Acetylen [1]

[56] Acetylen (Aethin, Klumegas), ein gasförmiger Kohlenwasserstoff von der Zusammensetzung C2H2 und der Konstitution CHCH. Molekulargewicht 26. (In 100 Teilen C: 92,31, H: 7,69.) Von Davy im Jahre 1830 entdeckt, von Berthelot 1860 näher untersucht.

Gewinnung: Acetylen entsteht durch Zersetzung von Calciumkarbid mittels Wassers: CaC2 + 2H2O = Ca(OH)2 + C2H2 (Wöhler), eine Reaktion, die erst in neuerer Zeit, als man Calciumkarbid (Kohlenstoffcalcium) aus billigem Material und zu billigem Preis herzustellen gelernt hat (s. Calciumkarbid), für die Technik von Bedeutung geworden ist. Es entsteht ferner durch Einwirkung von Glühhitze auf viele Kohlenstoffverbindungen, wie Alkohol, Aether, Aldehyd u.s.f., und gehört daher zu den beständigsten Kohlenwasserstoffen. Es findet sich unter den gasförmigen Destillationsprodukten des Holzes und der Steinkohle und ist deshalb in geringer Menge (0,06–0,07 Vol.-Prozent) im Leuchtgas enthalten [1]. Ebenso allgemein ist seine Bildung bei der unvollständigen Verbrennung vieler Kohlenstoffverbindungen; so enthalten die Gase eines zurückgeschlagenen Bunsenschen Brenners viel reichlichere Mengen Acetylen [2], als das Leuchtgas selbst (0,75–0,80 Vol.-Prozent). Ferner entsteht das Acetylen durch den elektrischen Lichtbogen zwischen zwei Kohlepolen in einer Wasserstoffatmosphäre [3]. Es ist dies die einzige Synthese eines Kohlenwasserstoffs direkt aus den Elementen, und um so interessanter, als man, vom Acetylen ausgehend, durch die mannigfachsten chemischen Operationen zu immer komplizierteren organischen Verbindungen aufzeigen kann. – Bemerkenswert ist ferner seine Bildung durch Elektrolyse der Alkalisalze der Fumar- und Maleinsäure [4]. – Aethylenbromid C2H4Br2 liefert mit alkoholischem Kali [5] ebenfalls Acetylen, ferner bildet es lieh durch Ueberleiten von Chloroformdampf über glühendes Kupfer, beim Erhitzen von Chloroform mit Natrium (Fittig) oder von Bromoform oder Jodoform mit metallischem Silber (Cazeneuve). Will man aus Calciumkarbid Acetylen herstellen, so bringt man Calciumkarbid in eine trockene gewöhnliche, mit Scheidetrichter und Gasableitungsrohr versehene Gasentwicklungsflasche und läßt aus dem Scheidetrichter tropfenweise Wasser zufließen.

Eigenschaften: Das Acetylen ist ein farbloses Gas von eigentümlich lauchartigem Geruch, das sich bei +1° unter 48 Atm. Druck verflüssigt und mit stark rußender Flamme brennt. Das verflüssigte Acetylen wurde im großen dargestellt, es zeigt aber in diesem Zustande explosible Eigenschaften, seine Herstellung ist daher verboten worden. Wasser löst das gleiche Volum, Alkohol etwa das 6fache, Aceton das 250fache Volum bei gewöhnlicher Temperatur auf. Mit 9 Volum Luft oder mit 2,5 Volum Sauerstoff gemischt explodiert es beim Anzünden mit großer Heftigkeit. Durch nascierenden Wasserstoff wird es zu Aethylen C2H4 und zu Aethan C2H6 reduziert; mit Chlor reagiert es sehr energisch unter Verpuffung, mit Brom dagegen bildet es die Additionsprodukte C2H2Br2 (Acetylendibromür) und C2H2Br4 (Acetylentetrabromür). – Das Acetylen ist ausgezeichnet durch seine Fähigkeit, mit Kupfer und Silber Verbindungen einzugehen, in denen der Wasserstoff der Gruppe CH = durch Metall vertreten ist, und die sich durch heftige Explosivität auszeichnen [6]. – Mit Hilfe dieser Verbindungen gelingt es, das Acetylen noch in Gasgemischen nachzuweisen, die nur 0,01% enthalten. Die Kupferverbindung ist ein bräunlichroter, amorpher, die explosivere Silberverbindung ein weißer, lichtempfindlicher Niederschlag, die man erhält, wenn man Acetylen durch eine ammoniakalische Kupferchlorür bezw. Silbernitratlösung leitet. Beide detonieren sowohl beim Erhitzen als durch Schlag. Die Zusammensetzung dieser Verbindungen entspricht den Formeln C2H2 ∙ Cu2O und C2H2Ag2O. – Schließlich sei noch erwähnt, daß das Acetylen nur dann von so bemerkenswerter Beständigkeit gegen hohe Temperaturen ist, wenn es in Gasgemischen auftritt. Für sich durch eine hellrotglühende Röhre geleitet, zerfällt es wieder saß vollständig in seine Elemente Kohlenstoff und Wasserstoff. Erhöht man die Temperatur jedoch nur bis zur beginnenden Rotglut, so polymerisiert sich das Acetylen zu einem Gemenge flüssiger und fester Kohlenwasserstoffe, deren Hauptprodukt das Benzol C6H6 bildet; daneben treten Styrol C8H8, Reten C18H16 und andre Produkte auf [6], Dieser Prozeß bildet einen der wichtigsten Uebergänge aus der aliphatischen in die aromatische Reihe. Es ist das Prototyp der Kohlenwasserstoffe von der allgemeinen Formel CnH2n-2, die, nach ihm genannt, die Acetylenreihe bilden.


Literatur: [1] Blochmann, Annalen d. Chemie, 173, 171. – [2] Ders., Annalen der Chemie, 173, 178. – [3] Berthelot, Annales de chimie et de physique, 9, 10, 13, 67. – [4] Kekulé, Annalen d. Chemie, 131,86. – [5] Zeisel, Annalen d. Chemie, 191, 368. – [6] Berthelot, Annales de chimie et de physique, 9, 385; Blochmann, Annalen d. Chemie, 173, 174.


Acetylen als Beleuchtungsmittel. Der Entflammungspunkt liegt bei 480° C. Reines Karbid (Verunreinigung des Acetylens s. unten) würde reines Acetylen liefern. Dieses brennt unter geeigneten Druckverhältnissen und aus richtigen Brennern, ohne abnorm zu rußen und ohne Rückstände zu hinterlassen. Unreines Karbid liefert unreines, rußendes, die Brenner verstopfendes Acetylen. Um richtig zu brennen, erfordert Acetylen einen Druck von mindestens 50 mm Wassersäule. Bei niedrigerem Druck wird dem ausströmenden Gas zu wenig Luft[56] zugeführt; es fehlt dann an Sauerstoff, die Verbrennung ist infolgedessen unvollständig, die Flamme rußt. Auch bei zu hohem Druck (über 200 mm Wassersäule) rußt die Flamme: es strömt dabei zu viel Gas aus. Ferner verbrennt das Gas unter Geräusch, und außerdem wird durch die Luftzufuhr von der Austrittsöffnung der Brenner an ein Teil des Gases entleuchtet, die Flamme liefert daher nicht die gewohnte Lichtstärke. Acetylen erfordert eine bedeutende Luftzufuhr, die Ausströmungsöffnungen der Brenner müssen eng sein.

Die Lichtstärke. – Die Lichtstärke des Acetylens hängt von seiner Reinheit, vom Brenner und von der Luftmischung ab. Zur Erzielung einer Leuchtkraft von 1 HK. (= Hefnerkerze, s. Amylacetatlampe) sind unter normalen Verhältnissen 0,58–0,75 Liter Acetylen pro Stunde erforderlich. Die Farbe der Flamme ist bei reinem Acetylenlicht saß weiß, unreines brennt rötlich mit dunklem Flammensaum. Das Licht brennt außerordentlich schön. Es eignet sich insbesondere auch zum Photographieren, ferner gestattet es die Unterscheidung der Farben. Die Temperatur der Flamme beträgt nach Lewes 900–1000°C. Steinkohlengas = 1300°C. Vollständig verbrannt entwickelt Acetylen pro Kubikmeter 14340 WE. (= Wärmeeinheiten oder Kalorien, s.d.) oder pro Kilogramm = 12200 WE. Steinkohlengas liefert ca. 5500 WE. pro Kubikmeter.

