Tunis

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[494] Tunis gehört zu den Staaten der Berberei (s. Barbaresken), liegt östl. von Algier und wird auf 125 M. vom mittelländischen Meere, südl. von Tripolis und der Wüste begrenzt.

Den Flächenraum seines Gebiets schätzt man über 3000 ! M., und die Bevölkerung zwischen 3–5 Mill. größtentheils arab. Stammes, dabei 100,000 Juden, 7000 Christen, übrigens Berbern, Mauren und Türken. Südlich ziehen Theile des Atlas als Rofusa- und Megalagebirge durch das Land, dessen fruchtbarster Theil die westl. und die Küstengegenden sind. Von den Vorgebirgen werden besonders Cap Bon und der nördlichste Punkt Afrikas, Cap Blanco, oft erwähnt. In den Meerbusen mündet der im Atlas entspringende, ansehnliche Fluß Medsherda oder Bagrada, welcher in Hinsicht seines Einflusses auf die Fruchtbarkeit der Nil dieses Landes genannt wird; der unbedeutende Zaine ist Grenzfluß gegen Algier. Von Seen sind der Boghaz oder See von Tunis, der Lowdea und der Sisara und See von Biserta zu bemerken, die zum Theil umfängliche Sümpfe bilden; auch gibt es mehre heiße Quellen. Bedeutende Trümmer röm. Städte finden sich im Innern sehr häufig. Das Klima ist an der Küste der Gesundheit zuträglich und nur der Südwind steigert mitunter die Hitze zu einem außerordentlichen Grade; die Regenzeit beginnt im Oct. und dauert zuweilen bis über den Jan hinaus, wo dann die Ernte desto ergiebiger ausfällt. Die ziemlich betriebsame Bevölkerung erbaut Getreide aller Art, [494] mit Ausnahme von Hafer, viel Obst und Gartenfrüchte und treibt Pferde- und Viehzucht, Fischerei, Leinwand-, Wollen- (namentlich der rothen tunes. Mützen) und Seidenfabriken, und bedeutenden Handel sowol seewärts als nach dem innern Afrika. Die von daher des Jahres dreimal anlangenden Karavanen, Karavanen von Gdamsia genannt, bringen schwarze Sklaven, Gold und die bekannten Producte aus dem Innern, um besonders Fabrikwaaren dafür einzutauschen. Außerdem werden hauptsächlich europ. und Colonialwaaren und Eisen eingeführt; Getreide, Schafwolle, Öl, Datteln, Wachs und Blei sind vorzügliche Gegenstände der Ausfuhr.

Das Gebiet von T. ist das des alten Karthago (s.d.), nach dessen Zerstörung hier die Römer, dann Araber und Mauren geboten (s. Barbaresken), bis sich 1509 die Spanier T. zinsbar machten. Diese Oberherrlichkeit behauptete Kaiser Karl X. 1535 durch Vertreibung der eingedrungenen Türken, welche jedoch 1570 T. abermals eroberten. Noch einmal wurden sie von Don Juan von Östreich mit einer span. Flotte vertrieben, kehrten aber 1574 zurück und T. ward nun eine von einem osman. Pascha regierte türk. Provinz. Ihre Abhängigkeit von der Pforte war jedoch immer sehr gering, auch trat bald ein von der türk. Miliz gewählter Bei an des Pascha Stelle, und innere Unruhen wegen Bewerbung um die höchste Gewalt waren etwas Gewöhnliches. Seit 1694 mußte der Bei von T. auch die Oberherrschaft des Dei von Algier anerkennen und ihm einen jährlichen Tribut entrichten, in dem vorhergegangenen Kriege aber ward besonders die Stadt T. schrecklich verheert. Auch gegen die tunes. Raubschiffe sicherten mehre seefahrende europ. Staaten ihre Flagge durch Verträge und Geschenke, bis hier ebenfalls die franz. Besitznahme von Algier der Seeräuberei und der Christensklaverei ein Ende machte. Durch einen Vertrag wurde 1830 auch die Insel Tabarca abgetreten und gänzliche Handelsfreiheit für alle christliche Nationen, sowie die Aufhebung der in T. den Handel beeinträchtigenden meist an Gesellschaften verpachteten Handelsmonopole versprochen. Tabarca gehörte bis 1798 zu Genua, ist der Mittelpunkt der Korallenfischerei, hat einen sichern Ankerplatz und der Küste gegenüber eine militairische vortheilhafte Lage. Die Pforte hat auch hier versucht, wieder größern Einfluß zu erlangen, und als sich der 1835 regierende Bei ganz unabhängig zu machen suchte, denselben abgesetzt und T. von neuem zur türk. Provinz erklärt. An der Spitze derselben steht seit 1837 Sidi Achm et Pascha, der ein Herr von 12,000 M. regelmäßiger Infanterie, etwa 1000 M. Reiterei und europ. abgerichtete Artillerie unterhält. Durch Beduinen kann diese Macht sehr verstärkt werden, zu der auch noch einige kleine bewaffnete Schiffe kommen. Die zahlreichen Stämme umherziehender Araber zahlen auch hier nur dann Tribut, wenn sie mit den Waffen dazu gezwungen werden, weshalb der Bei jährlich bewaffnete Streifzüge unternehmen lassen muß. Die Einkünfte werden verschieden auf 300,000–600,000 Thlr. angegeben.

