[728] Wilhelm II. (Friedrich Georg Ludwig), seit dem 7. Oct. 1840 König der Niederlande, Großherzog von Luxemburg und Herzog von Limburg durch Verzichtleistung seines Vaters Wilhelm I. (s.d.), geb. 6. Dec. 1792, war ein Zögling der Militairakademie in Berlin und der Universität Oxford, trat dann in engl. Kriegsdienste und ging 1811 als Obristlieutenant in die span. Armee über. Während des Kriegs auf der pyrenäischen Halbinsel gab er bei vielen wichtigen Ereignissen und namentlich beim Sturme auf Ciudad-Rodrigo, auf Badajoz und in der Schlacht bei Salamanca glänzende Beweise von Tapferkeit, Geistesgegenwart und Kühnheit, daher ihn der Herzog von Wellington zum Adjutanten wählte und später der König von England selbst ihn zu seinem Adjutanten ernannte. In den Treffen bei Quatre-Bras und der Schlacht bei Waterloo befehligte er als damaliger Kronprinz der Niederlande die anwesenden niederländ. Truppen und ward in der Schulter verwundet. Nach seiner Herstellung begab er sich nach [728] Paris, wo der Plan zu seiner Vermählung mit der Prinzessin Charlotte von Wales, der später verstorbenen Gemahlin des jetzigen Königs Leopold I. von Belgien, ihn wegen des dadurch bedingten, eigenthümlichen Verhältnisses nicht gewinnen konnte. Im Febr. 1816 vermählte er sich hierauf in Petersburg mit der Großfürstin Anna Paulowna, geb. 19. Jan. 1795, einer Schwester Kaiser Nikolaus I., welche ihm drei Prinzen: Wilhelm Alexander Paul Friedrich Ludw. Konstantin Nikolaus Michael, geb. 1817 und jetzt Kronprinz der Niederlande, sowie seit 18. Jun. 1839 mit Sophie, geb. 1818 und Tochter König Wilhelm I. von Würtemberg vermählt, Alexander, geb. 1818, Friedrich, geb. 1820, und 1824 die Prinzessin Sophie geboren hat. Nach Ausbruch der belgischen Revolution im J. 1830 wurde der durch Herzensgüte, Leutseligkeit und Offenheit beliebte Prinz zu persönlicher Vermittelung der Unruhen nach Antwerpen und Brüssel gesandt, wo er auch günstige Aufnahme fand. Mit den besten Hoffnungen zu seinem Vater zurückgekehrt, kam er Anfang Oct. wieder nach Antwerpen, um auf die Bewilligung einer besondern Verwaltung für die Südprovinzen hin zu unterhandeln. Die gleichzeitigen drohenden Schritte des Königs und das herausfodernde Benehmen der Holländer überhaupt verhinderte aber jeden Vergleich und der von einer ansehnlichen Partei zum Regenten gewünschte Prinz glaubte in der Bedrängniß und mit Überschreitungen seiner Vollmacht die Freiheit Belgiens anerkennen zu müssen. Allein der König nahm sogleich die ihm ertheilte Vollmacht zurück und der Prinz ging nach England, kehrte jedoch im folgenden Jahre zurück, um den Oberbefehl über die holländ. Armee zu übernehmen, die im Aug. während des zehntägigen Feldzuges siegreich in Belgien vordrang, bis die Dazwischenkunft der Franzosen erfolgte, und befehligte dann die an der belg. Grenze unterhaltenen holländ. Beobachtungstruppen. Am 7. Oct. 1840 berief ihn die Entsagung seines Vaters unter höchst schwierigen Verhältnissen und mit der bestimmten Verpflichtung zur Regierung, bei derselben die kurz vorher ins Grundgesetz aufgenommenen neuen Regeln (s. Wilhelm I.) zu beobachten und den das Land bedrückenden Übelständen abzuhelfen. Verbesserungen und Reformen mußten sogleich vorgenommen, vor Allem die Finanzverhältnisse neugeordnet werden, welche sein Vorgänger in einem so kläglichen Zustande hinterließ, daß in der zur Huldigung (28. Nov.) einberufenen Kammer offen ausgesprochen wurde: »Wenn irgend ein gesetzliches Mittel bestände, um Die, welche dazu gerathen und mitgewirkt haben, zur öffentlichen Verantwortung zu ziehen, dies ohne Ansehen der Person geschehen müsse.« W. II. mußte daher mit allgemeiner Verminderung des Staatsaufwandes beginnen und namentlich wurde der übermäßige Bestand des Landheeres beschränkt. Zugleich gibt die Berufung angesehener Gegner der frühern Regierung zu den wichtigsten Staatsämtern eine Bürgschaft mehr für Einhaltung der neuen Richtung. Mit Beifall aufgenommen wurde die einstweilige Erleichterung des Handelsverkehrs zwischen Luxemburg (dessen spätern Beitritt zum deutschen Zollverband man erwartet) und Holland und die am 1. Mai 1841 vollzogene Aufhebung des Amortisationssyndicats; einen Theil der katholischen Bevölkerung befriedigte die Anerkennung der Congregation der Redemptoristen (s.d.) zu Witem in Luxemburg, sowie die an zehn religiöse Ordensgesellschaften in Nordbrabant ertheilte Erlaubniß, wieder Novizen aufnehmen zu dürfen. Die mit Rom unter persönlicher Anwesenheit des päpstlichen Staatssecretairs Cappacini über Anordnung der katholischen Kirchenangelegenheiten in den Niederlanden aufgenommenen Verhandlungen scheinen indeß der überspannten Foderungen des Papstes wegen zu keiner Übereinkunft führen zu wollen. Auch machte das der katholischen Kirche wieder Eingeräumte schon vielfach lebhafte Besorgniß der Protestanten rege. Am 21. Febr. 1841 beging der König seine silberne Hochzeit, bereiste dann die südl., später die nördl. Provinzen und fand überall die herzlichste Aufnahme. Die im Jul. zu verfassungsmäßiger Erneuerung der Kammern vorgenommenen Wahlen sind meist im Sinne der neuen Regierung ausgefallen.