Karthago

[568] Karthago war die wichtigste Stadt Afrikas im Alterthume, die Hauptstadt einer mächtigen Republik, welche einen sehr ausgebreiteten Handel trieb und eine lange Zeit mit Rom um die Weltherrschaft kämpfen konnte. Ihr Gebiet wurde auch das eigentliche Afrika oder Libya genannt, denn die Alten rechneten Ägypten noch zu Asien. Karthago, die Stadt, lag auf einer Halbinsel ohnweit von dem heutigen Tunis, war groß und schön gebaut und hatte 5–6 Meilen im Umfange, und zur Zeit seiner schönsten Blüte gegen 700,000 Einw. Andere berühmte Städte in dem Gebiete K.'s waren Utica, Tunes, Adrumetum und andere. Der Ursprung K.'s ist ganz in Mythen gehüllt, aus denen nur soviel mit Gewißheit hervorzugehen scheint, daß es eine Pflanzstadt der Phönizier war. Dido, heißt es, soll nach der Ermordung ihres Gemahls, des reichen Sichäus, vor ihrem Bruder Pygmalion, König von Tyrus in Phönizien, welcher des Sychäus Schätze an sich zu reißen trachtete, geflohen sein. Da sie nur Männer an Bord ihrer Schiffe genommen hatte, so nahm sie auf Cypern noch eine Anzahl junger Weiber auf, um eine Colonie gründen zu können, und landete dann bei Utica, einer tyrischen Pflanzstadt an der afrikan. Küste. Hier wurde sie freundlich aufgenommen und von den Eingeborenen des Landes erkaufte sie ein Stück Landes, so groß als sie mit einer Kuhhaut würde umspannen können. Sie zerschnitt aber die Kuhhaut in dünne Riemen und umspannte so mit der Haut ein stattliches Stück Landes, auf welchem sie die Burg Byrsa erbaute. Das Zeitalter der Dido wird um 888 v. Chr. angenommen. Virgil aber erzählt, daß Äneas, obgleich nach der geschichtlichen Annahme 200 Jahre älter, nach Afrika gekommen sei, hier mit Dido der Liebe gepflegt und endlich ihr heimlich entflohen sei, worauf Dido aus Verzweiflung sich umgebracht haben soll. Die Bewohner von K. hießen nach ihrer Abstammung Punier, welches Dasselbe wie Phönizier, und K. hieß in phönizischer Sprache Karthadala, welches Neustadt bedeutet. Die Verfassung des Staats war in der Folge republikanisch. Zwei jährlich neuerwählte Suffeten (den röm. Consuln entsprechend) standen an der Spitze des Staats, ihnen zur Seite ein Senat, und die Aufsicht über die Feldherren des Staats hatte ein engerer Ausschuß aus dem Senate. Wenn zwischen den Suffeten und dem Senat eine Meinungsverschiedenheit eintrat, so entschied das Volk. Bald breitete sich der Staat durch seine Handelsverbindungen und die Begründung neuer Colonien weithin aus. Auf den balearischen [568] Inseln, auf Sardinien, Corsica, in Spanien bei Gades (Cadiz) herrschten die Punier. Auch in Afrika wurden Eroberungen gemacht und endlich sogar Utica zur Unterthänigkeit unter dem Nomen der Bundesgenossenschaft gebracht. Mit den Phocäern kämpfte K. siegreich um Corsica. Wie weit vorgeschritten die Punier sein mußten, davon zeugt des Hanno's Umschiffung Afrikas um 450 v. Chr., auf welcher er bis zur Küste von Guinea kam. Mit den Römern sollen die Karthager schon 509 einen Handelsvertrag gemacht haben. Aus. Sicilien trafen die Punier mit den Griechen feindlich zusammen und waren die Bundesgenossen der gegen Griechenland kämpfenden pers. Könige Darius Hystaspes und Xerxes. An demselben Tage, an welchem Xerxes von den Griechen (s. Griechenland) bei Salamis 480 geschlagen wurde, unterlagen die Punier bei Himera dem Gelon von Syrakus. Im Frieden wurde festgesetzt, daß die Karthager eine Entschädigungssumme bezahlen, zwei Tempel bauen und die Menschenopfer abschaffen sollten. Von Egesta gegen Syrakus zu Hülfe gerufen, führten die Punier vier Kriege mit Dionys dem Ältern, Tyrannen von Syrakus, aus welchen sie endlich (368) nach mancherlei Schwankungen des Kriegsglücks als Sieger hervorgingen, indem sie zugleich Besitzungen in Sicilien gewannen. Als sie aber noch weiter um sich zu greifen suchten, rief Dionys der Jüngere, der sie vergebens zu befriedigen versucht hatte, die Korinther zu Hülfe, welche sie 340 zu Wasser und zu Lande schlugen. Ein zweiter Handelsvertrag war 348 mit Rom abgeschlossen worden. Die Grausamkeiten des Tyrannen Agathokles