Inquisition

[862] Inquisition (lat., »Untersuchung«), oder Heiliges Offizium, in der röm. Kirche das geistl. Gericht zur Aufspürung und Bestrafung von Ketzern. Schon in der alten Kirche waren kirchliche (durch die Bischöfe) und nach Errichtung der röm. Staatskirche bürgerliche Strafen (durch weltliche Obrigkeit) an den Ketzern vollzogen worden; die erste Hinrichtung eines Ketzers, noch vielfach kirchlich gemißbilligt, war die des Priscillian (s.d.) 385; als sich im 12. und 13. Jahrh. abweichende Glaubensrichtungen im Volke verbreiteten (Albigenser, Waldenser), machte das vierte Laterankonzil (1215) die I. zu einer Hauptaufgabe der Bischöfe. Gregor IX. verwandelte sie in ein päpstl. Institut, indem er 1232 in Deutschland, Aragonien und Österreich, 1233 in der Lombardei und im südl. Frankreich Dominikaner zu päpstl. Inquisitoren ernannte. Die Ketzer wurden auf Grund des allgemeinen Gerüchts, geheimer Denunziation oder der Selbstanzeige vorgeladen, Ankläger und Zeugen wurden nicht genannt, gegen Leugner wurde die Tortur angewandt; Widerrufende wurden nur mit den kirchlichen Disziplinarstrafen belegt; für Verurteilte waren die Strafen: Kerker, Vermögensentziehung, öffentliche Geißelung, Tod (meist auf dem Scheiterhaufen). In Frankreich wütete die I. zunächst, seit 14. Jahrh. beschränkt, in der Reformationszeit Ausnahmegerichten übertragen (Chambres ardentes); bestand bis 1772. In Spanien wurde sie mit Billigung des Papstes Sixtus IV. königl. Institut. Ferdinand der Katholische suchte durch sie die Gewalt des Lehnsadels und des Klerus zu brechen sowie den Fiskus zu bereichern; er ernannte Thomas de Torquemada zum General- oder Großinquisitor (1483-98). Die I. wurde in Spanien, von wo sie auch in die amerik. Besitzungen und die Niederlande eingeführt ward, 1808 durch Joseph Napoleon aufgehoben, aber 1814 von Ferdinand VII. wiederhergestellt, erst 1834 gänzlich beseitigt. Als Kardinalskongregation besteht sie heute noch bei der Kurie in Rom, mit der Aufgabe, über die Reinerhaltung des kath. [862] Glaubens zu wachen. Nach Portugal kam sie 1557; König Johann VI. (1818-26) hob sie 1821 wieder auf. In Italien schon 1235 eingeführt, 1542 neu und streng geordnet, ist sie, von Napoleon I. 1808 aufgehoben, von Papst Pius VII. 1814 wiederhergestellt, erst seit 1859 völlig erloschen. In England fand die I., außer unter Maria der Katholischen, keinen Boden. In Deutschland war der erste Inquisitor Konrad von Marburg; Kaiser Karl IV. begünstigte die Ketzerverfolgungen der I.; durch Papst Innozenz VIII. (1484) wurde sie auch auf das Hexenwesen ausgedehnt und verschwand erst mit der Refomation. – Vgl. Hoffmann (2. Bde., 1878), Döllinger (1890), Flade (1902), Schäfer (3 Bde., 1902), Lea (3 Bde., 1888; deutsch 1905 fg.).

Quelle:
Brockhaus' Kleines Konversations-Lexikon, fünfte Auflage, Band 1. Leipzig 1911., S. 862-863.
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