Defregger

[581] Defregger, Franz, Maler, geb. 30. April 1835 in Stronach im Pustertal als Sohn eines Bauern, begann schon in früher Jugend beim Viehhüten zu zeichnen und in Holz zu schneiden und ging 1860 mit seinem aus dem Verkauf des väterlichen Gutes gewonnenen Vermögensanteil nach Innsbruck, um unter Leitung des Professors Stolz Bildhauer zu werden. Da er jedoch mehr Geschick zum Maler zeigte, ging er nach München und besuchte die Kunstakademie, aber ohne entschiedenen Erfolg. Nach einem Aufenthalt in Paris (1863–65) und in seiner Heimat trat er 1867 in das Atelier Pilotys, und jetzt fand er das Gebiet, auf dem sich seine Begabung schnell entwickeln sollte, indem er Motive aus dem Tiroler Volksleben zu behandeln begann. Seine ersten Bilder: der verwundete Jäger (1867, in der Staatsgalerie zu Stuttgart), Speckbacher und sein Sohn (1868, im Ferdinandeum zu Innsbruck), der Ringkampf in Tirol (1869,[581] in Museum zu Köln) und die beiden Brüder (1871), hatten ihm bereits durch gemütvolle Auffassung und tiefe Empfindung einen geachteten Namen erworben, als ihn eine Rückenlähmung auf das Krankenlager warf. Doch fand er in Bozen Heilung, und aus Dankbarkeit malte er für die Kirche zu Dölsach eine Madonna mit Joseph, die sich an venezianische Vorbilder anschloß (1873). Nachdem er allmählich seine Kraft wiedergewonnen, entstanden: der Tanz auf der Alm (1872), das Preispferd und die italienischen Bettelsänger (1873) und die Bilder, die seinen Ruhm begründet haben: das letzte Aufgebot, eine ergreifende und auch durch die Energie der Charakteristik bedeutende Szene aus dem Tiroler Aufstand von 1809 (1874, im Hofmuseum zu Wien), und das Seitenstück dazu, die Heimkehr der Sieger (1876, Berliner Nationalgalerie). In die Zwischenzeit fallen: der Besuch in der Sennhütte, die gebissene Gans (im Museum zu Königsberg), das Tischgebet (städtisches Museum in Leipzig) der Abschied von der Sennerin (1877, in der Dresdener Galerie) und ähnliche Bilder aus dem Leben der Älpler, die eine große Popularität erlangten. D. strebte jedoch über die Genremalerei zur Historienmalerei hinaus und machte auf diesem Gebiete den ersten Versuch in lebensgroßen Figuren mit dem Todesgang Andreas Hofers (1878, Museum in Königsberg). Trotz der tiefgehenden und reichen Charakteristik fehlt es dem Bild an lebensvoller, einheitlicher Komposition und an gleichmäßiger, sich auf alle Teile erstreckender koloristischer Durchbildung. Auf Bildern kleinern Umfanges tritt Defreggers hartes und buntes Kolorit hinter der Lebendigkeit und Anmut der Figuren und der glücklichen Erfindung und gemütvollen Erfassung des Moments zurück. Für Bilder mit lebensgroßen Figuren, unter denen noch die Briefleserinnen (1879), die Erstürmung des Rotenturmtors in München (Pinakothek daselbst) und Vor dem Sturm (Tiroler Aufstand 1883, in der Dresdener Galerie) zu nennen sind, reichen jedoch seine koloristischen Fähigkeiten nicht aus. Auch fehlt es ihm an dramatischer Kraft, um Leidenschaften in hochster Erregung zu schildern. Einen vollen Erfolg fanden auch in den letzten Jahren wiederum seine Gemälde kleinern Umfanges, wie: Andreas Hofer in der Hofburg zu Innsbruck, Ankunft zum Tanz, der Salontiroler (in der Berliner Nationalgalerie), der Urlauber, Zur Gesundheit!, Speckbacher im Kreise der Tiroler Bauern, Vorabend der Schlacht am Berge Isel, Porträt des Prinz-Regenten von Bayern in Jägertracht, die Brautwerbung, der Feierabend auf der Alm, ein Kriegsrat im Jahre 1809 (1897), die Wallfahrer (1901) und der kranke Dackl (1903). D. ist einer der vorzüglichsten Genremaler Deutschlands, der das Volksleben mit richtigem Blick und mit voller Wahrheitsliebe am glücklichsten von seiner heitern Seite erfaßt hat. Er ist Professor an der Münchener Akademie und besitzt die großen Medaillen der Ausstellungen von Berlin und München; 1883 wurde ihm der persönliche Adel verliehen. Vgl. Rosenberg, Defregger (2. Aufl., