Jena

[491] Jena, eine Stadt im Großherzogthume Sachsen-Weimar, liegt in einer herrlichen Gegend am linken Ufer der Saale, welche hier die Leutra aufnimmt und über die eine lange steinerne Brücke führt. Sie hat etwa 5500 Einw., einige Gewerbe, Acker- und Weinbau, und ist Sitz des Oberappellationsgerichts für alle sächs. Herzogthümer und die reuß. Fürstenthümer. In der Nähe liegen auf den Bergen [491] mehre Ruinen, unter andern der sogenannte Fuchsthurm auf dem Hausberge, ein Überbleibsel der drei Burgen Kirchberg. I. ist berühmt durch seine Universität, welche den sächs. Herzogthümern gemeinschaftlich ist, aber unter der besondern Leitung von Weimar und Koburg-Gotha steht. Nach der Schlacht bei Mühlberg, die Kurfürst Johann Friedrich gegen Kaiser Karl V. verlor, beauftragte er seine drei Söhne, in I. eine Hochschule zu gründen, die eine Stütze der reinen lutherischen Lehre werden sollte. Sie wurde bald stark besucht, erhielt aber erst 1558 vom Kaiser Ferdinand I. Bestätigung und Privilegien. Seitdem hat sie stets ausgezeichnete Lehrer gehabt, besonders in Philosophie und Theologie. Von jenaischen Studenten ging der Plan zum Wartburgsfeste und zur Burschenschaft aus. Die Universität wird gegenwärtig in der Regel von etwa 500 Studirenden besucht, hat eine Bibliothek, besondere Institute für Thierarznei, Pharmacie und Landwirthschaft, einen botanischen Garten, ein ausgezeichnetes Mineraliencabinet und andere Anstalten.

Historisch merkwürdig ist I. durch die Schlachten bei Jena und Auerstädt am 14. Oct. 1806. Preußen hatte unter dem Herzog Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig, einem 72jährigen Greise, sein Heer in Thüringen concentrirt, und dieser schickte sich am 8. Oct. 1806 an, seine ohnehin nicht gut verpflegte Armee über den Thüringerwald nach Franken und dem Maine zu führen und zwar in drei Abtheilungen. Der linke Flügel, aus 30,000 M. Preußen und 20,000 Sachsen bestehend, vom Fürsten Friedrich Ludwig von Hohenlohe-Ingelfingen befehligt, sollte über Saalfeld, Schleiz und Hof vorrücken; das Centrum wollte der Herzog selbst über das Waldgebirge nach Würzburg führen; der rechte Flügel sollte den Thüringerwald umgehen und über Eisenach marschiren. Als am 9. Oct. von Seiten Preußens der Krieg an Frankreich erklärt wurde, war auf dem linken Flügel schon Blut geflossen, nämlich am 8. Oct. bei Saalburg; denn der Großherzog von Berg war über die Saale gegangen und hatte die Preußen zurückgedrängt. Am 9. schlug sich Tauenzien mit 9000 M. bei Schleiz gegen Murat und Bernadotte, die ihn abgeschnitten und umringt hatten, sehr wacker und kam durch, während 64,000 Franzosen unter Davoust und Wrede in Hof alle Magazine nahmen. Am 10. wurde der Vortrab der hohenlohischen Heeresabtheilung, von dem ritterlichen Prinzen Ludwig von Preußen befehligt, 8000 M. stark, bei Saalfeld von 30,000 Franzosen unter Lannes und Augereau angegriffen, gänzlich geschlagen und der heldenmüthige Prinz selbst blieb. So war schon jetzt die preuß. Armee auf ihrem linken Flügel umgangen, bloßgestellt, und dem Feinde lag die Straße nach Dresden und Berlin frei und offen. Am 13. Oct. besetzte Davoust Naumburg und Murat sandte Streifcorps bis Leipzig. Indessen litten die Preußen, da viele Vorräthe verloren gegangen waren, Mangel. Der rechte Flügel marschirte eilig von Eisenach auf Weimar zurück; am 13. kam Napoleon in I. an und der Herzog zog an demselben Tage nach dem drei Meilen von Weimar entfernten Dorfe Auerstädt, um den Übergang über die Unstrut bei Freiburg und die Verbindung mit der bei Halle stehenden, vom Prinzen Eugen von Würtemberg befehligten Reserve zu sichern, denn die Saalpässe bei Naumburg waren bereits in den Händen des Feindes. Um den Herzog zu decken, stellte Hohenlohe sich auf den Höhen am linken Saalufer bei I. auf, während Rüchel von Erfurt her sich ihm nähern sollte. Allein Hohenlohe ward durch Bernadotte, der eine Bewegung gegen Dornburg machte, vom Herzoge getrennt denn er hatte unverzeihlicherweise versäumt, außer der Landstraße auch die Schluchten zu besetzen, welche aus dem Saalthale auf die Hochebene führen, während der Herzog seinerseits den Engpaß bei Kösen ohne Schutz gelassen hatte. So waren die Preußen schon vor der Schlacht besiegt. Am Morgen des 14. Oct., in dichtem Nebel, führte Napoleon 80,000 M. ins Feuer. In drei Treffen wurden die Preußen geschlagen, bei Klosewitz unter Tauenzien, bei Vierzehnheiligen unter Hohenlohe, bei Kapellendorf unter Rüchel, und es wurden hier, bei I., 50,000 M. völlig auseinandergesprengt. Von Auerstädt aus setzte sich an demselben Tage der Herzog, bei welchem sich der König befand, auch seinerseits mit 50,000 M. gegen Davoust, der den kösener Paß besetzt hielt, in Bewegung, wurde aber bei Hassenhausen völlig geschlagen, verwundet, und Möllendorf übernahm nun den Befehl, um den Rückzug zu decken. Aber die in Verwirrung gerathenen Preußen waren von Halle abgeschnitten, sie mußten sich auf Umwegen in kleinen Scharen über den Harz flüchten und erreichten zum Theil zwölf Tage später Magdeburg und die Elbe. Die preuß. Armee hatte bis zum 14. Oct. Abends 56,000 M. an Todten, Verwundeten und Gefangenen eingebüßt; am 16. ergaben sich in Erfurt 16,000 M. unter Möllendorf und dem Fürsten von Oranien, an Murat, am 18. wurde die 10,000 M. starke Reserve bei Halle von Bernadotte überfallen, 5000 M. wurden gefangen und Lannes besetzte am 25. Oct. Berlin, wo Napoleon am 27. eintraf. Der Herzog von Braunschweig floh nach Ottensen bei Altona, wo er am 10. Nov. starb. Die Trümmer des Heers hatten sich bei Magdeburg gesammelt und Hohenlohe suchte mit ihnen die Oder zu erreichen; allein am 28. Oct. ward er bei Prenzlau von Lannes und Murat eingeschlossen und mußte mit 17,000 M. capituliren. Dasselbe zu thun sahen sich am folgenden Tage 6000 M. Reiterei bei Pasewalk genöthigt und Romberg übergab Stettin an die Franzosen. Am 31. Oct. ergaben sich weitere 4000 M. bei Anclam und Ingersleben öffnete die Thore Küstrins; Mortier andererseits besetzte das neutrale Hessen, entwaffnete es, und das regierende Haus hatte aufgehört zu herrschen. Ebenso wurde am 26. Oct. Braunschweig occupirt, ferner Hanover, die Hansestädte und Mecklenburg, und am 6. Dec. Oldenburg. So war nun das ganze nördl. Deutschland in den Händen des Feindes. Auf seiner Flucht hatte Hohenlohe den Oberbefehl der Reserve an Blücher übergeben; dieser sollte die Oder erreichen, nach dem Unglücke bei Prenzlau aber suchte er durch eine Seitenbewegung den Feind von der Oder zu entfernen, damit die Preußen sich dort in den Festungen sammeln könnten. Er marschirte daher nach Mecklenburg, stieß dort, bei Dambeck, mit dem Herzoge von Braunschweig-Oels zusammen und zog, stets von den Franzosen verfolgt, nach der untern Elbe zu. Am 5. Nov. besetzte er Lübeck, das aber am 6. von Bernadotte, Soult und Murat gestürmt wurde, und am 7. mußte er sich bei Ratkow mit 10,000 M. ergeben.

So war das ganze preuß. Heer binnen ein Paar Wochen völlig vernichtet. Daß Friedrich des Großen Geist entwichen war, zeigte die schmälige Übergabe aller Festungen; nur das einzige Kolberg hielt sich. Am 19. Nov. ergab sich Schöler in [492] Hameln, am 25. Strachwitz in Nienburg; das Allerschimpflichste aber war, daß General Kleist den Hauptwaffenplatz der Monarchie, das reichlich verproviantirte Magdeburg, mit einer 20,000 M. starken Besatzung am 8. Nov. fast ohne Schwertstreich an nur 10,000 Franzosen unter Ney übergab. Alles Land zwischen Rhein und Oder, mit 9 Mill. Menschen fiel, in Folge der Schlacht bei I., in des Feindes Gewalt. Der alte Waffenruhm des preuß. Volks war völlig erloschen, aber nur, um sich nach wenigen Jahren in desto herrlicherm Glanze wieder zu verjüngen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 491-493.
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