Explosivität. – Bei einer Temperatur von 780°C. explodiert das Acetylen glatt, es zerfällt hierbei in seine Bestandteile. 90% Acetylen und 10% Wasserstoff explodieren bei 896 C, 80% Acetylen und 20% Wasserstoff explodieren bei 1000°C. Mit Luft gemischt explodiert das Acetylen in bestimmten Verhältnissen. Mischt man Luft mit 2,5 bis 65% Acetylen, so explodieren diese Gemische, wenn sie auf die Temperatur von 480°C. kommen, oder wenn sie entzündet werden. Die Heftigkeit der Explosion nimmt von 2,8% bis 31% stetig zu, nimmt dann wieder ab, bis sie über 65% aufhört. Von da ab entsteht nur eine Flamme. Ohne Luftmischung explodiert das Acetylen ebenfalls beim Entzünden, wenn es unter einem Druck von mehr als 2 Atmosphären fleht. Unter 2 Atmosphären Druck können aber immer noch lokale Verpuffungen zustande kommen.

Giftigkeit.Acetylen ist wegen Fehlens des Kohlenoxydgases bedeutend weniger giftig als das Leuchtgas.

Verflüssigung.Acetylen wird bei einer Temperatur von +1°C. und einem Druck von 48 Atmosphären flüssig. Seine kritische Temperatur ist 35,05°C., sein kritischer Druck 68 Atmosphären, d.h. setzt man Acetylen einer Temperatur von über 37,05°C. und einem Druck von über 68 Atmosphären aus, so wird es nicht mehr flüssig. Flüssiges Acetylen wurde als ein heftig wirkender Sprengstoff erkannt. Man hat es anfangs in Stahlflaschen ähnlich wie diejenigen der flüssigen Kohlensäure im Handel bekommen. Bezüglich des Transportes wurde es später wie ein Sprengstoff behandelt, bis sogar seine Herstellung schließlich aus Sicherheitsgründen verboten worden ist.

Gelöstes Acetylen. – Die Aufspeicherung größerer Mengen Acetylen in Lösungsmitteln ist versucht worden. Aceton löst etwa das 300 fache seines Volums auf. So präpariertes Aceton läßt man durch poröse Steine anfangen und benutzt es direkt als Beleuchtungsmittel. Die Drahtseilbahn in Belleville (Paris) soll es benutzen. Kommt so gelöstes Acetylen unter Marken Druck, so kann es zur Explosion gebracht werden.

Acetylenerzeugung. – Das schöne Licht der Acetylenflamme und die augenscheinlich einfache, bequeme Herstellung des Gases verschafften dem »Licht der Zukunft« bald Erfinder von Acetylenerzeugungsapparaten genug. Gemein mit andern Neuerungen ähnlicher Art hatte das Acetylen, daß sich eine Menge Unberufener an die Konstruktion von Acetylenerzeugungsapparaten heranmachte; infolgedessen kamen zahlreiche Unglücksfälle vor. Allmählich hat man das Gute vom Schlechten geschieden.

