[458] Ideale (idea, idea, ideale) sind Musterbilder, Vollkommenheitsbegriffe, die als Ziele eines Wollens fungieren. Ein in seiner Vollkommenheit, d.h. dem Zweckwillen absolut angemessener Seinsweise vorgestelltes, gedachtes, erhofftes erstrebtes Object (Person, Ding, Eigenschaft, Zustand, Verhältnis, Beziehung) ist ein Ideal, ein höchstes, letztes Willensziel. Logisches Ideal ist die absolute Wahrheit, ethisches Ideal die vollkommene Sittlichkeit, ästhetische Ideale gibt es in der Vielzahl, u.s.w. Etwas im Sinne einer Idee, eines Ideals darstellen, gestalten heißt es idealisieren.[458]
Zur Zeit KANTS versteht man unter einem Ideal (»ideale«) ein »maximum perfectionis« (De mund. sens set. II, § 9). Ideal ist nach Kant »die Idee nicht bloß in concreto, sondern in individio, d. i. als ein einzelnes, durch die Idee allein bestimmbares oder gar bestimmtes Ding« (Krit. d. r. Vern. S. 452). »Was uns ein Ideal ist, war dem Plato eine Idee des göttlichen Verstandes, ein einzelner Gegenstand in der reinen Anschauung desselben, das Vollkommenste einer jeden Art möglicher Wesen und der Urgrund aller Nachbilder in der Erscheinung« (ib.). »Diese Ideale, ob man ihnen gleich nicht objective Realität (Existenz) zugestehen möchte, sich doch um deswillen nicht für Hirngespinste anzusehen, sondern geben ein unentbehrliches Richtmaß der Vernunft ab, die des Begriffs von dem, was zu seiner Art ganz vollständig ist, bedarf, um danach den Grad und die Mängel des Unvollständigen zu schätzen und abzumessen« (l.c. S. 453). Ideal bedeutet »die Vorstellung eines einzelnen als einer Idee adäquaten Wesens« (Krit. d. Urt. I, §17). Das Urbild des Geschmacks ist ein Ideal der Einbildungskraft, welches von der »Normalidee« des Schönen (dem Gattungsbilde) zu unterscheiden ist. Das Ideal an der menschlichen Gestalt besteht im Ausdruck der Vernunftidee, des Sittlichen (ib.). Das höchste Wesen, Gott (s. d.), bleibt in rein theoretischer, speculativer Hinsicht »ein bloßes, aber doch fehlerfreies Ideal, ein Begriff, welcher die ganze menschliche Erkenntnis schließt und krönet, dessen objective Realität auf diesem Wege zwar nicht bewiesen, aber auch nicht widerlegt werden kann« (Krit. d. r. Vern. S. 501). FRIES versteht unter logischem Ideal die Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Sein (Syst. d. Log. S. 483). Nach HEGEL ist das Ideal »die Idee als ihrem Begriff gemäß gestaltete Wirklichkeit« (Ästhet. I, 96). Nach O. LIEBMANN ist ein Ideal »der Gedanke dessen, was sein soll, was nach bekannten oder unbekannten Normalgesetzen als wertvoll erkannt und daher vom Gewissen postuliert wird« (Analy(s. d.) Wirkl.2, S. 567). Die Ideale des Menschen »entspringen aus der geheimnisvoll-unerforschten Tiefe seines geistigen Naturells, unter Anregung der gegebenen Außenwelt« (ib.). Die sittlichen Ideale haben absoluten Wert, sind Selbstzweck (l.c. S. 568, 571). RIEHL bestimmt: »Sofern die Zwecke unserem Handeln als Musterbegriffe vorschweben, nennen wir sie Ideale« (Philos. Kriticism. II 2, 21). Als sittliches Ideal betrachtet WUNDT die Idee der Humanität (s. d.), schließlich die Idee Gottes (s. d.). Nach H. SCHWARZ sind Ideale »Gedankenbilder eines Besten, das das bezügliche Gefallen am sattesten macht« (Psychol. d. Will. S. 122). Nach R. STEINER sind Ideale »Ideen, die augenblicklich unwirksam sind, deren Verwirklichung aber gefordert wird« (Philo(s. d.) Freih. S. 157). Vgl. Begriff.
Idealismus heißt allgemein die Lehre von der Idealität (s. d.) des Seins. Sie tritt in zwei (theoretischen) Hauptformen auf: als metaphysischer und als erkenntnistheoretischer Idealismus. Der erstere behauptet: wahres Sein, absolute Wirklichkeit hat nur die Idee (s. d), der Geist, das Geistige (als Vernunft, Wille u. dgl.). Das Geistige ist der Urgrund alles Geschehens, der Urquell aller Dinge, die treibende, zwecksetzende Kraft in der Welt (»objectiver Idealismus«). Ideen beherrschen den Weltlauf, realisieren sich in ihm. Der erkenntnistheoretische Idealismus behauptet: Die Außenwelt (s. d.) ist nichts dem Subjecte fertig Gegebenes, nichts Selbständiges, vom erkennenden Subjecte Unabhängiges, sondern sie ist bloß ideal (ideell), d.h. sie besteht bloß im Bewußtsein, als Bewußtseinsinhalt, als Bewußtseinsimmanentes, sie ist vom Subjecte abhängig, ist im und durch das (allgemeine) Subject des [459] Erkennens anschaulich-denkend gesetzt, construiert, hat das Subject zu ihrem untrennbaren Correlate (»kein Object ohne Subject«). Sie ist nichts als ein gesetzmäßig verknüpfter Zusammenhang von (wirklichen und möglichen) Bewußtseinsinhalten, ihr Sein ist Bewußt-sein (»esse = percipi«), für ein Subject Sein während der metaphysische Idealismus den Dingen ein Für-sich-Sein zuerkennt, ja gerade in diesem die wahre Wirklichkeit erblickt. – Der ethische Idealismus erkennt die absolute Gültigkeit sittlicher Ideen (Ideale) an. Der ästhetische Idealismus betrachtet als die Aufgabe der Kunst die Darstellung des Idealen, der Idee (s. d.) im Realen.
Zunächst einige Definitionen des Ausdruckes »Idealismus«. Unter »ideal system« (LOCKE, BERKELEY) versteht REID die (von ihm bekämpfte) Ansicht, daß uns unmittelbar nur Ideen, Vorstellungen als Objecte gegeben sind. »Idealisten« heißen dann die Anhänger der Lehre, daß den Körpern nur eine ideelle Existenz zukommt. So bemerkt CHR. WOLF: »Idealistae dicuntur, qui nonnisi idealem corporum in animis nostris existentiam concedunt: adeoque realem mundi et corporum existentiam negant« (Psychol. rational. § 36). Na h BAUMGARTEN ist ein »idealista« »solos in hoc mundos spiritus admittens« (also ein Spiritualist, (s. d.), Met. § 402). Nach BILFINGER ist die Meinung der Idealisten, »existere spiritum infinitum, et finitos quoque ab illo dependentes, sed nihil existere praeterea« (Dilucidat. § 115). FEDER: »Diejenigen, welche überhaupt leugnen, daß die Dinge, die außer uns vorhanden zu sein scheinen, wirklich vorhanden, oder doch daran zweifeln, oder wenigstens glauben, daß man wohl daran zweifeln könne, werden insgemein Idealisten genennet. Wenn sie nur gar ihre eigene Existenz für gewiß halten, heißen sie Egoisten« (Log. u. Met. S. 134 ff.). MENDELSSOHN erklärt: »Der Anhänger des Idealismus hält alle Phänomene unserer Sinne für Accidenzen des menschlichen Geistes, und glaubet nicht, daß außerhalb desselben ein materielles Urbild anzutreffen sei, dem sie als Beschaffenheiten zukommen« (Morgenst. I, 7). Nach PLATNER ist der Grundbegriff des Idealismus dies, »daß es keine materielle Welt gebe und daß unsere Ideen davon nichts anderes seien als Vorspiegelungen, durch die Gottheit in unseren Seelen erweckt« (Philos. Aphor. II, § 922). KANT sagt: »Der Idealismus besteht in der Behauptung, daß es keine anderen als denkende Wesen gebe; die übrigen Dinge, die wir in der Anschauung wahrzunehmen glauben, wären nur Vorstellungen in den denkenden Wesen, denen in der Tat kein außerhalb dieser befindlicher Gegenstand correspondierte« (Prolegom. S. 67). »Unter einem Idealisten muß man... nicht denjenigen verstehen, der das Dasein äußerer Gegenstände der Sinne leugnet, sondern der nur nicht einräumt, daß es durch unmittelbare Wahrnehmung erkannt werde, daraus aber schließt, daß wir ihrer Wirklichkeit durch alle mögliche Erfahrung niemals völlig gewiß werden können« (Krit. d. r. Vern. S. 312). »Der dogmatische Idealist würde derjenige sein, der das Dasein der Materie leugnet, der skeptische, der es bezweifelt« (l.c. S. 319). Diesen beiden Formen des Idealismus stellt Kant seinen »transcendentalen« Idealismus (s. unten) gegenüber. Eine begriffliche Bestimmung des (erkenntnistheoretischen) Idealismus gibt L. BUSSE: »Für den Idealismus ist die körperliche Außenwelt lediglich Erscheinung, Vorstellungsinhalt eines Bewußtseins, und geht darin vollständig auf. Sie ist also nicht Erscheinung von etwas... Der Idealismus kann nun wieder ein subjectiver oder ein objectiver sein. Der erstere macht das körperliche Universum zu einem Phänomen für das Bewußtsein des individuellen endlichen Subjects. Das Phänomen der körperlichen Welt ist demnach so oft vorhanden,[460] als es individuelle Bewußtseinssubjecte gibt... Die Körperwelt als Ganzes, das physische Weltall ist auf diesem Standpunkte nur eine ideale Construction, eine Fiction... Der objective Idealismus läßt dagegen die Körperwelt nicht in den Vorstellungsinhalten der einzelnen endlichen Bewußtseine aufgehen, sondern macht sie zu einer constanten Vorstellung des absoluten unendlichen Subjects, in welchem die endlichen Subjecte sämtlich als seine Einschränkungen enthalten sind. Die physischen Weltbilder, welche in diesen endlichen Bewußtseinen enthalten sind, sind Besonderheiten des allgemeinen physischen Weltbildes, das sie weder dem Umfang noch auch dem Inhalt nach erschöpfen« (Geist u. Körp. S. 4 f.). O. WILLMANN versteht unter »Idealismus« diejenige »Denkrichtung, bei welcher mittelst der idealen Principien der Idee, des Maßes, der Form, des Zweckes, des Gesetzes das Verhältnis des Göttlichen zum Endlichen, des Seins zum Erkennen, der natürlichen zur sittlichen Welt bestimmt wird« (Gesch. d. Idealism. III, 206). – Eine extreme Form des erkenntnistheoretischen Idealismus ist der »Solipsismus« (s. d.).
Der metaphysische Idealismus tritt (noch in unreiner Form) auf bei HERAKLIT (s. Logos). Dann als Lehre von den wahrhaft seienden Ideen (s. d.) bei PLATO, für den die Dinge nur »Nachahmungen« und Schattenbilder geistiger (aber nicht individueller) Wesenheiten sind. Zugleich begründet Plato den ethischen Idealismus, da er die Idee des Guten (s. d.) als das Höchste, das Überseiende bestimmt. Idealistische Elemente finden sich auch in den Lehren des ARISTOTELES (s. Form) und der Stoiker (s. Pneuma). Ausgesprochen ist der Idealismus bei PLOTIN, für welchen die Körperwelt eine (Emanation und) Erscheinung der intelligiblen Welt (kosmos noêtos), der Welt der Ideen (s. d.) bedeutet. In der Scholastik macht sich ein Idealismus geltend, für welchen im göttlichen Geiste Ideen (s. d.) als Urbilder alles Seins bestehen. In dem »intellectus infinitus« des SPINOZA, von dem alle Dinge modi sind, haben wir ein idealistisches Element. Bei MALEBRANCHE, BROOKE (vgl. FREUDENTHAL im Arch. f. Gesch. d. Philos. VI, 19l ff., 380 ff.), englischen Platonikern (H. MORE, CUDWORTH), LEIBNIZ, BERKELEY findet sich ein spiritualistischer Idealismus, der die wahre Realität in eine Welt von Geistern setzt.
Bei J. G. FICHTE verquickt sich der metaphysische mit dem erkenntnistheoretischen Idealismus, indem Fichte alle Realität in das Ich (s. d.) verlegt. Einen objectiven Idealismus, nach welchem Innen- und Außenwelt die beiden Pole einer (über-) geistigen Einheit, des Absoluten, sind, begründet SCHELLING. Den »absoluten« Idealismus vertritt HEGEL, d.h. die Ansicht, daß die endlichen Einzeldinge nur Momente, Erscheinungen des allgemein-concreten, absoluten Seins, der Weltvernunft sind (»Panlogismus«). Dieser Idealismus besteht also »in der Bestimmung, daß die Wahrheit der Dinge ist, daß sie als solche unmittelbar einzelne, d. i. sinnliche, nur Schein, Erscheinung sind« (Naturphilos. S. 16). Einen voluntaristischen (s. d.) Idealismus begründet SCHOPENHAUER, die absolute Realität liegt allein im Willen (s. d.). E. v. HARTMANN verlegt sie ins »Unbewußte« (s. d.). Geistige Kräfte als wahre Seinsfactoren nehmen in verschiedener Weise an: SCHLEIERMACHER, BENEKE, CHR. KRAUSE, J. H. FICHTE, ULRICI, FECHNER, PAULSEN, K. LASSWITZ, LOTZE (»teleologischer« Idealismus), M. CARRIERE, R. HAMERLING, BAHNSEN, KIRCHNER, L. BUSSE, R. EUCKEN (Kampf um einen geist. Lebensinh. S. IV, 31 ff.), WUNDT, ferner RENOUVIER, RAVAISSON, CARYLE (Sartor Resart.), COLLYNS, GREEN, FERRIER (Works 1875), nach welchem wahrhaft nur »Geister zugleich mit den Inhalten ihrer [461] Vorstellungen existieren«, CLIFFORD, ROMANES, BOSTRÖM (»rationeller Idealismus«) EMERSON u. a.
Der erkenntnistheoretische Idealismus tritt schon in den Upanishads auf (DEUSSEN, Allg. Gesch. d. Philos. I 2, 147). Es wird hier gelehrt, »daß diese ganze räumliche, folglich vieleinheitliche, folglich egoistische Weltordnung nur beruht auf einer uns durch die Beschaffenheit unseres Intellectes eingeborenen Illusion (mâyâ), daß es in Wahrheit nur ein ewiges, über Raum und Zeit, Vielheit und Werden erhabenes Wesen gibt, welches in allen Gestalten der Natur zur Erscheinung kommt, und welches ich, ganz und ungeteilt, in meinem Innern als mein eigentliches Selbst, als den Âtman fühle und finde« (DEUSSEN, Sechzig Upanish. des Veda, Vorr. S. X). Idealistisch-subjectivistische Elemente finden sich bei HERAKLIT, den Eleaten, bei DEMOKRIT, den Sophisten (PROTAGORAS, HIPPIAS), bei den Cynikern, bei PLATO, bei den Skeptikern, bei PLOTIN, SCOTUS ERIUGENA, unter den Scholastikern bei WILHELM VON OCCAM (s. Qualitäten).
