar ausschließlich bevorrechteten Handelsgesellschaften überlassen, die durch willkürliche Preise der beiden Theilen nur von ihnen zugeführten Bedürfnisse beide bevortheilten und doch selbst nicht dabei gewannen, weil die Verwaltungskosten und nur zu oft der Betrug ihrer Beamten ihren Gewinn noch überstiegen. Dabei wurden die Eingeborenen meist wie Sklaven (s.d.) betrachtet, und wo es deren nicht genug gab, unglückliche Neger aus Afrika eingeführt, was auch noch hier und da geschieht, ungeachtet sich alle christliche Mächte zur Unterdrückung [449] des Sklavenhandels verbunden haben. Erst in neuester Zeit hat man eingesehen, daß Freiheit des Verkehrs für die Colonien wie für den Mutterstaat gleich ersprießlich sei, und Großbritannien sprach 1822 zuerst die Freiheit des Colonialhandels aus. Dieser zerfällt in den Zwischenhandel mit den außereurop. Ländern, in den Zwischenhandel Europas mit den Colonien und den Handel in Europa mit Colonialwaaren, wie man im Allgemeinen die Bodenerzeugnisse der amerik., west- und ostind. Colonien, namentlich Kaffee, Zucker, Reis, Gewürze, Thee, Specereien, Baumwolle, Färbe- und Tischlerhölzer u.s.w. nennt. Anfänglich galten diese Dinge für Luxusartikel, allein gegenwärtig sind viele derselben allgemeine Bedürfnisse, selbst der Armen, in Europa, und der Handel hat dadurch einen vorher nie gekannten Umschwung erhalten. Die ganze Welt ist in eine wechselseitige Berührung gekommen, welche auch für die Verbreitung von Geistesbildung und Cultur von der höchsten Wichtigkeit ist; Europa aber verdankt dem Wetteifer im Verkehr mit den überseeischen Colonien einen großen Theil der Höhe, welche Gewerbfleiß und Industrie jetzt erreicht haben.
Buchempfehlung
Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.
70 Seiten, 5.80 Euro