Die Hauptstadt Tunis hat eine Stunde im Umfange und 130,000 Einw., darunter 30,000 Juden und 1500 Christen. Sie liegt 12 St. vom Meere an der Südseite des Kanals von Goletta, welcher den salzigen See Boghaz oder See von T. mit dem Meere verbindet, ist von starken Mauern und Forts umgeben, wird aber überall von naheliegenden Höhen beherrscht. Die engen Gassen sind sehr unreinlich, auch werden im Sommer die Ausdünstungen des [495] sehr versumpften Sees, aus welchem aber viel Salz gewonnen wird, der Gesundheit oft nachtheilig. Die ausgezeichnetsten Gebäude sind Moscheen, eine Caserne für 2000 M. und der neue Palast des Bei, der noch eine zweite befestigte, 1/2 St. von der Stadt abgelegene Residenz hat, die el Bardo heißt. Die alte Kasba oder Residenz und Festung liegt fast ganz in Trümmern und enthält unter ihren vielerlei Bauten auch welche aus Karl V. Zeit, von dem auch eine Wasserleitung herrührt. Anderthalb M. nördl. bei dem befestigten Goletta liegt der Hafen der Stadt. welcher der Hauptsitz des Fabrikfleißes und wichtigen Handels des ganzen Gebiets ist, daher auch Consuln mehrer europ. Nationen dort unterhalten werden. Die Franzosen errichten jetzt bei Tunis mit Bewilligung des Bei dem 1270 bei der Belagerung von T. an einer pestartigen Seuche als Kreuzfahrer gestorbenen König Ludwig IX., dem Heiligen, ein Denkmal. Von Goletta in nördlicher Richtung liegen die Ruinen von Karthago, mit deren Untersuchung man sich in neuester Zeit ernstlicher beschäftigt. Mehre Dörfer liegen jetzt auf der Halbinsel, welche die Stadt einnahm, von deren Boden aber auch ein Theil vom Meere überfluthet ist. Ehemalige Cisternen dienen jetzt zu Viehställen; auch fallen namentlich Überreste einer Wasserleitung in die Augen, welche auf 70–100 F. hohen Bogen das Wasser über zwei deutsche M. weit herbeiführte. Aber nicht einmal die Lage der alten Häfen, aus welchen Hamilkar auf 2000 Kriegs- und 3000 Transportfahrzeugen sein Heer nach Sicilien überschiffte, ist mit Sicherheit zu bezeichnen, und von dem dreifachen Walle der Stadt mit seinen Thürmen und den Casernen der karthag. Miethtruppen ist jetzt keine Spur mehr zu bemerken. Nur die Lage der ehemaligen Citadelle auf einem Hügel in der Mitte scheint ausgemacht. Auf die Lage des alten Utika hat man aus nordwestl. davon gefundenen Münzen und Bildhauerarbeiten schließen wollen. Das an einer Bucht gelegene Biserta hat 8000 Einw. und einen Hafen, über den besonders Getreide verschifft wird. An der Mündung des Medsherda liegt Ghar el Mala mit 9000 Einw., einem guten Hafen und Schiffswerften. Monastir hat 12,000 Einw., die viel wollene Zeuche verfertigen; Susa mit 8000 Einw. treibt wichtigen Handel mit Öl. Der wichtigste Platz nach T. ist Kairwan mit 50,000 Einw. und 15 M. von der östl. Küste gelegen; es gilt für die vierte h. Stadt der Mohammedaner und hat die prächtigste, mit vielen Säulen aus den Ruinen röm. Städte gezierte und am heiligsten gehaltene Moschee im nördl. Afrika, bei welcher der Barbier des Propheten begraben liegen soll. Kabes mit 25,000 Einw. am danach benannten Meerbusen (der kleinen Syrte der Alten), Sfax und Hamamet sind ebenfalls für den Handel wichtige Orte. Südlich im Innern liegt Toser an dem 15 M. langen und etwa 5 M. breiten, seichten See Lowdea, d.h. See der Kennzeichen, weil eingerammte Baumstämme darin den hindurchgehenden Weg der Karavanen bezeichnen. Den östl. Grenzpunkt des tunes. Gebiets bildet die flache, nur durch einen schmalen Meerarm vom Festlande getrennte und trefflich angebaute Insel Dsierbi, welche 30,000 betriebsame Einw. hat, die Shawls, wollene Zeuche und sehr gesuchte Beduinenmäntel oder Burnus verfertigen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 494-497.
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