Die Möglichkeit der bloß ideellen Existenz der Außenwelt spricht (aber nur in methodischer Hinsicht) DESCARTES aus (Medit. I u. II). So meint auch MALEBRANCHE, die Sensationen »pourraient subsister, sans qu'il y eut aucun objet hors de nous« (Rech. I, 1). Wir erkennen die Dinge durch ihre Ideen (s. d.) in Gott. Nach LEIBNIZ ist die Körperwelt nur eine »verworrene« Vorstellung einer an sich geistigen Welt (s. Monaden). Idealistische Elemente bei GALILEI, HOBBES, LOCKE (s. Qualität). Die bloß vorstellungsmäßige Existenz der Objecte (s. d.) behauptet A. COLLIER. So auch BERKELEY Alles Sein ist Percipiertsein (»esse = percipi«, Princ. II, IX). Nach HUME lehrt die Philosophie, daß alles, was sich dem Geiste darstellt, »lediglich eine Perception, also in seinem Dasein unterbrochen und vom Geist abhängig ist« (Treat. IV, sct. 6).
Lehrt der empiristische Idealismus, die Außenwelt sei nichts als eine Summe von Vorstellungen, so betont der kritische oder transcendentale Idealismus KANTS die gesetzmäßige, denkend gesetzte Verknüpfung der Objecte als Inhalte des (allgemeinen, constanten, überindividuellen) wissenschaftlich erkennenden Bewußtseins, die »empirische Realität« (s. d.) der Objecte und die Existenz eines (qualitativ völlig unbekannten unerkennbaren) »Ding an sich« (s. d.). In Baum und Zeit ist das »Gegebene« wirklich, aber Raum und Zeit (und die Kategorien) sind nur Formen unserer Anschauung und unseres Denkens, die Objecte als solche (nichts als) gesetzmäßige Zusammenhänge von Erkenntnisinhalten. Die Existenz der Dinge an sich wird nicht geleugnet, wohl aber ihre Erkennbarkeit (Prolegom. S. 68). Unter dem »transcendentalen Idealismus aller Erscheinungen« versteht Kant »den Lehrbegriff, nach welchem wir sie insgesamt als bloße Vorstellungen und nicht als Dinge an sich selbst ansehen, und demgemäß Zeit und Raum nur sinnliche Formen unserer Anschauung, nicht aber für sich gegebene Bestimmungen oder Bedingungen der Objecte, als Dinge an sich selbst sind« (Krit. d. r. Vern. S. 313). »Wir haben... bewiesen: daß alles was im Raume oder in der Zeit angeschauet wird, mithin alle Gegenstände einer uns möglichen Erfahrung, nichts als Erscheinungen, d. i. bloße Vorstellungen sind, die so, wie sie vorgestellt werden, als ausgedehnte Wesen oder Reihen von Veränderungen, außer unseren Gedanken keine an sich gegründete Existenz haben. Diesen Lehrbegriff nenne ich den transcendentalen Idealism.« »Ich habe ihn auch bisweilen den formalen Idealism genannt, um ihn von dem materialen, d. i. dem gemeinen, der die Existenz äußerer Dinge selbst bezweifelt oder leugnet, zu unterscheiden« (l.c. S. 401) »Raum und Zeit sind[462] nur unsere Anschauungsformen, in ihnen aber stellen sich wirklich Dinge dar« (l.c. S. 402). Der Zweifel, »ob das Object, welches wir außer uns setzen, nicht vielleicht immer in uns sein könne«, ist für die Metaphysik belanglos (Üb. d. Fortschr. d. Metsphys. S. 117). Der transcendentale Idealismus ist zugleich »empirischer Realismus«, insofern er der Materie als Erscheinung Wirklichkeit zugesteht (Krit. d. r. Vern. S. 314). Die Objecte sowohl des äußeren als auch des inneren Sinnes (s. d.) sind als solche ideell (l.c. S. 71). – Der ästhetische Idealismus beruht darauf, »daß wir in der Beurteilung der Schönheit überhaupt das Richtmaß