Die Apparate. – Die Eigenschaft, Acetylengas auf leichte Weise erzeugen zu können, bringt es mit sich, daß das Acetylen in den zu beleuchtenden Gebäuden selbst erzeugt wird. Man hat bezüglich der Acetylengasapparate zwei große Gruppen zu unterscheiden, und zwar Einzelanlagen und Acetylenzentralen. Die Einzelanlagen zerfallen in größere und kleinere Einrichtungen, als kleinste Repräsentanten sind die Acetylenlampen und -laternen anzusehen. Man unterscheidet etwa vier Apparatsysteme mit einigen Unterabteilungen. Das Wasser fließt oder tropft auf das Karbid (Tropfapparat, Fig. 1), das Karbid taucht in das Wasser und entfernt sich automatisch durch die Gasentwicklung (Tauchapparat, Fig. 2), das Wasser[57] bespült das Karbid von unten her und wird durch die Gasentwicklung wieder zurückgedrängt (Spülapparat), das Wasser tritt von unten oder oben in einzelne Karbidbehälter ein und überschwemmt diese (Ueberschwemm- oder Ueberlaufapparat), einzelne Karbidbehälter werden vollständig in Wasser versenkt (Versenk- oder Ersäufapparat, Fig. 3), das Karbid wird in einzelnen Portionen ins Wasser geworfen (Einwurf- oder Einfallapparat, Fig. 4). Man unterscheidet unter diesen Apparaten noch Handapparate und automatisch regulierte Apparate, ferner Apparate mit oder ohne besondere Gasbehälter nebst den Reinigungsapparaten. (Letztere s. unten.) – Als Beispiele, wie die Apparate hergestellt sind, sollen einzelne herausgegriffen werden. Wer sich weiter für den Apparatbau interessiert, muß auf die unten angegebene Spezialliteratur verwiesen werden. Die Einwurfapparate werden vorgezogen. Mit Ausnahme von Apparat Fig. 2 gehört zu diesen Apparaten noch ein Gasbehälter, der genügend groß sein muß, insbesondere bei den Versenkapparaten, wo auf einmal größere Mengen Gases zur Entwicklung kommen. Ferner muß bei den Apparaten, bei denen der Gasdruck den Zutritt des Wassers zum Karbid zu regulieren hat, die Glocke groß genug sein, um stets auch das infolge der Nachentwicklung sich ansammelnde Gas aufnehmen zu können. Wir haben hier nur die Apparattypen angegeben, Fig. 5 zeigt jedoch eine kleine Hausanlage samt Nebenapparaten.

Frostsicherheit. – Die Apparate sind in frostfreien Räumen aufzustellen. Frostsichere Apparate gibt es bis jetzt nicht. Man umgibt zwar häufig die Apparate mit Schutzmänteln, füllt sie auch mit calciumchloridhaltigem Wasser (auch Magnesiumchlorid wird verwendet). Geringe Kältetemperaturen halten solche Apparate aus, bei 10–15° Kälte gefrieren sie sicher ein und sind dann über diese Zeit unbrauchbar.

Die kleinsten Apparate sind, wie schon erwähnt, die Fahrrad- und Wagenlaternen sowie die Tischlampen und andre transportable Apparate, wie sie beispielsweise zur Beleuchtung von Lichtbilderapparaten (Skioptikons) dienen, in der Regel nach dem Tropf- oder Spülsystem konstruiert. Wie etwa eine Tischlampe konstruiert ist, darüber gibt Fig. 6 Aufschluß. Im chemischen Laboratorium würde man sich eine solche Beleuchtung in der Weise herstellen, wie Fig. 7 veranschaulicht, also unter Benutzung einer Gasentwicklungsflasche, die mit einem Tropstrichter, Gasableitungsrohr und einem zu einem Brenner führenden Schlauch versehen ist. Die Acetylenindustrie pflegte bisher hauptsächlich das Gebiet der Einzelbeleuchtung, neuerdings wendet sie sich mit Erfolg auch der Anlage von Zentralen zu.