von Syrakus gaben den Karthagern neue Gelegenheit, sich in die sicil. Angelegenheiten zu mischen, und 317 nahmen sie ganz Sicilien ein, mit Ausnahme des festen Syrakus, welches sie belagerten. Agathokles aber setzte nach Afrika über, machte schnelle Fortschritte und bedrohte sogar K., wo sich Bomilkar der Herrschaft bemächtigen wollte. Aber bald erholte sich das Volk vom ersten Schreck, Bomilkar wurde gekreuzigt, Agathokles geschlagen und vertrieben. Ein vortheilhafter Friede beschloß 314 diesen Krieg. Immer weiter griffen die Punier um sich, und schon mußten ihnen fast alle Sicilier gehorchen, als diese 276 den mächtigen König Pyrrhus von Epirus zu Hülfe riefen, welcher den Karthagern fast alle ihre Besitzungen entriß und seinen Sohn zum König von Sicilien ernannte. Durch seine Härte machte sich Pyrrhus aber auch den Siciliern verhaßt, sah sich endlich genöthigt, sich zurückzuziehen und verlor eine Seeschlacht. Er floh nach Tarent, wo ihn nun die Römer vom Lande, die Punier vom Meere aus belagerten, wodurch jedoch die heimliche Eifersucht dieser beiden nach Weltherrschaft strebenden Völker genährt wurde. Der erste der sogenannten punischen Kriege (264–241) zwischen Rom und K. brach aus, als die Römer der sicil. Stadt Messana Hülfe gegen die Karthager sendeten. Lange schwankte das Kriegsglück, beide mächtige Staaten waren erschöpft, als der Sieg des Römers L. Luctatius Catulus über den Hamilkar Barkas die Punier nöthigte, einen schmachvollen Frieden zu schließen, nach welchem sie ganz Sicilien aufgeben und eine bedeutende Geldsumme an Rom zahlen mußten. Innere Unruhen brachen hierauf in K. aus und wurden mit Mühe gedämpft, die Römer unterstützten einen Aufruhr in Sardinien und bemächtigten sich endlich der Insel. Hamilkar suchte sein Vaterland durch großartige Eroberungen in Spanien zu entschädigen. Nachdem er in der Schlacht gefallen, setzte das unternommene Werk Asdrubal fort und baute Karthagena. Die Römer suchten durch einen Vertrag dieien Eroberungen Grenzen zu setzen, aber Hannibal (s.d.), Sohn des Hamilkar, welcher nach Asdrubal's Ermordung Feldherr wird, überschreitet jene Grenzen und es entbrennt der zweite punische Krieg (218–201), in welchem Hannibal siegreich nach Italien dringt, aber von K., wo der Senat sich in zwei Parteien gespalten hatte, verlassen, und durch die Siege der Römer in Spanien, durch die Niederlage seines Bruders Asdrubal, endlich durch die Landung des Scipio in Afrika gezwungen wird, nach seinem Vaterlande zurückzukehren. Nach der Niederlage bei Zama sieht sich K. genöthigt, die härtesten Friedensbedingungen 201 einzugehen. Es muß eine große Summe (über 13 Millionen Thaler) bezahlen, alle Kriegsschiffe, bis auf zehn Dreiruderer, ausliefern, darf ohne Roms Bewilligung weder Krieg führen noch Frieden schließen. Hannibal, verleumdet und verfolgt, muß von K. entfliehen. Dieses wird von Masinissa ungerecht angegriffen, findet bei den Römern keine Gerechtigkeit und sucht sich endlich diese selbst zu verschaffen, welches die Römer für Friedensbruch erklären und die Zerstörung K.'s beschließen. Mit dem Muthe der Verzweiflung wird die Stadt im dritten punischen Kriege (148–146) vertheidigt, erliegt aber dem Publius Cornelius Scipio und wird zerstört. Von Julius Cäsar oder Augustus wurde sie nachmals wieder aufgebaut, gegen Ende des 7. Jahrh. n. Chr. aber völlig zerstört.

Die Karthager besaßen zur Zeit ihrer Blüte große Güter, welche durch den Handel aufgehäuft wurden; genauere Kenntnisse von ihrem geistigen Leben besitzen wir aber nicht, denn ihre Literatur ist verloren gegangen, und bei ihnen selbst war es verboten, Griechisch zu lernen, damit die erlangten, besonders geographischen und auf Erfindungen bezüglichen Kenntnisse nicht weiter verbreitet würden. Ihre Religion beruhte ursprünglich auf Naturverehrung und ihre vornehmsten Gottheiten waren: Baal oder Moloch, der Sonnengott, die zeugende Kraft, und Astarte, die gebärende Natur.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 568-569.
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