derselben a priori in uns selbst suchen, und die ästhetische Urteilskraft in Ansehung des Urteils, ob etwas schön sei oder nicht, selbst gesetzgebend ist« (Krit. d. Urt. I, § 58). Der »Idealismus der Zweckmäßigkeit« besteht in der Behauptung, daß alle Zweckmäßigkeit der Natur unabsichtlich sei (l.c. I, § 58, II, § 72), in der Leugnung der Intentionalität des Naturwirkens, sei es als System der »Causalität« oder als System des »Fatalismus« (l.c. II, 72, 73). – Im Sinne Kants lehren ältere und neuere Kantianer (s. d.). Auch LICHTENBERG. Er behauptet, wir müßten Idealisten sein. »Denn alles kann uns ja nur bloß durch unsere Vorstellung gegeben werden. Zu glauben, daß diese Vorstellungen und Empfindungen durch äußere Gegenstände veranlaßt werden, ist ja wieder eine Vorstellung. Der Idealismus ist ganz unmöglich zu widerlegen, weil wir immer Idealisten sein würden, selbst wenn es Gegenstände außer uns gäbe, weil wir von diesen Gegenständen unmöglich etwas wissen können. So wie wir glauben, daß Dinge ohne unser Zutun in uns vorgehen, so können auch die Vorstellungen davon ohne unser Zutun in uns vorgehen.« »Man muß erst eins werden über das, was man unter Vorstellung versteht. Sie sind sicherlich von verschiedener Art, aber keine enthält irgend ein deutliches Zeichen, daß sie von außen komme. Ja, was ist außen? Was sind Gegenstände praeter nos? Was will die Präposition praeter sagen? Es ist eine bloß menschliche Erfindung; ein Name, einen Unterschied von andern Dingen anzudeuten, die wir nicht praeter nos nennen. Alles sind Gefühle« (Bemerk. S. 117).
J. G. FICHTE begründet einen subjectiven oder »ethischen« Idealismus, dem zufolge die Außenwelt nur ein im und durch das Ich Gesetztes, ein Product geistiger Tätigkeit ist. Zugleich ist die Welt das »versinnlichte Material unserer Pflicht«, das Object des sittlichen Handelns. Kein Object ohne Subject. Es gibt kein Ding an sich (Gr. d. g. Wiss. S. 131). Sein ist Vom-Ich-gesetzt-sein (l.c. S. 137). Nur eines »Anstoßes« bedarf das Subject zu seiner (sonst rein immanenten, Form und Stoff der Erfahrung producierenden) Erzeugung und Gestaltung der Außenwelt (l.c. S. 266). Die Idealität von Zeit und Raum wird aus der Idealität der Objecte erwiesen, nicht umgekehrt wie bei Kant (l.c. S. 135). Aber der Idealismus »kann nie Denkart sein, sondern er ist nur Speculation. Wenn es zum Handeln kommt, drängt sich der Realismus uns allen und selbst dem entschiedensten Idealisten auf« (Philos. Journ. 5. Bd., H. 4, S. 322). Nach SCHELLING gibt es keine andere Realität als die des Ich (Syst. d. tr. Ideal. S. 63). Der transcendentale Idealist behauptet, das Ich empfinde »unmittelbar nur sich selbst, seine eigene aufgehobene Tätigkeit. Er unterläßt nicht zu erklären, warum es dessenunerachtet notwendig sei, daß wir jene nur durch die ideelle Tätigkeit gesetzte Beschränktheit als etwas dem Ich völlig Fremdes anschauen« (l.c. S. 115). Die Außenwelt ist das Product unbewußter Productionen des Ich. Später wandelt Schelling seine Anschauung in die des objectiven Idealismus um. Einen Ideal-Realismus, nach welchem die Außendinge [463] Erscheinungen von »Realen« (s. d.) sind, lehrt HERBART, in anderer Form tritt der gemäßigte Idealismus auf bei SCHLEIERMACHER, J. H. FICHTE ULRICI, A. LANGE, LOTZE, FECHNER, WUNDT, RIEHL