Acetylenzentralen. – Die erste wurde 1897 in Totis in Ungarn durch die Wiener Acetylengesellschaft errichtet, 1898 erstellte die Berliner Gesellschaft eine solche in Strelitz-Mecklenburg, 1899 in Treptow. Treptow hat ca. 5000 Einwohner, die Gasanstalt ist 300 m vom Bahnhof entfernt. Sie ist für 2000 gleichzeitig brennende Flammen zu 32 Normalkerzen ausgebaut, die Hälfte der vorgesehenen Apparate wurde damals aufgestellt: 2 sogenannte Handentwickler, Einwurfsystem, also Karbid ins Wasser, was jedoch nicht automatisch, sondern von Hand geschieht. Größe: für eine Leistung von 50–60 cbm ungereinigtes Gas. Diese Apparate sind durch einen Dreiweghahn mit einem Kühler (Kondensator) mit Gegenstromprinzip verbunden. Vom Kühler geht das Gas in den Wäscher, wo es von Ammoniak befreit wird, und vom Wäscher in den Gasbehälter von 50 cbm Inhalt. Die Reiniger sind im Gegensatz zu den Steinkohlengasanlagen hinter dem Gasbehälter angeordnet, und zwar geschieht dies wegen der ungleichmäßigen, wechselnden Gaserzeugung und der hierdurch wechselnden Druckverhältnisse. – Reinigung des Acetylens s. unten. – Auch die Reiniger sind durch Dreiwegventile verbunden.[58] Von den Reinigern geht das Gas durch einen nach Art der Reiniger gebauten Trockner, von da zum Stationsgasmesser und dann in die Stadt. Der verbleibende Kalkschlamm fließt in einen abgedeckten zementierten Graben nach den Kalkgruben. Das Stadtrohrnetz hat eine Länge von 8km (alle 300 m sind Wassertöpfe eingebaut) und ist nach dem Kreissystem gebaut. Es besteht aus 2- und 3 zölligen (50 mm bezw. 75 mm) schmiedeeisernen Röhren, unterbrochen durch 16 Gasschieber, um Teile des Netzes ausschalten zu können. Das Rohrnetz muß gut gedichtet sein. Der Acetylenverlust ist kostspielig: 1 cbm Acetylen ca. 1 ℳ., dieselbe Menge Steinkohlengas 8–9 Acetylen [1]., hochgerechnet. Zur Beleuchtung der Straßen sind 85 Rundmantellaternen mit Fayencereflektoren aufgestellt. Zur Dichtung der Acetylenerdleitungen, deren besonders gute Dichtung von manchen Steinkohlengastechnikern bestritten wird, ist zu bemerken, daß amtliche Versuche in Ellerbeck (Acetylen in Wissensch. u. Industr., Zeitschr. 1900, S. 8) ergeben haben, daß bei einem Druck von 115 mm Wassersäule im Gasbehälter wie im Rohrnetz am Stationsgasmesser während einer halben Stunde kein Verlust abgelesen werden konnte. Nach der Treptower Anlage wurden noch einige andre kleinere Städte mit Zentralen versehen.

In Süddeutschland baut die Firma Keller & Knappich in Augsburg Apparate und Zentralen. Im ganzen dürften sich im Deutschen Reiche zurzeit 60–70 mit Acetylenbeleuchtung versehene Ortschaften und Städtchen befinden. Letztere Firma baute u.a. die Anlagen in Wertingen (Fig. 8 u. 9), Pfaffenhausen. Der erste Jahresbericht der städtischen Acetylengasanstalt Wertingen, erstattet vom Stadtmagistrat, liegt uns vor. Er diene als Beispiel für die Rentabilität solcher Zentralen:


Acetylen [1]

Der Bericht gibt die Kosten einer 16 kerzigen Flamme auf 2 Acetylen [1]. pro Stunde an. Magistrat und Bürgerschaft sind laut Bericht mit der Wahl der Beleuchtung vollauf zufrieden.

