Heißdampfmaschinen

[5] Heißdampfmaschinen. Die ersten, mit praktischem Erfolge verbundenen Versuche, Maschinen mit überhitztem Dampf (s. Bd. 2, S. 544 ff.) zu treiben, reichen bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts zurück; doch kann von einer allgemeinen Verwendung des überhitzten Dampfes im Maschinenbetriebe erst seit dem letzten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts gesprochen werden. Der überhitzte Dampf gewährt gegenüber der Verwendung gesättigten Dampfes im Maschinenbetriebe hauptsächlich zwei Vorteile:

1. Die in einer theoretisch vollkommenen Maschine in Arbeit umsetzbare Wärmemenge ist im Verhältnis zur ganzen im Kessel bei der Dampfbildung aufgewendeten Wärme bei Verwendung überhitzten Dampfes eine größere als bei Verwendung gesättigten Dampfes (Verminderung des Nutzdampfverbrauches bezw. Nutzwärmeverbrauches).

2. Die in der wirklichen Maschine durch den Wärmeaustausch zwischen Zylinderwandung und Dampf veranlaßten Dampf- und Wärmeverluste sind bei Verwendung überhitzten Dampfes kleiner als bei Verwendung gesättigten Dampfes (Verminderung der Dampf- bezw. Wärmeverluste).

A. Der Arbeitsprozeß der theoretisch vollkommenen Maschine.

Man denke sich eine Maschine mit 1 qm Kolbenfläche, ohne schädlichen Raum und ohne Verluste infolge von Dampfdrosselung, Abkühlung und Undichtigkeiten. Der Zylinder dieser vollkommenen Maschine werde mit 1 kg Dampf von der Spannung pa in Kilogramm/Quadratmeter gefüllt. Der Dampf expandiere adiabatisch von der Spannung pa bis auf den äußeren Gegendruck p0. Der expandierte Dampf werde hierauf mit konstantem Druck p0 aus dem Zylinder ausgestoßen. Für diesen Arbeitsprozeß der theoretisch vollkommenen Maschine erhält man dann die graphische Darstellung der Fig. 1.

1. Gesättigter Dampf. Für gesättigten Dampf gilt das Diagramm a b c d a. Es ist hierbei sa = 1/γa das spezifische Volumen des gesättigten Dampfes bei der Einlaßspannung pa. Der Wert γa, d.h. das spezifische Gewicht des gesättigten Dampfes bei der Spannung pa, kann der Tabelle III (Bd. 2, S. 540 und 541) entnommen werden, womit dann auch sa bestimmt ist. An die mit konstanter Spannung pa erfolgende Füllung a b schließt sich die adiabatische Expansion b c an. Nach Zeuner [1] gilt dabei zwischen dem spezifischen Volumen w in Kubikmeter/Kilogramm und der Spannung p in Kilogramm/Quadratmetern für anfangs trocken gesättigten Dampf (wa = sa) die Beziehung

pw1,135 = p1w11,135 = konstant.

1.


Hierbei beziehen p1 und w1 auf einen beliebigen Zwischenzustand. Der Endzustand der adiabatischen Expansion wird in Fig. 1 durch Punkt c mit den. Koordinaten p0 und w0 dargestellt. Die Linie c d in Fig. 1 entspricht dem mit konstanter Spannung p0 erfolgenden Auslaß des Dampfes.

Erfolgt die Expansion nicht adiabatisch, sondern unter der Voraussetzung, daß der Dampf stets trocken gesättigt bleibt, so gilt die Expansionslinie b g h, für die nach Zeuner die Gleichung

p s1,0646 = p1 s11,0646 = konstant

2.


benutzt werden kann. Die Linie b g h heißt Grenzkurve, weil sie den Grenzzustand zwischen nassem und überhitztem Dampf kennzeichnet. Vergleicht man in Fig. 1 die Adiabate b c für anfangs trocken gesättigten Dampf mit der Grenzkurve b g h, so erkennt man, daß bei adiabatischer Expansion gesättigten Dampfes eine Kondensation eintreten muß, denn das spezifische [5] Volumen w bei adiabatischer Expansion ist stets kleiner als das spezifische Volumen s nach der Grenzkurve bei gleicher Spannung p. Aus dem bei der Spannung pa anfangs vorhanden gewesenen Gewicht von 1 kg trocken gesättigten Dampf sind bei der adiabatischen Expansion bis zum Druck p; geworden: x = w/s kg Dampf und (1 – x) = (sw)/s kg Wasser. Die Grenzkurve bietet hiernach eine Handhabe zur Beurteilung des Dampfzustandes während der Expansion.

Die Arbeit L in Meterkilogramm, die 1 kg gesättigter Dampf in der theoretisch vollkommenen Maschine bei adiabatischer Expansion vom Druck pa auf p0 leisten kann, wird durch den Inhalt des Diagramms a b c d a dargestellt; es ist [3]:


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Nach Mollier [5] ist auch annähernd


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In Gleichung 4. sind die Spannungen pa bezw. p0 in Kilogramm/Quadratzentimeter einzusetzen; A ist das Wärmeäquivalent.