u. a. Den Vorstellungscharakter und die subjective Bedingtheit der Außenwelt als solchen betont SCHOPENHAUER. Die Welt ist unsere Vorstellung, ist nur als Vorstellung da, d.h. »durchweg nur in Beziehung auf ein anderes, das Vorstellende« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 1). »Ein Object an sich – ist ein erträumtes Unding« (ib.). »Kein Object ohne Subject« (l.c. § 7). »Die ganze Welt der Objecte ist und bleibt Vorstellung, und eben deswegen durchaus und in alle Welt durch das Subject bedingt: d.h. sie hat transcedentale Idealität« (l.c. § 5). »Demnach drängt sich von selbst die Annahme auf, daß die Welt, so wie wir sie erkennen, auch nur für unsere Erkenntnis da ist, mithin in der Vorstellung allein, und nicht noch einmal außer derselben« (l.c. II. Bd., C. 1). Die Maya unserer Erkenntnisfunctionen verbirgt uns das wahre Sein, welches Wille (s. d.) ist. Aber »bei aller transcendentalen Idealität behält die objective Welt empirische Realität: das Object ist zwar nicht Ding an sich, aber es ist als empirisches Object real. Zwar ist der Raum nur in meinem Kopf; aber empirisch ist mein Kopf im Raum« (l.c. II. Bd., C. 2). O. LIEBMANN erklärt: wir können nicht wissen, ob das percipi die einzig mögliche Art der Existenz überhaupt sei (Analy(s. d.) Wirkl.2, S. 29). Einen dem Fichteschen verwandten Idealismus lehren, in verschiedener Weise, BERGMANN und EUCKEN. H. COHEN faßt den Idealismus kriticistisch auf, aber nicht im Sinne des Bewußtseinsmonismus, sondern im »geschichtlichen« Sinne (Log. S. 507). Während der Psychologismus (s. d.) vom Bewußtsein ausgeht, geht der Idealismus »von den sachlichen Werten der Wissenschaft, den reinen Erkenntnissen aus« (l.c. S. 510). So ist er der »wahrhafte Realismus« (l.c. S. 511). Solch einen »methodischen« Idealismus vertreten auch NATORP (Platos Ideenlehre S. 150, 158 f.), K. VORLÄNDER u. a. – Nach HUSSERL ist der Idealismus »die Form der Erkenntnistheorie, welche das Ideale als Bedingung der Möglichkeit objectiver Erkenntnis überhaupt anerkennt und nicht psychologistisch wegdeutet« (Log. Unt. II, 108). Eine idealistische Erkenntnistheorie lehren HAMILTON, A. BAIN, HODGSON, FERRIER, MANSEL, BRADLEY u. a. So auch die »Immanenzphilosophen« (s. d.): SCHUPPE (Idealismus- »naiver Realismus«, (s. d.)), REHMKE, LECLAIR, KAUFFMANN, SCHUBERTSOLDERN u. a., für die alles Sein im Bewußt-Sein besteht, wobei meist ein allgemeines, überindividuelles »Bewußtsein überhaupt« als Subject der Außenwelt angenommen wird. Empiristisch ist der Idealismus bei J. ST. MILL, TAINE, E. LAAS (s. Positivismus), NIETZSCHE, auch (als erkenntnistheoretischer Monismus, der keine Dualität von Innen- und Außenwelt kennt) bei R. AVENARIUS, E. MACH, H. CORNELIUS (mehr Kant sich annähernd). Vgl. WILLMANN, Gesch. d. Idealism. I – III. – Vgl. Realismus, Ideal-Realismus, Monismus, Object, Subject, Sein, Raum, Zeit, Qualität, Solipsismus, Sittlichkeit.
Buchempfehlung
Am Hofe des kaiserlichen Brüder Caracalla und Geta dient der angesehene Jurist Papinian als Reichshofmeister. Im Streit um die Macht tötet ein Bruder den anderen und verlangt von Papinian die Rechtfertigung seines Mordes, doch dieser beugt weder das Recht noch sich selbst und stirbt schließlich den Märtyrertod.
110 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro