[163] Baukunst, Architektur, die methodisch erworbene Geschicklichkeit, Bauwerke einer bestimmten Absicht gemäß in dauerhaftem Material auszuführen; zerfällt in Straßen-, Brücken-, Wasser-B. (Tiefbau), Schiffs-, Festungs-, Maschinen-B., kirchliche und profane B. (Hochbau). Die letztern beiden im engern Sinne zeigen bei den verschiedenen Völkern und zu gewissen Zeiten verschiedenartig gestaltete künstlerische Grundformen der Baukonstruktionen (Baustile).
Eine kunstvolle Gestaltung der B. findet sich zuerst bei den Ägyptern und Indern. In der B. der Ägypter liegt die Pyramide als Grundform vor; sie haben noch den Pfeiler, in viereckiger oder runder Form, hinzugebracht; im ganzen herrscht das Massenhafte vor mit düsterm, strengem Charakter. Auch in der B. der Inder, z.B. bei den Pagoden, wiederholt sich die Grundform der Pyramide. Einen Gegensatz gegen diese pyramidalen Freibaue bilden die in Felsen ein-und ausgehauenen Gebäude und Tempel, wobei sich schon Spuren eines Säulenbaues zeigen. Nach bestimmten Gesetzen ausgebildet erscheint der Säulenbau bei den Griechen [Tafel: Griechisch-Römische Kunst I, 1-5]. Bei den Dorern findet sich der Säulenbau mit geradliniger Überdeckung. Neben dem dor. Stil bildete sich an der Küste Asiens der anmutigere ion. Stil. Dazu kam später die korinth. Bauweise, eine Abänderung des ion. Stils, indem an die Stelle des ion. Kapitäls ein höher gehaltenes, reicher verziertes trat. Eine ebenfalls auf das Prinzip der Säule mit geradliniger Überdeckung gegründete Bauart hatte sich gleichzeitig in Italien bei den Etruskern ausgebildet.
Die Römer [Tafel: Griechisch-Römische Kunst I, 6-13] vermischten in ihrer B. Säulenbau und Gewölbe. [163] Es kam bes. die korinth. Säulenordnung zur Anwendung, aus deren Mischung mit der ion. der röm. oder komposite Stil hervorging. Auch die Formen des dor. und des ion. Stils finden sich bei den Römern. In den Anfängen des Christentums erscheinen die spätröm. Formen in der Nachahmung der röm. Basilika bei den Gebäuden der Gottesverehrung. Selbständiger entwickelte sich die byzant. B.; hier sind die Formen des Gewölbes dem eigentlichen Säulenbau untergeordnet, die Gestaltung des einzelnen aber mehr eine Vereinigung antik-orientalisierender Elemente. Die gleichzeitige maurisch-arab. B. fußt ebenfalls auf antiken Grundlagen, doch treten der hufeisenförmige Bogen und der Spitzbogen auf; daneben ein Streben nach üppig-prächtiger Dekoration.
Die abendländ. B. zeigt im 10. Jahrh. den sog. roman. Baustil [Tafel: Romanischer Stil I], der zwar noch die Basilika als die Grundform annimmt, aber das Gewölbe durchführt. Die german. B., fälschlich gotische genannt [Tafel: Gotik I u. II], verband mit dem Säulenbau der christl. Basilika und dem Gewölbe der roman. B. den Spitzbogen; die Formen wurden aufstrebender, Säule und Gewölbe traten in leichtere harmonische Verbindung, die Masse des Mauerwerks wurde verringert.
Die moderne B. entstand in Italien, wo man sich im 15. Jahrh. zu den antiken Monumenten zurückwandte. Hier begründete Brunelleschi die florent. Bauschule; die Burgform, welche er seinem Palast Pitti gab, ist lange das Vorbild aller ital. Paläste gewesen. Die venet. Schule, nach ihrem Begründer Lombardi auch wohl lombardische genannt, zeigt mehr Leichtigkeit und Eleganz. Diese aus dem Studium der antiken Baudenkmäler wiedergeborene B. ist der Renaissancestil [Tafel: Renaissance I u. II], dessen Ausschreitungen der Barockstil (seit dem 16. Jahrh.) und der Rokokostil (im 18. Jahrh. von Frankreich ausgehend [Tafel: Barock und Rokoko I]). Bei der B. der neuesten Zeit wurden Eisen und Glas immer mehr verwendet, so bes. zu den praktisch im Innern und wirkungsvoll nach außen errichteten Geschäfts- und Gesellschaftshäusern, Hotels, Villen, Bahnhöfen u.a.; bei diesen Bauten bringt die B. in Anlehnung an den modischen Jugendstil einen gemäßigten Barockstil zur Anwendung, während sie bei (staatlichen) Monumentalbauten ihre Aufgabe in Anpassung klassischer Formen an die Bedürfnisse der Neuzeit sucht.
Vgl. Kugler, »Geschichte der B.« (8 Bde., 1854-89); Lübke, »Geschichte der Architektur« (6. Aufl. 1884); Durm, »Handbuch der Architektur« (2. Aufl. 1895 fg.); Mothes, »Illustriertes Baulexikon« (4. Aufl., 4 Bde., 1884); »Handbuch der Baukunde« (1887 fg.); Borrmann, »Die B.« (1897 fg.); Licht, »Architektur der Gegenwart« (1886-96).
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Goetzinger-1885: Romanische Baukunst
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