Sand [2]

[34] Sand (Karl Ludw.), bekannt geworden durch seinen aus Freiheitsschwärmerei an Kotzebue begangenen Mord, war der Sohn eines ehemaligen preuß. Justizrathes, der 1823 als Justizrath und Amtmann zu Wunsiedel im Baireuthischen starb, wo jener als sein jüngster Sohn am 5. Oct. 1795 geboren wurde. Obgleich S. eine sorgfältige Erziehung erhielt, so blieb ihm doch eine schon früh sich zeigende Niedergeschlagenheit und Verschlossenheit eigen. Auf dem Gymnasium zu Hof vorbereitet, bezog er 1814 die Universität Tübingen und studirte dort eifrig die Theologie, bis er 1815 als Freiwilliger ins Feld mit zog, jedoch ohne einem Gefechte beizuwohnen. Nach dem Frieden setzte er seine Studien erst in Erlangen, dann in Jena fort, gewann durch Fleiß und sittliches Verhalten den Beifall seiner Lehrer, durch Biedersinn die Liebe seiner Umgebungen, machte aber schon damals seine vertrautern Freunde durch seinen überwiegenden Hang zu religiöser und patriotischer Schwärmerei für ihn besorgt. Er wollte Missionar werden; doch stürzte ihn ein Unglücksfall, indem sein innigster Freund und Stubengenosse beim Baden vor seinen Augen ertrank, vollends in dumpfen Tiefsinn. Seine Theilnahme an dem Wartburgfeste (s. Wartburg), bei welchem er die Ordnung mit leitete, regte seinen Geist wieder auf und er ward Mitglied der Burschenschaft. Ohne über Zweck und Mittel eigentlich mit sich im Klaren zu sein, brütete er über Plänen zur Rettung des großen deutschen Vaterlandes. Immer tiefer in verschlossene, religiös-politische Schwärmereien und Grübeleien versinkend, gab sein Wesen jenen unter äußerer Demuth wuchernden Stolz kund, welcher Jeden geringschätzt, der seine erhabenen Ideen nicht begreift. So sann er denn auf eine große That, und sein Vorsatz, der durch die einseitige Hartnäckigkeit seines Willens nur immer mehr wuchs, gedieh bald in ihm zur Reise. Der Gegenstand der Verwirklichung dieses Vorsatzes war Kotzebue, der mit kaltem, stachlichtem Spotte die akademische Freiheit angriff und den man in Verdacht hatte, durch heimliche Berichte an gewisse Höfe die Nationalehre Deutschlands untergraben zu wollen. Die Verachtung gegen diesen der politischen Angeberei verdächtigen Mann steigerte sich in S. zum tödtlichsten Hasse und zu dem Entschlusse, sich durch die Ermordung desselben für das Wohl patriotischer Interessen zum Opfer zu bringen. Mit diesem Vorhaben begab er sich am 9. März 1819 nach Manheim und ließ sich um elf Uhr in Kotzebue's Wohnung anmelden, der aber nicht zu Hause war, weshalb man S. um vier Uhr wiederzukommen bat. So begab er sich um diese Zeit wieder zu Kotzebue, der Gesellschaft bei sich erwartete, und stieß diesem, nach den gewöhnlichen Eingangsfragen, mit den Worten: »Hier, du Verräther des Vaterlandes!« einen Dolch ins Herz, gab ihm noch zwei Stöße und dann sich selbst einen in die linke Brust. Ungehindert gelangte er demohngeachtet auf die Straße, wo er nach dem Ausruf: »Hoch lebe mein deutsches Vaterland!« niederkniete und sich noch mehre Stiche versetzte. Erst ins Hospital, dann ins Zuchthaus geschafft, wo ihm die menschenfreundlichste Pflege zu Theil wurde, fristete seine Jugendkraft, selbst nach einer sehr schmerzhaften Operation, ihm das Leben, und es begann das Verhör, wobei er seine Erklärungen, weil er unfähig zu sprechen war, schriftlich abgab. Standhaft, und bei den größten Schmerzen mit großer Ruhe und Sanftheit, leugnete er, Mitschuldige zu haben. Seine That als nothwendig betrachtend, bedauerte er blos Kotzebue's Familie. In frühern Briefen, die Bezug auf seine That hatten, bekannte er zwar die Schrecklichkeit derselben, sprach aber von einer innern Stimme, die ihn unwiderruflich dazu treibe. Die Untersuchung wurde in Manheim durch eine besonders hierzu eingesetzte Commission geführt, in Folge deren er endlich am 20. Mai 1820 mit dem Schwerte hingerichtet wurde. Bis zum letzten Augenblicke behielt er seine Fassung und beharrte auf der Überzeugung, daß er ein dem Vaterlande nützliches Werk gethan habe. Er wurde auf demselben Kirchhofe begraben, auf welchem Kotzebue beerdigt liegt. Vergl. »Actenauszüge aus dem Untersuchungsproceß über S. nebst andern Materialien zur Beurtheilung desselben und Aug. v. Kotzebue« (Lpz. 1821).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 34.
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