Die in der Kesselanlage zur Erzeugung von 1 kg gesättigten Dampf erforderlich gewesene Wärmemenge sei Q = λq0. Hierin ist λ die Gesamtwärme (s. Bd. 2, S. 539, Gleichung 1. und 2. sowie Tabelle III, S. 540) und q0 die der Speisewassertemperatur t0 entsprechende Flüssigkeitswärme. Da nun die in der theoretisch vollkommenen Maschine in Arbeit umsetzbare Wärme A L ist, so stellt das Verhältnis


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den thermischen Wirkungsgrad der vollkommenen Maschine dar. Die zahlenmäßige Berechnung von η1 nach Gleichung 5. setzt die Kenntnis der Speisewassertemperatur t0 voraus. Für die Beurteilung der vollkommenen Maschinen ist es nach Ansicht des Verfassers [3] das Richtigste, für t0 die Temperatur des Auslaßdampfes, entsprechend der Spannung p0 (Fig. 1), festzusetzen. Dies würde einen vollkommenen Vorwärmer voraussetzen, in dem die Wärme des Auslaßdampfes auf das Speisewasser ohne Temperaturverlust übertragen würde. Bei dieser Festsetzung von t0 erfährt die Auspuffmaschine gegenüber der Kondensationsmaschine eine gerechtere Beurteilung, indem der Möglichkeit einer höheren Vorwärmung des Speisewassers durch den Abdampf der Auspuffmaschine Rechnung getragen ist.

Es ist nun auch leicht, den Dampf- und Wärmeverbrauch der vollkommenen Maschine für 1 PS.-Stunde zu berechnen. Da 1 PS.-Stunde eine Arbeitsleistung von 75 · 60 · 60 mkg darstellt und da 1 kg Dampf eine Arbeit von L mkg leisten kann, so ist der Dampfverbrauch für 1 PS.-Stunde der theoretisch vollkommenen Maschine in Kilogramm:

D = 75 · 60 · 60/L = 270000/L

6.


Der Wärmeverbrauch für 1 PS.-Stunde der vollkommenen Maschine ist in Wärmeeinheiten:

W = D · Q = D(λq0).

7.


Um den Einfluß der Spannungsgrenzen pa und p0 auf die Größe von L, η1, D und W zur Darstellung zu bringen, sind hier die beiden Tabellen I und II wiedergegeben [3], die unter Benutzung der Gleichungen 3.–7. berechnet wurden. Tabelle I gilt für gesättigten Dampf und Auspuff; es ist p0 = 10 000 kg/qm = 1 kg/qcm und dementsprechend q0 = 99,6 W.E.; Tabelle II gilt für gesättigten Dampf und Kondensation. Es ist hierbei p0 = 1000 kg/qm = 0,1 kg/qcm angenommen, ein Wert, der sich in guten Kondensatoren wirklich erreichen läßt; dementsprechend ist q0 = 45,6 W.E.


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Aus beiden Tabellen erkennt man, daß die theoretische Arbeitsfähigkeit L von 1 kg Dampf mit der Höhe der Anfangsspannung pa beträchtlich zunimmt; da anderseits die zur Erzeugung von 1 kg Dampf erforderliche Wärmemenge Q nur sehr langsam mit pa wächst, so ergibt sich hieraus der große Nutzen der hohen Anfangsspannungen, der sich am besten in den Werten η1 und W widerspiegelt.

Den Einfluß der Auslaßspannung p0 erkennt man durch den Vergleich der Werte aus Tabelle I mit den Werten der Tabelle II. Der außerordentliche Nutzen, den die Kondensation[6] des Auslaßdampfes bietet, kommt in den beträchtlich höheren Werten η1 bezw. den beträchtlich kleineren Werten W der Tabellen deutlich zum Ausdruck. Immerhin darf nicht übersehen werden, daß der selbst in einer vollkommenen Maschine theoretisch in Arbeit umwandelbare Wärmebetrag nur ein verhältnismäßig geringer ist.

2. Ueberhitzter Dampf. Durch die Verwendung überhitzten Dampfes erfährt nun der thermische Wirkungsgrad η1 der vollkommenen Maschine eine gewisse Verbesserung. Nach Fig. 1 erhält man für überhitzten Dampf das theoretische Diagramm a e g f d a. Zunächst ist das Volumen va von 1 kg überhitztem Dampf größer als das entsprechende Volumen sa bei gesättigtem Dampfe. Der Wert va ist von pa und der absoluten Dampftemperatur Ta = 273 + ta abhängig. Allgemein kann nach Zeuner [1] gesetzt werden:


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Die Volumenvergrößerung b e = vasa bedingt nun nach Fig. 1 eine Vergrößerung der theoretischen Arbeitsfähigkeit des Dampfes, die der schraffierten Fläche b e g f c b entspricht. Es ist e g die Adiabate für überhitzten Dampf, für die nach Zeuner [1] gesetzt werden kann:


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Während der adiabatischen Expansion überhitzten Dampfes nimmt die Ueberhitzung immer mehr ab, bis schließlich in g der Sättigungszustand erreicht wird. Die Linie g f in Fig. 1 ist demnach auch eine Adiabate für gesättigten Dampf entsprechend Gleichung 1. Den Sättigungspunkt g erhält man als Schnittpunkt der Adiabate e g für erhitzten Dampf mit der Grenzkurve b h. Letztere Linie gestattet auch durch den Vergleich der beiden Volumenwerte v und s für gleiche Spannung p einen Schluß auf die jeweilige Höhe der Ueberhitzung zu ziehen. Den Sättigungspunkt g kann man rechnungsmäßig bestimmen, indem man für seine Koordinaten vs und ps die beiden Gleichungen 2. und 9. zugleich in Ansatz bringt. Es ergibt sich [3]:


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Die Arbeit Lü in Meterkilogramm, die 1 kg überhitzter Dampf in der vollkommenen Maschine leisten kann, entspricht der Fläche a e g f d a. Es ist [3]:


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Dabei ist das Endvolumen [3]:


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Tritt während der Expansion der Sättigungszustand nicht ein, d.h. liefert die Gleichung 10. den Wert ps < p0, so gilt die folgende Gleichung [3]:

Lü = 4(pa vap0 v0)

11a.


Dabei ist:

v0 = va(pa/p0)0,75

12a.


Nach Mollier [5] kann Lü auch annähernd bestimmt werden aus:


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Hierin ist L durch Gleichung 3. bezw. 4. bestimmt; ferner ist Ta die absolute Ueberhitzungstemperatur bei der Anfangsspannung pa; Ts die zu pa, und T0 die zu p0 gehörige absolute Sättigungstemperatur.

Die zur Erzeugung von 1 kg überhitztem Dampf in der Kessel- und Ueberhitzeranlage benötigte Wärme ist:

Qü = Q + cp(TaTs).

14.


Hierbei hat Q die auf S. 6 angegebene Bedeutung; cp ist die mittlere spezifische Wärme des Dampfes für konstanten Druck. Für mäßige Ueberhitzung (260°) ist cp = 0,48; für höhere Ueberhitzung ist cp größer bis 0,6, doch ist die Abhängigkeit zwischen cp und Ta noch nicht genau bekannt. Der thermische Wirkungsgrad der vollkommenen Maschine wäre für überhitzten Dampf gemäß Gleichung 5.:


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Der Dampfverbrauch der vollkommenen Maschine für 1 PS.-Stunde wäre entsprechend Gleichung 6.:


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Schließlich ist noch der Wärmeverbrauch für 1 PS.-Stunde nach Gleichung 7.:


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Die beiden Tabellen III und IV enthalten die nach den Gleichungen 8.–17. berechneten Werte Lü, Qü, η'1, Dü und Wü für Auspuff- und Kondensationsbetrieb, für verschiedene Anfangsspannungen pa und für verschiedene Ueberhitzungstemperaturen ta.


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Man erkennt sofort, in welchem Maße die Arbeitsfähigkeit Lü von 1 kg überhitzten Dampf mit der Ueberhitzungstemperatur ta zunimmt und wie sich infolgedessen auch der theoretische Dampfverbrauch Dü für 1 PS.-Stunde vermindert. Aber auch der theoretische Wärmeverbrauch Wü für 1 PS.-Stunde erfährt mit wachsender Ueberhitzung eine zunehmende Verminderung, was gleichbedeutend mit einer entsprechenden Verbesserung des thermischen Wirkungsgrades η'1 der vollkommenen Maschine ist. Um diese Einflüsse der Dampfüberhitzung noch besser übersehen zu können, sind die Tabellen V und VI (S. 8) berechnet worden, welche die mit der Ueberhitzung verbundene Verringerung des theoretischen Dampf- und Wärmeverbrauches in Prozenten des Verbrauches bei gesättigtem Dampfe wiedergeben.[7]

Durch Dampfüberhitzung veranlaßte Verminderung des theoretischen Dampf- und Wärmeverbrauches in Prozenten des Verbrauches beim gesättigten Dampf.


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Aus den Tabellen V und VI ist zunächst zu ersehen, daß die Dampfersparnis stets erheblich größer als die Wärmeersparnis ist. Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß 1 kg überhitzter Dampf zu seiner Erzeugung eine merklich größere Wärmemenge erfordert als l kg gesättigter Dampf, was sich aus dem Vergleich der Werte Qü der Tabellen III und IV mit den Werten Q der Tabellen I und II sofort ergibt. Hieraus folgt aber, daß der geringere Dampfverbrauch einer mit überhitztem Dampf arbeitenden Maschine an sich noch kein Beweis für den vorteilhafteren Betrieb ist; maßgebend kann in dieser Hinsicht nur der geringere Wärme- bezw. Brennstoffverbrauch sein.

Die Verminderung des Dampf- und Wärmeverbrauchs ist nach den Tabellen V und VI bei höheren Ueberhitzungstemperaturen größer als bei niederen, bei niederen Dampfspannungen größer als bei höheren und beim Auspuffbetrieb größer als beim Kondensationsbetrieb. Wichtig ist vor allen Dingen aber der Umstand, daß die Verringerung des Wärmeverbrauches, auf den es doch im wesentlichen allein ankommt, bei höheren Spannungen und mäßiger Ueberhitzung fast gleich Null ist. Selbst bei der höchsten üblichen Ueberhitzung auf etwa 350° beträgt die Ersparnis bei Spannungen von 10–12 kg/qcm nur etwa 5% bei Kondensation und etwa 8% bei Auspuff. Dieses Ergebnis der Theorie der vollkommenen Dampfmaschine steht indessen nicht völlig im Einklang mit den Erfahrungen, die man bezüglich der Wärme- und Brennstoffersparnis an[8] ausgeführten Maschinen mit der Dampfüberhitzung gemacht hat. Selbst bei mäßiger Ueberhitzung bis zu etwa 250° sind in Wirklichkeit Wärmeersparnisse bis zu 20% und darüber durch Ueberhitzung festgestellt worden. Dies rührt daher, daß der Dampf- und Wärmeverbrauch der wirklichen Maschine stets größer als der in den Tabellen I–IV angegebene theoretische Dampf- und Wärmeverbrauch der vollkommenen Maschine ist. Zum theoretischen Dampfverbrauch der vollkommenen Maschine treten bei der wirklichen Maschine noch Dampfverluste, von denen der durch den Wärmeaustausch zwischen Dampf und Wandung veranlaßte der bedeutendste ist. Durch die Dampfüberhitzung wird nun nicht nur der theoretische Dampfverbrauch der vollkommenen Maschine, sondern auch der Dampfverlust der wirklichen Maschine günstig beeinflußt, wie dies unter B. ausführlich dargelegt werden wird. Die in den Tabellen I–VI niedergelegten Werte der vollkommenen Maschine behalten natürlich auch gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen der wirklichen Maschine ihre Bedeutung, denn sie ermöglichen in jedem Falle festzustellen, inwieweit bei der tatsächlichen Verringerung des Dampf- und Wärmeverbrauchs einerseits eine Verbesserung der theoretischen Verhältnisse der vollkommen gedachten Maschine, anderseits eine Verminderung des Dampfverlustes der wirklichen Maschine mitgewirkt hat.

B. Die Dampf- und Wärmeverluste.

Die Wandung des Dampfzylinders nimmt beim Beharrungszustande der Maschine eine nahezu konstante Temperatur an, die zwischen der Temperatur des Einlaßdampfes und derjenigen des Auslaßdampfes liegt. Der Füllungsdampf trifft daher im Zylinder auf Flächen mit geringerer Temperatur, so daß Wärme vom Dampf auf die Wandung übertritt. Handelt es sich um gesättigten Dampf, so ist mit diesem Vorgange notwendigerweise eine Kondensation verbunden. Die Wasserbildung dauert auch im ersten Teile der Expansion an. Erst gegen Hubende, wenn infolge der Expansion Druck und Temperatur des Arbeitsdampfes entsprechend weit gesunken sind, kann von der jetzt heißeren Wandung Wärme an den Dampf zurückgegeben und das niedergeschlagene Wasser teilweise wieder verdampft werden. Man nennt die Wasserbildung im ersten Hubteil die Anfangs- oder Eintrittskondensation und das Wiederverdampfen des Wassers im Zylinder das Nachdampfen. Ein nennenswerter Nutzen ist mit dem Nachdampfen am Hubende nicht verbunden, denn die geringe Erhöhung des Druckes gegenüber einer Expansion ohne Nachdampfen ist belanglos. Der durch die Eintrittskondensation veranlaßte Wärmeverlust erfährt also keine bemerkenswerte Einschränkung. Wohl aber kann das Nachdampfen erheblich nachteilig wirken, wenn es vorwiegend während des nächsten Hubes, also während des Auslasses, erfolgt. Nicht allein, daß infolge der beim Auslaß bedeutenden Temperaturdifferenz zwischen Wandung und Dampf der Wärmeübergang an den Auslaßdampf bedeutend ist, es wird auch durch das Nachdampfen der Gegendruck im Zylinder erhöht. Dieser Nachteil kann besonders empfindlich bei Kondensationsdampfmaschinen auftreten, indem das Vakuum im Zylinder gegenüber dem Vakuum im Kondensator durch das Nachdampfen beträchtlich verschlechtert wird. – Zur Verringerung dieser Dampf- und Wärmeverluste kommen beim gesättigten Dampfe hauptsächlich zwei Hilfsmittel zur Anwendung:

1. Die Heizung des Zylinders durch einen Dampfmantel (s. Bd. 2, S. 596);

2. die Verbundwirkung, d.h. die nacheinander erfolgende Expansion ein und derselben Dampfmenge in mehreren Zylindern (s. Bd. 2, S. 603, unter b, Mehrfachexpansionsmaschinen).

Durch die Mantelheizung wird die Temperatur der Zylinderwandung erhöht, die Temperaturdifferenz zwischen Eintrittsdampf und Wandung vermindert und die Zeit bis zum Eintritt der Temperaturgleichheit entsprechend abgekürzt. Die Eintrittskondensation wird daher durch den Dampfmantel tatsächlich verkleinert, doch steht dem ein gewisser Dampfverbrauch der Mantelheizung gegenüber. Ein Gewinn ist nur dann vorhanden, wenn die Verminderung der Eintrittskondensation größer als der Verbrauch an Dampf im Mantel ist, was nicht unter allen Umständen zuzutreffen braucht; im allgemeinen ist aber der Dampfmantel bei gesättigtem Dampf nützlich.

Auch die Verbundwirkung bezweckt im wesentlichen eine Verringerung der Eintrittskondensation, indem durch die mehrmalige Expansion in getrennten Räumen für jeden einzelnen Zylinder ein geringeres Temperaturgefälle des Arbeitsdampfes und damit auch eine geringere Temperaturdifferenz zwischen Eintrittsdampf und Wandung erreicht wird. Obwohl durch die Hinzufügung eines oder mehrerer Zylinder die gesamte Abkühlungsfläche der Verbundmaschine gegenüber der gleich starken Einzylindermaschine erheblich vergrößert wird, fallen die Abkühlungsverluste infolge der erwähnten günstigeren Temperaturverhältnisse der Verbundmaschine doch erfahrungsmäßig erheblich geringer aus.

Ein drittes Hilfsmittel zur Verringerung der Eintrittskondensation ist nun der Dampfmaschine in der Anwendung überhitzten Dampfes erstanden. Zwar wird durch die Ueberhitzung die Temperaturdifferenz zwischen Eintrittsdampf und Wandung erhöht, trotzdem tritt aber aus folgenden zwei Gründen eine Verminderung der Eintrittskondensation ein:

1. Der überhitzte Dampf ist ein erheblich schlechterer Wärmeleiter als gesättigter Dampf. Der überhitzte Dampf gibt daher in sich die Wärme schwer weiter; aber auch der Widerstand beim Uebergang der Wärme vom überhitzten Dampf auf die Wandung des Zylinders ist beträchtlich größer als beim gesättigten Dampf. Der überhitzte Dampf ist deshalb auch zu Heizzwecken nicht gut geeignet.

2. Der überhitzte Dampf kann eine gewisse Wärmemenge, die Ueberhitzungswärme cp (TaTs) (s. Gl. 14., S. 7), abgeben, ohne zu kondensieren. Durch die Wärmeentziehung seitens der Wandung wird der überhitzte Füllungsdampf zwar abgekühlt, seine Temperatur wird sich vermindern, doch wird er nicht kondensieren, sofern nur die Ueberhitzung eine ausreichend hohe ist. Die Wasserbildung während der Füllung läßt sich demnach vollständig beseitigen. Während der folgenden Expansion ist dies nicht ganz zu erreichen. Schon in der vollkommenen [9] Maschine tritt nach der vorher unter A. entwickelten Theorie während der Expansion des überhitzten Dampfes der Sättigungszustand durch Arbeitsleistung ein (Punkt g in Fig. 1). Infolge der Wärmeabgabe an die Wandung wird in der wirklichen Maschine der Sättigungszustand natürlich entsprechend früher als nach dem theoretischen Diagramm Fig. 1 eintreten müssen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß selbst bei verhältnismäßig hoher Ueberhitzung aber kleiner Füllung der Sättigungspunkt gleich am Anfang der Expansion eintritt. Nur bei hoher Ueberhitzung und großer Füllung wird der Sättigungspunkt erst in der zweiten Hubhälfte erreicht. Aber auch bei frühzeitig eintretendem Sättigungszustand wird die Wasserbildung im Zylinder nur klein sein, weil sehr bald Gleichheit von Dampf- und Wandungstemperatur erreicht wird. Mit der Verminderung der Niederschläge verkleinert sich auch in entsprechender Weise der schädliche Einfluß des Nachdampfens. Nur hierdurch kann die oft durch Versuche festgestellte bedeutende Verminderung des Wärmeverbrauches der Heißdampfmaschine gegenüber der Sattdampfmaschine erklärt werden. Anderseits muß daraus aber auch gefolgert werden, daß die Ersparnisse, die durch Anwendung von Heißdampf erreicht werden können, um so kleiner ausfallen werden, je geringer die Wärmeverluste der betreffenden Sattdampfmaschine sind, d.h. je vollkommener dieselbe gebaut ist. Bei einer mit hochgespanntem Dampf arbeitenden, vorzüglich konstruierten, sorgfältig ausgeführten und gewarteten Dreifachexpansionsdampfmaschine ist daher bei Einführung von Heißdampf auf eine geringere Wärmeersparnis zu rechnen als bei wenig gut gebauten und weniger gut erhaltenen Einzylindermaschinen.

C. Bau der Heißdampfmaschinen.

Die höchste Ueberhitzung, die eine bisher mit gesättigtem Dampfe gespeiste Maschine gerade noch verträgt, ist nach Bauart und Betriebszustand der Maschine sehr verschieden; es empfiehlt sich, die Temperatur im Betriebe nur allmählich zu erhöhen, der Maschine also Zeit zum Einlaufen zu lassen. Maschinen mit nicht entlasteter Schiebersteuerung oder mit weichen Stopfbüchsenpackungen vertragen keine nennenswerte Ueberhitzung. Für hohe Ueberhitzung kommen als Steuerorgane nur entlastete Ventile oder entlastete einfache Kolbenschieber und für die Stopfbüchsen nur bewegliche Metallpackungen in Frage. Dabei ist sowohl bei Ventilen als auch bei Kolbenschiebern daran zu erinnern, daß eine befriedigende Dichtheit dieser Organe nur bei bestimmten Temperaturverhältnissen möglich ist. Ventile oder Kolbenschieber, die bei 350° gut dichten, werden dies bei 150° nicht mehr in gleicher Güte bewirken. Deshalb ist auch bei der Ausführung vergleichender Versuche mit Heißdampf und Sattdampf an ein und derselben Maschine besondere Vorlicht nötig, da die Maschine ohne besondere Vorbereitung gewöhnlich nur für den einen Betriebsfall den günstigsten Betriebszustand besitzen kann.

Bei der Formgebung der Schieber und Ventile ist auf möglichst gleichmäßige Verteilung des Materials zu achten. Materialanhäufungen in der Form von Rippen, Verstärkungsringen u. dergl. sind möglichst zu vermeiden, da hierdurch infolge ungleichmäßiger Erwärmung leicht Verspannungen der betreffenden Teile eintreten könnten. Aus demselben Grunde sind ineinander gebaute Doppelkolbenschieber zur Steuerung von Heißdampfmaschinen nicht zu gebrauchen, da bei denselben leicht Klemmungen in den Gleitflächen eintreten würden. Man verwendet entweder nur einen einfachen Kolbenschieber für Ein- und Auslaß oder wie bei der Maschine Fig. 510 zwei für Ein- und Auslaß getrennte einfache Kolbenschieber oder endlich nach Dörfel zwei nebeneinander liegende Kolbenschieber, Fig. 2, von denen der eine (Fig. 2 rechts) als Verteilungsschieber, der andre (Fig. 2, links) als Expansionsschieber dient; der letztere wird durch einen Achsenregler beeinflußt. Der Expansionsschieber, Fig. 2, zeigt dort, wo die Rippen an den Mantel anschließen, Eindrehungen, so daß das Hervorquellen des Materials bei der Erwärmung an diesen Stellen keine Nachteile verursacht. Auch bei der Formgebung der übrigen Maschinenteile, insbesondere des Zylinders, sind dieselben Rücksichten auf die Wärmedehnungen zu nehmen.

Die Fig. 3 und 4 zeigen einen Heißdampfzylinder nach der Ausführung der Ascherslebener Maschinenbau-Aktiengesellschaft vorm. W. Schmidt & Co. (D.R.P.). Um dem Zylinder die erforderliche Ausdehnung zu ermöglichen, ohne daß sich Nachteile für die Steuerung ergeben, sind die Einlaßventile in getrennte Kästen eingebaut, die durch ein vom Zylinder unabhängiges federndes Rohr mit der Dampfleitung in Verbindung stehen. Die Ventilsitze erhalten eine derartige Form, daß sie möglichst allseitig vom Dampfe umspült werden (D.R.P.); sie können daher die gleiche Temperatur wie die Ventile annehmen, so daß[10] Temperaturänderungen auf die Dichtheit der Ventile einen weniger ungünstigen Einfluß ausüben. Der Dampfmantel wird bei hoher Ueberhitzung stets weggelassen, da er hier eher schädlich als nützlich ist. Nur am Nieder- oder Mitteldruckzylinder von Verbundmaschinen benutzt man den Dampfmantel, wenn eine Zwischenüberhitzung des vom Hochdruckzylinder abströmenden Dampfes nicht erfolgt.

Die Stopfbüchsen der Kolbenstange sind möglichst weit vom Deckel anzuordnen; man versenke dieselben also nicht in tiefe oder geheizte Deckel. Die Fig. 5 und 6 zeigen eine Stopfbüchse mit beweglicher Metallpackung (D.R.P. Nr. 112020 der Crimmitschauer Maschinenfabrik), die sich für Heißdampf sehr gut bewährt hat.

Gegen die Grundbüchse a des Stopfbüchsenkörpers o wird eine Asbestscheibe b gelegt, die durch das Einsatzrohr d dampfdicht angepreßt wird. Dies geschieht durch Anziehen der im Stopfbüchsenkörper o beteiligten Schrauben f, wobei jedoch zwischen d und den Muttern der Schrauben f noch die Ringkammer e liegt, die gegen das Einsatzrohr d angepreßt wird. Dieses ist am inneren Ende ausgedreht; in diese Kammer wird ein Ring c aus Weißmetall oder Gußeisen eingesetzt, der sich möglichst dicht gegen die Kolbenstange legt. Dem Ringe c werden dabei radiale Bewegungen gestattet, falls die Kolbenstange sich nicht genau zentral führen sollte. Während die Asbestscheibe b einen vollständigen Dampfabschluß nach der Außenfläche des Einsatzrohres d hin bewirkt, veranlaßt der Ring c einen gewissen, wenn auch nicht vollständigen Dampfabschluß nach der Innenfläche des Einsatzrohres. Das Einsatzrohr d selbst hat den Zweck, den hauptsächlich abdichtenden Teil, das System der Spannringe, möglichst weit vom Zylinderdeckel entfernt zu verlegen, wo die Temperatur der einzelnen Teile vom Arbeitsdampf nicht mehr direkt beeinflußt werden kann und infolgedessen entsprechend niedrig ist. Die Ringkammer e umschließt das aus den Ringen h, i, k und l bestehende Ringsystem. Der äußere Ring h legt sich in einer Kugelfläche gegen die Ringkammer; er hat den Zweck, dem Ringsystem eine gewisse Beweglichkeit mit der Kolbenstange gegen die festliegende Ringkammer e zu ermöglichen, Der Ring h ist daher ebenso wie der folgende Ring i etwas weiter als die Kolbenstange ausgedreht. Die Dichtung wird von den drei enganliegenden Ringen k gebildet. Die Konstruktion derselben ist aus Fig. 6 ersichtlich. Der innere Teil ist aus Weißmetall oder Gußeisen und an einer Seite aufgeschlitzt, um ein dichtes Anpressen an die Kolbenstange zu ermöglichen. Die Schlitzstellen sind bei den aufeinander folgenden Ringen versetzt. Der innere Ring wird von einem äußeren, ebenfalls einseitig offenen Ringe umschlossen, der durch die Schraube n unter Mitwirkung zweier Federn zusammengepreßt wird. Durch eingesetzte Stifte ist Sorge getragen, daß sich der Kernring nicht gegen den äußeren Ring verdrehen kann, ebenso ist eine Verdrehung der aufeinander folgenden Ringe gegeneinander verhindert. Das Ringsystem wird unter Vermittlung des Druckringes l durch die Spannung der Federn m zusammengehalten. Die Anwendung von Federn an dieser Stelle macht nicht nur die Zusammenpressung der Ringe ganz unabhängig von den Schrauben f, es wird auch die Beweglichkeit des ganzen Ringsystems erhöht. Da die Ringkammer e mit dem Zylinderdeckel fest verschraubt wird, so ist es bei den hintereinander liegenden Zylindern von Tandemmaschinen auch möglich, die durchgehende Kolbenstange durch ein zweiteiliges Rohr zu schützen. Diese Verkleidung verhindert nicht nur die Wärmeausstrahlung der Kolbenstange, sie beeinflußt auch die Dampflässigkeit, Um noch den Durchgang verschlichenen Dampfes zwischen die Flanschflächen von d und e zu verhindern, wird zwischen diese Teile einerseits und dem Stopfbüchsenkörper o anderseits ein kupferner Dichtungsring g eingelegt, der durch die Schrauben f mit angezogen wird.

Besondere Rücksicht verlangt auch die Konstruktion des Dampfkolbens. W. Schmidt, dem es zuerst gelang, betriebsfähige Heißdampfmaschinen für 350–400° zu bauen, wandte dabei einen einfach wirkenden Tauchkolben nach Art der Gasmotoren an. Die Fig. 710 (S. 12) geben eine zweizylindrige, einfach wirkende Heißdampfmaschine Schmidtscher Bauart nach der Ausführung von J.E. Christopf in Niesky wieder. Um die Kolbenringe der Einwirkung der größten Hitze zu entziehen, ist der Kolben entsprechend weit verlängert. Bei einfach wirkender Bauart kommt auch die Stopfbüchse der Kolbenstange in Wegfall. – Es ist a die Dampfzuleitung, b das Absperrventil, c ein Thermometer, d der Einlaßschieber für beide Zylinder, e1 der Dampfkanal für Zylinder I, e2 der Dampfkanal für Zylinder II, f der Auslaßschieber für beide Zylinder, g die Dampfableitung.

Eine einfach wirkende Verbundheißdampfmaschine Schmidtscher Bauart, ausgeführt von der Ascherslebener Maschinenbau-Aktiengesellschaft, zeigen die Fig. 1115 (S. 13). Es ist H der Hochdruckzylinder, R der Aufnehmer, N der Niederdruckzylinder, a Absperrventil, b Steuereinlaßventil von H, c Auslaßventil von H, d Einlaßventil von N und e Auslaßventil von N. Die Wirkungsweise dieser eigentümlichen Maschine ist folgende:

Erster Hub. Der Heißdampf tritt durch das Absperrventil a und das Einlaßventil b in den Hochdruckzylinder ein; es findet Füllung und Expansion statt. Kurz vor dem Hubwechsel wird durch Oeffnung des Auslaßventils c die Vorausströmung eingeleitet, so daß sich die Spannung im Hochdruckzylinder mit der Aufnehmerspannung ausgleichen kann (obere Linie des Hochdruckdiagramms, Fig. 16, S. 14).[11]

Zweiter Hub. Der Kolben bewegt sich zurück und drückt den Dampf durch das Ventil c aus H in den Aufnehmer R. Das Einlaßventil d für den Niederdruckzylinder N, der durch den ringförmigen Raum zwischen großen und kleinen Kolben gebildet wird, bleibt bei diesem Hube geschlossen. Da sich das Dampfvolumen während dieses Vorganges vergrößert, muß die Spannung abnehmen. Kurz vor dem Hubwechsel wird das Auslaßventil c im Hochdruckzylinder geschlossen, um Kompressionsdampf für den letzteren zurückzubehalten. Das Hochdruckdiagramm (Fig. 16) zeigt daher in der unteren Dampfkurve von rechts nach links die fallende Expansionslinie für die Ueberströmung des Dampfes in den Aufnehmer und zuletzt die steigende Kompressionslinie für die Kompression im Hochdruckzylinder. Das Aufnehmerdiagramm[13]

Fig. 17 zeigt in der oberen Linie wiederum die dem Hochdruckdiagramm entsprechende gemeinsame Expansionskurve der Ueberströmung, nur in größerem Kräftemaßstabe, und dann am Hubende das kurze, etwas schneller abfallende Kurvenstück, das die etwas stärkere Expansion im Aufnehmer nach dem Abschluß des Hochdruckzylinders darstellt.

Dritter Hub. Bewegt sich jetzt der Kolben wieder nach der Kurbel hin, so wird das Einlaßventil d des Niederdruckzylinders geöffnet und der Dampf strömt vom Aufnehmer R nach dem Niederdruckzylinder N. Da sich hierbei das Gesamtvolumen etwas verkleinert, so muß die Spannung, wenn auch nur wenig, steigen. Ist der Niederdruckzylinder auf einer bestimmten Hubstrecke gefüllt, so schließt sich das Ventil d und der eine Teil des Dampfes muß im Aufnehmer komprimiert werden, während der andre Teil im Niederdruckzylinder expandiert. Vor Erreichung des Totpunktes wird einerseits der Aufnehmer durch das Ventil b mit dem Hochdruckzylinder verbunden, wo die Vorausströmung beginnt, während anderseits der Niederdruckzylinder zum rechtzeitigen Druckausgleich durch das Auslaßventil e mit dem Kondensator in Verbindung tritt. Das Aufnehmerdiagramm (Fig. 17) und das Niederdruckdiagramm (Fig. 18) geben die Spannungsänderungen wieder. Der erste Teil der unteren Linie in Fig. 17 und der entsprechende Teil der oberen Linie in Fig. 18 zeigen die ganz wenig ansteigende, fast gerade verlaufende Kompressionslinie, welche die Füllungsperiode des Niederdruckzylinders darstellt. Die Kompression ist nur eine geringe; weil das gesamte Volumen des konstanten und veränderlichen Aufnehmers im Verhältnis zu der Volumenverminderung sehr groß ist. An diese Linien der gemeinsamen Dampfwirkung schließen sich einerseits im Aufnehmerdiagramm die Kompressionslinie, anderseits im Niederdruckdiagramm die Expansionslinie an, worauf in beiden Diagrammen die kurzen Kurvenstücke für die Druckausgleichungen folgen.

Vierter Hub. Der zurückeilende Kolben drückt den Dampf aus dem Niederdruckzylinder in den Kondensator, bis sich das Ventil e für den Auslaß schließt und der zurückbehaltene Dampf entsprechend der unteren Linie in Fig. 18 komprimiert werden muß. Da das Aufnehmerdiagramm (Fig. 17) eine positive Fläche liefert, so leistet der Aufnehmer eine bestimmte Arbeit. Die Maschine kann daher auch als Dreizylindermaschine angesehen werden. Die Volumenverhältnisse der drei Zylinder ergeben sich aus den Längen der rankinisierten Diagramme (Fig. 19). Der Aufnehmer, d.h. der veränderliche Teil desselben, hat hiernach das größte Volumen, ist aber in der Reihenfolge der drei Zylinder der zweite.

Als Vorteile dieser Bauart sind zu nennen: gleichförmiger Gang trotz der einfach wirkenden Bauweise; der Dampf im Aufnehmer heizt einerseits den Niederdruckzylinder und kühlt anderseits infolge des hohlen Kolbens die Ringe im Hochdruckzylinder; die einzige Stopfbüchse kommt nur mit Aufnehmerdampf in Berührung.[14]

Die Nachteile der einfach wirkenden Bauart (vgl. Bd. 2, S. 597, unter A) der Heißdampfmaschine führten sehr bald dazu, auch die doppelt wirkende Bauart für hohe Ueberhitzung zu erproben; es zeigte sich, daß mit geringen Abänderungen (längerer Kolben u.s.w.) die doppelt wirkende Maschine sehr gut auch für die höchsten üblichen Temperaturen (350°) brauchbar ist. Sehr beliebt ist hierbei die liegende Tandemmaschine (Fig. 20) geworden.

Erwähnt sei hier noch die von W. Schmidt für doppelt wirkende Maschinen angegebene Füllungsüberhitzung. Für die Erhaltung guter Gleitflächen im Zylinder ist es wünschenswert, daß die Kolbenringe möglichst in der Sättigungszone arbeiten. Der Kolben wäre demnach nach beiden Seiten über die Kolbenringe hinaus genügend weit zu verlängern. Nun ist aber der Eintritt der Sättigung im Zylinder bei gleicher Anfangsspannung und Anfangstemperatur abhängig von der Füllung. Die Sättigung tritt um so später ein, je größer die Füllung ist. Bei sehr großen Füllungen würden demnach die Kolbenringe noch in der Ueberhitzungszone arbeiten müssen. Um dies zu verhindern, müßte man die Ueberhitzungstemperatur erniedrigen. Nach dem Prinzip der Füllungsüberhitzung soll nun die Regelung der Anfangstemperatur im Verhältnis zur Füllung stets so erfolgen, daß der Sättigungszustand immer möglichst an derselben Stelle eintritt, so daß die Sättigungszone ihre Größe nahezu behält. Bei sehr kleinen Füllungen bis 15 und 20% kann nach den gemachten Erfahrungen die volle Ueberhitzung von rund 350° C. angewandt werden. Steigt die Füllung, so muß die Ueberhitzungstemperatur erniedrigt werden, was in sehr verschiedener Weise erfolgen kann. Die Temperatur am Kessel wird in der Regel möglichst in gleicher Höhe von 350–380° gehalten. Bei einzylindrigen Maschinen ist es dann am einfachsten, die Eintrittstemperatur dadurch herabzusetzen, daß man dem überhitzten Dampf gesättigten zumischt. Zu diesem Zwecke ist eine direkte Zuleitung vom Kessel vorhanden, die durch ein vom Regler beherrschtes Ventil abgeschlossen wird. Solange die Füllung weniger als 20% beträgt, wird nur überhitzter Dampf verwendet. Steigt die Füllung, so beginnt der sich herabsenkende Regler das Ventil der Naßdampfleitung zu öffnen, so daß um so mehr Kühldampf zum Heißdampf tritt, je größer die Füllung wird. Bei tiefster Lage des Reglers wird dann zur einen Hälfte mit Heißdampf, zur andern mit gesättigtem Dampfe gearbeitet.

Bei Verbundmaschinen verwendet man die überschüssige Wärme zur Ueberhitzung des Aufnehmerdampfes. In die Hauptdampfleitung ist eine vom Regler beeinflußte Drosselklappe eingeschaltet. Bei kleinen Füllungen ist dieselbe ganz geöffnet, so daß der Dampf unmittelbar in den Hochdruckzylinder einströmt, bei größeren Füllungen schließt sie sich und zwingt den Dampf, ein Abzweigerohr zu passieren, das zu einem Heizrohrsystem führt, das in den Aufnehmer eingebaut ist. Je größer die Füllung ist, um so mehr muß der Dampf dieses Rohrsystem passieren und seine Ueberhitzungswärme an den Aufnehmerdampf abgeben, bevor er in den Hochdruckzylinder eintreten kann. Diese Ausführungsart besitzt demnach noch den Vorteil einer Zwischenüberhitzung.


Literatur: [1] Zeuner, Technische Thermodynamik, Bd. 2: Die Lehre von den Dämpfen, Leipzig 1901. – [2] Hrabák, J., Theorie und praktische Berechnung der Heißdampfmaschinen, Berlin 1904. – [3] Herre, O., Anwendung des überhitzten Dampfes im Dampfmaschinenbetriebe, Mittweida 1899. – [4] Schenkel, Der überhitzte Dampf, Wien 1897. – [5] Mollier, R., Ueber die Beurteilung der Dampfmaschine, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1898, S. 685; vgl. a. die Literaturangaben unter Dampfmaschinen, Bd. 2, S. 609 u. 610.

O. Herre.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3 und 4.
Fig. 3 und 4.
Fig. 5 und 6.
Fig. 5 und 6.
Fig. 7–10.
Fig. 7–10.
Fig. 11–15.
Fig. 11–15.
Fig. 16., Fig. 17., Fig. 18., Fig. 19.
Fig. 16., Fig. 17., Fig. 18., Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 20.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 5-15.
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