Die Verunreinigung des Acetylens und ihre Beseitigung. – Da es leichter ist, das Acetylen zu reinigen, als Calciumkarbid, das aus Kalk und Kohlen (s. Calciumkarbid) hergestelt wird, chemisch rein darzustellen und durch dieses auch reines Acetylengas zu erhalten, hat man nach Reinigungsmitteln gesucht, nachdem eine Zeitlang die Meinung herrschte, ohne solche auskommen zu können. Welche Mittel erforderlich sind, gibt die Kenntnis der Verunreinigungen des Acetylens an die Hand. Die Verunreinigungen des aus dem Calciumkarbid gewonnenen Acetylens sind im wesentlichen folgende: Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Phosphorwasserstoff, dann von untergeordneter Bedeutung: Kohlenoxyd, Kohlensäure, Wasserstoff, Siliciumwasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff. Aus dem Acetylen möglichst entfernt werden müssen Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Phosphorwasserstoff. Das Ammoniak korrodiert die Metallteile der Apparate und Leitungen. Es begünstigt ferner die Verstopfungen der Leitungen und der Brenner. Aus dem Acetylen entfernt wird das Ammoniak durch Waschen mit genügenden Wassermengen,[59] denn Wasser nimmt das Ammoniak begierig auf. Es bleibt daher teilweise im Entwicklungswasser der Apparate, bei größeren Apparaten baut man besondere »Wäscher« ein. Den Schwefelwasserstoff, der die Leuchtkraft des Acetylens herabsetzt und der wegen seiner großen Giftigkeit auch in kleinen Mengen gesundheitsschädlich wirkt, beseitigt man durch Durchleiten des Acetylens durch Kalk, hydratisches Raseneisenerz u.s.f. Schwieriger als die beiden genannten Verunreinigungen ist der Phosphorwasserstoff zu entfernen. Während Schwefelwasserstoff beim Verbrennen zu schwefliger Säure verbrennt, bildet der Phosphorwasserstoff Phosphorsäure. Brennerverstopfungen und das vermehrte Rußen der Acetylenflammen führt man auf das Vorhandensein dieses Körpers zurück, von größerem Nachteil ist jedoch wie beim Schwefelwasserstoff die Gesundheitsschädlichkeit und ferner auch die Selbstentzündlichkeit der einen Modifikation des Phosphorwasserstoffes. Der Nachweis dieser Verunreinigungen geschieht im allgemeinen nach den Regeln der chemischen Analyse.

Reinigung des Acetylens in der Praxis. – Zurzeit benutzt man hauptsächlich drei Verfahren. 1. Das Verfahren von Wolff: Das Acetylen passiert einen Wäscher (Entfernung des Ammoniaks und eines Teils Schwefelwasserstoff), sodann einen Apparat (Reiniger), der Chlorkalk enthält, dem geringe Mengen chromsaurer Salze beigemischt sind. 2. Das Verfahren von Frank. Dieses ist eine nasse Reinigung. Das Gas wird durch ein System von Gefäßen geleitet, die eine salzsaure Lösung von Kupferchlorid enthalten, hiernach passiert das Gas noch einen Wäscher. 3. Das Verfahren von Ullmann. Letzterer läßt eine essigsaure oder schwefelsaure Chromsäurelösung anwenden, die das Acetylen zu passieren hat. Alle drei Verfahren geben befriedigende Resultate. Einige Reinigungsmittel kommen auch unter Phantasienamen in den Handel, so Puratylen, Acalgin u.a. Die Art der Konstruktion der Reiniger und des Materials, aus dem sie herzustellen sind, ist je nach dem gewählten Reinigungsverfahren verschieden. Zur Reinigung des Acetylens ist in der Literatur auch ein Gemenge von Chlorkalk und Holzstoff empfohlen worden. Letzterer sollte als Auflockerungsmittel dienen. Cellulose wurde durch Sägmehl zu ersetzen gesucht. Vor der Anwendung von Sägmehl als Beimischung zu Chlorkalk wird gewarnt, es sind Explosionen möglich, in Mössingen ist eine solche eingetreten (Zeitschrift für angew. Chemie 1899, Ahrens).

Die Brenner für die Acetylenbeleuchtungskörper müssen besonders konstruiert sein. Das Acetylen braucht eine größere Menge Luft zur Verbrennung als die Flammen andrer Gase. Diese Luft muß ich die Flamme selbst beschaffen, sie muß sie anfangen. Der Druck, unter dem das Acetylen zur Ausströmung gelangt, muß ein höherer sein (s. oben), die Gasausströmungsöffnungen viel enger, sie gleichen fast Kapillaren. Durch den hohen Druck wird eine gewisse Steifheit der Flamme erzielt, aus der lieh das ruhige Brennen der Acetylenflamme erklärt. Die Beschaffenheit der Brenner zeigen Fig. 10–13. Das Material besteht in der Regel aus Speckstein für lieh oder in Metallfassung.

Die Mischung des Acetylens mit andern Gasen wurde versucht, es haben sich solche jedoch nur im Eisenbahnbetrieb eingeführt, wo Mischungen von Acetylen und Oel- bezw. Fettgas benutzt werden. Das Acetylen hat auch für Kraftzwecke, also zum Betrieb von Motoren Verwendung gefunden. Acetylenverbrauch 170–2001 pro PS. und Stunde = 19,5–23,3 Acetylen [1]., wenn 1 kg Karbid 300 l Gas liefert und 35 Acetylen [1]. kostet.

Kosten der Acetylenbeleuchtung. – Die Preise unterliegen naturgemäß Schwankungen. Den Preisberechnungen wird die Helligkeit der Flamme zugrunde gelegt, man rechnet in der gesamten Beleuchtungstechnik nach Hefnerkerzen, also wie hoch sich die Hefnerkerze pro Stunde stellt. Beim Acetylen, aus kleinen Hausanlagen gewonnen, würde sich die Rechnung folgendermaßen stellen: 1 kg Karbid soll 35 Acetylen [1] kosten und 300 l Acetylen liefern (über die Gasausbeute aus Karbid und ihre Bestimmung s. Calciumkarbid). Eine Flamme mit der Lichtstärke von einer Hefnerkerze braucht stündlich 0,65 l Acetylen, also kostet 1 HK. pro Stunde 0,076 Acetylen [1], eine Flamme von 16 HK. also 1,22 pro Stunde. In der Praxis stellt sich bei allen Beleuchtungsarten der Preis wesentlich anders. Der Konsument sagt sich nicht, ich habe so und so viel Kerzen, seine Acetylenbeleuchtung rechnet er nach den Kosten, die er für das Karbid, den Brennerersatz bezahlt, das Gaslicht und das elektrische Licht nach der Monatsrechnung. Das Licht nimmt beim Gebrauch von Beleuchtungskörpern (Glühstrümpfen, elektrischen Glühbirnen) mit der Zeit wesentlich ab, der Verbrauch an Gas, Elektrizität bleibt derselbe. Man kann auch zu viel Licht in einem Raum anbringen. Diese Berechnungsweise, sowie der Umstand, daß von den Verkäufern der Apparate nicht auf den möglichen Gasverlust, geringere Ausbeute des Karbids u.s.w. aufmerksam gemacht wird, führt erfahrungsgemäß zu Prozessen ohne Ende. Der Konsument aber handelt ganz richtig, wenn er die Kosten seiner Beleuchtung nach dem rechnet, was er für Karbid, Gas oder Elektrizität in einem bestimmten Zeitraum bezahlen muß.

Aufstellung der Apparate und Lagerung des Karbids. – Ueber Herstellung und Verwendung des Acetylens sind verschiedene Verordnungen erlassen, so in Preußen, Sachsen, Bayern (München und Nürnberg), Württemberg u.a.a.O. Alle diese Verordnungen sind in [8] zusammengestellt.


Literatur: Acetylen in Wissenschaft und Industrie, Zeitschrift, zugleich Organ des Deutschen Vereins für Acetylen u. Carbid. – [1] Vogel, Acetylenzentralen, Halle a. S. 1901. – Ders., Jahrbuch[60] für Acetylen und Carbid seit 1900. – [2] Liebetanz, Handbuch der Calciumcarbid- und Acetylentechnik, 2. Aufl., Leipzig 1899. – [4] Ders., Hilfsbuch für Installationen von Acetylenbeleuchtungsanlagen, Leipzig 1900. – [5] Pictet, L, Basel 1896. – [6] Pellisier, L, Handbuch der Acetylenbeleuchtung und Calciumcarbidfabrikation, Berlin 1898. – [7] Panaotoric, Calciumcarbid und Acetylen, Leipzig 1897. – [8] Liebetanz, Gesetzliche Vorschriften über Herstellung u. Benutzung von Acetylen nebst den Bestimmungen der Feuerversicherungsgesellschaften, Unfallverhütungsvorschriften, Transportbestimmungen, Zolltarif, Leipzig.

Bujard.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5.
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Fig. 6.
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Fig. 7.
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Fig. 8.
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Fig. 9.
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Fig. 10–13.
Fig. 10–13.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 56-61.
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