Zwingli

[800] Zwingli, Ulrich, der schweiz. Reformator, geb. 1484 zu Wildhaus in Toggenburg, erhielt eine mehr humanistische als religiöse Bildung, wurde 1506 Priester und Pfarrer zu Glarus. Er studierte eifrig, verfeindete sich aber so, daß er gerne Leutpriester in Einsiedeln wurde. In Glarus wie in Einsiedeln führte er laut eigenen brieflichen Geständnissen nichts weniger als einen sittlichen Lebenswandel, aber er war gelehrt und ein tüchtiger populärer Kanzelredner, dabei ein Gegner des Papstthums (bereits 1516 berieth er sich mit Capito über die Abschaffung des Papstes) und der wirklichen wie vermeintlichen Mißbräuche in der Kirche, das in Sachsen begonnene Reformationswerk hatte seinen ganzen Beifall, bereits in Einsiedeln predigte und handelte er vielfach im Sinne der Reformatoren. Der Ablaßprediger Samson bot ihm Gelegenheit, Luthern nachzuahmen, er eiferte gegen den Samson als derselbe längst nach Rom zur Verantwortung gezogen war, es gährte im Schweizervolk wie anderwärts u. so kam es, daß Z., wiewohl nicht ohne Widerstand, nach Zürich berufen wurde als Leutpriester am großen Münster. Bei der Willfährigkeit des Großen Rathes in Zürich und bei der Schwäche des geistlichen Regimentes hatte das Reformationswerk hier [800] einen vergleichweise raschen Verlauf: Predigten, Petitionen und Schriften für Abschaffung kirchlicher Mißstände und Einrichtungen, 1520 Befehl des Großen Rathes, das lautere Wort Gottes im ganzen Kanton ohne menschliche Zuthat zu verkündigen, 1521 Verheirathung einiger Geistlichen, 1522 Forderung Z.s an den Konstanzer Bischof, wider all dies nichts einzuwenden: 1523 Religionsgespräche in Zürich, aus denen Z. natürlich als Sieger hervorging und deren Frucht war, daß das Verlassen der Klöster u. Priesterehen unbedingt, Abschaffung der hl. Messe und Bilder vorläufig gestattet wurde; 1524 Heirath des Z. mit einer Wittwe, mit welcher er schon längere Zeit vertraut gelebt hatte, 3. Disputation und Befehl des Großen Rathes, daß alle geistlichen u. weltlichen Kantonsangehörigen sich den neuen Anordnungen durchaus fügen müßten, Bildersturm und Aufhebung aller Klöster, 1525 völliges Aufhören der hl. Messe und erstmalige Feier des hl. Abendmahles im Sinne Z.s, welcher darin nur ein Zeichen der Erinnerung u. Gemeinschaft sah. Gerade die Abendmahlslehre war es, wodurch Z. mit Luther unversöhnlich sich verfeindete; alle seine Vertheidigungsschriften halfen nichts, die Zusammenkunst in Marburg 1529 machte den Riß nur noch weiter. 1530 ließ Z. auf dem Augsburger Reichstage dem Kaiser eine Rechtfertigung seines Glaubens überreichen, aber die Schweiz war thatsächlich bereits in eine protestantische u. eine katholische zerrissen, die sich bitter anfeindeten. Erwiesenermaßen wollte Z. die Einheit seines Vaterlandes durch gewaltsame Bekehrung der Katholiken wiederum hergestellt wissen; Zürich ging so weit, daß es 1529 das Stift St. Gallen frischweg für aufgehoben erklärte u. beschloß, den 5 katholisch gebliebenen Kantonen die Zufuhr von Lebensmitteln abzuschneiden, allen Verkehr mit ihnen abzubrechen und sie so durch Hunger zu protestantisiren. Aber am 9. Oct. 1531 machten die kathol. Kantone einen Einfall ins Züricher Gebiet, am 11. wurden die Züricher bei Kappel aufs Haupt geschlagen, Z., welcher in voller Waffenrüstung mitgezogen war, fiel schwerverwundet u. erhielt durch einen Hauptmann Bockinger den Gnadenstoß. Im Lehramt folgte ihm Bullinger (s. d). – Unter vielen Schriften über Z. ist die »Eygentliche vnd gründliche Kuntschaft aus göttlicher Biblischer Geschrift, daß Magister U. Zwinglein eyn falscher Prophet vnd verführer deß Christlichen Volks ist«, verfaßt von Joh. Buchstab (1528, ohne Ortsangabe) eine Seltenheit geworden; vgl. die Lebensbeschreibungen von Labouderie (Par. 1828) u. I. I Hottinger (Zür. 1842); s. Reformirte Kirche.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 800-801.
Lizenz:
Faksimiles:
800 | 801
Kategorien: