Waterloo

[668] Waterloo, ein Kirchdorf in der jetzt belg. Provinz Südbrabant, liegt vier Meilen von Brüssel an der Straße nach Charleroi und am Ausgange des bedeutenden und schönen Buchenwaldes, welcher gegen drei Stunden breit südl. von Brüssel liegt und der Sonjen-Bosch oder nach dem Französischen der Wald von Soigne heißt. W. ist geschichtlich berühmt durch den am 18. Jun. 1815 eine Stunde davon von Engländern, Preußen, von niederländ, sowie von hanov. und einigen andern deutschen Truppentheilen erfochtenen Sieg über die Franzosen geworden, welcher die zweite Abdankung des von der Insel Elba zurückgekehrten Napoleon zur Folge hatte. Die Engländer benennen diese Schlacht nach W., wo sich das Hauptquartier ihres Feldherrn Wellington befand; die Preußen geben ihr dagegen den Namen der Schlacht von Belle-Alliance oder Schönbund, nach einem südl. von W. an der Straße gelegenen Wirthshause, welches bis 1760 Tri-Motteau geheißen und seitdem erst von einem schönen Paare, welches dort wohnte, den jetzigen Namen erhalten haben soll. Die Franzosen endlich nennen diese Schlacht nach Mont-Saint-Jean, einem zwischen Belle-Alliance und W. an der Hauptstraße da gelegenen Orte, wo die Chaussee von Nivelles sich mit derselben vereinigt. Nach den Kämpfen bei Ligny und Quatrebras (s.d.) am 16. Jun. waren die Preußen unter Blücher zunächst unverfolgt nach Wavre (s.d.), Wellington aber mit den Engländern gegen Brüssel bis an den Wald von Soigne zurückgegangen und hatte hier auf den vor W. gelegenen Höhen am 17. eine günstige Stellung genommen. Obgleich von der franz. Hauptmacht verfolgt, wollte sich Wellington hier zu behaupten suchen, da Blücher zugesagt hatte, ihm mit seiner ganzen Macht zu Hülfe zu kommen. Den rechten Flügel der Engländer bildete das Corps des Prinzen von Oranien, welches den Meierhof Hougomont und ein dabei liegendes Gehölz besetzt hatte und sich an die von Nivelles kommende Straße lehnte; als Reserve diente ihm ein Corps unter Lord Hill. Das Centrum stand vorwärts von Mont-St.-Jean und hielt den noch weiter vorliegenden Meierhof La Haye Sainte besetzt, der linke Flügel stand östl. von der Chaussee bis zu den Weilern La Haye, Lovette und Papelotte, die Reserve befehligte General Picton und bei Waultier-Braine war ein Beobachtungscorps so aufgestellt, daß es den Franzosen bei übereiltem Vordringen in den Rücken fallen konnte. Die gesammte Reiterei war hinter dem Fußvolke aufgestellt und Hohlwege, Gehölze, sowie die vorwärts gelegenen und besetzten Gehöfte machten die engl. Stellung schwer zugänglich. Die Gesammtzahl der unter Wellington hier vereinigten Truppen betrug 60,000 M., gegen welche Napoleon mit 90,000, nach Andern nur mit 67,000 M. anrückte und einen Kanonenschuß von den Engländern auf der Höhe von Belle-Alliance ein Lager bezog. Ohne von der Stärke der Gegner vollständig unterrichtet zu sein und in der Meinung, Wellington weiche dem Kampfe aus, ja sei wol mit der Hauptmacht schon auf dem Rückzuge nach Brüssel, beschleunigte er den Angriff, welcher bei stürmischem Wetter und abwechselnd fallendem Regen, am 18. Jun. Mittags gegen den feindlichen rechten Flügel begann. Gegen zwei Uhr wurde das engl. Centrum von Belle-Alliance her angegriffen, sein erstes Treffen durchbrochen, dennoch aber dieser, sowie ein späterer Angriff abgewiesen, bei welchem die Franzosen durch Congreve'sche Raketen in große Verwirrung geriethen. Ein Angriff der franz. Kürassiere fügte den Engländern großen Verlust zu, und ihre Linien hatten bedeutend gelitten, als um fünf Uhr das von Wavre (s.d.) heranziehende preuß. Corps unter General Bülow in der Flanke des rechten franz. Flügels vor dem Walde von Frichemont erschien. Napoleon warf ihm die Reserve seines rechten Flügels entgegen und suchte während des sich dort neuentspinnenden Kampfes die Schlacht durch einen allgemeinen Angriff [668] auf die Engländer zu entscheiden, bevor die Preußen vollends herankommen könnten; auch erwartete er jeden Augenblick, daß der zurückbeorderte General Grouchy von Wavre her auf dem rechten Flügel eintreffe, der aber den Befehl deshalb zu spät empfing. Die Franzosen rückten mit dem zweiten Corps, der ganzen Reiterei und sämmtlichen Garden gegen Mont-St.-Jean vor, während auch der rechte Flügel das bisherige Tirailleurgefecht in einen ernsten Angriff verwandelte. Dort begegnete indeß Wellington dem franz. Anlaufe mit solcher Entschlossenheit und einem so verheerenden Feuer, daß die Stürmenden genöthigt wurden, Halt zu machen, auf dem rechten Flügel aber wurde das anfangs verlorene Terrain von dem nun durch das angelangte erste Corps unter General Ziethen verstärkten Preußen wiedergewonnen, das sechste franz. Corps wurde abgeschnitten, 24 Geschütze singen an Napoleon im Rücken zu beschießen und man rückte gegen Belle-Alliance vor. Hier trafen die bei La Haye von engl. Reiterei geworfenen franz. Infanteriemassen mit den vom rechten Flügel her vor den Preußen weichenden Truppen zusammen und machten den Anfang zu der namenlosen Verwirrung, in welche allmälig der Rückzug des zuletzt auch von den nachrückenden Engländern bedrängten franz. Heers ausartete, als der letzte Punkt auf dem rechten Flügel, das von der jungen Garde den Preußen wieder entrissene und hartnäckig vertheidigte Dorf Planchenoit verloren worden war. Napoleon selbst war mehrmals persönlich in Gefahr, verlor zwei Pferde und setzte sich gegen Ende der Schlacht an die Spitze eines Bataillons, um den Tod zu suchen. Marschall Soult und andere Generale stellten ihm jedoch vor, daß man ihn gefangen nehmen aber nicht tödten werde, und entfernten ihn vom Schlachtfelde. Die siegenden Feldherren Wellington und Blücher trafen gegen 9 Uhr Abends bei Belle-Alliance zusammen, und Letzterer übernahm die rasche Verfolgung des Feindes, durch welche der Sieg vollendet wurde. Man ließ den in der buntesten Verwirrung und ohne Befehle wegen eines Sammelplatzes Fliehenden gar nicht Zeit, sich wieder zu ordnen und Napoleon war nicht im Stande, sich in Genappe zu halten. Ein Füsilierbataillon des 15. preuß. Regiments nahm diesen Ort, wo Napoleon's Reisewagen mit vielen Kostbarkeiten erbeutet wurde. Die Franzosen ließen am Ende Geschütz und alles Fuhrwerk im Stiche und dachten nur auf persönliche Rettung. Daher kam es, daß den Siegern über 900 Geschütze, zwei Adler, 6000 Gefangene in die Hände fielen und die Franzosen gegen 35,000 M. an Todten und Verwundeten einbüßten. Auch der Verlust der Verbündeten betrug gegen 20,000 M., wovon 10,580 M. auf die engl. Armee, 2000 M. auf die Niederländer, die übrigen auf die Preußen kommen. Napoleon eilte nach Paris und schrieb später den Verlust der Schlacht dem Ausbleiben von Grouchy und dem ohne seinen Befehl und sein Wissen erfolgten Angriff der Reservecavalerie und Grenadiere zu Pferde zu. Auf dem Schlachtfelde wurde 1818 in der Nähe von Belle-Alliance von Preußen eine 25 F. hohe, gußeiserne Pyramide mit gothischen Verzierungen auf einem Fußgestell von blauem Stein errichtet. Nicht weit davon ist dem Andenken der dabei gefallenen Hanoveraner ein Obelisk gewidmet, und endlich an der Stelle, wo der Prinz von Oranien verwundet wurde, von der niederländ. Regierung ein großes Denkmal der Schlacht aufgestellt worden, das in einem 200 F. hohen Hügel besteht, auf dem ein 60 F. hohes Postament einen 21 F. langen, ruhenden, eisernen Löwen trägt, zu welchem Stufen hinausführen. Endlich haben die Engländer die Kapelle von W. erweitern und eine Menge Inschriften und Marmortafeln zum Gedächtniß ihrer hier gefallenen Landsleute in die Mauern einfügen lassen. In London war 1838 ein Modell des Schlachtfeldes ausgestellt, welches ein Capitain Siborn in Zeit von sieben Jahren, nach dem Maßstabe von 9 F. auf die engl. Meile, verfertigt hatte. Es nahm 420 ! F. Raum ein, zeigte jeden Baum und die ganze, damals den Boden bedeckende Vegetation, und 190,000 Figuren theils von Silber, theils aus einer Mischung von Silber und Blei, stellten die engl., deutschen, niederländ. und franz. Truppen vor.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 668-669.
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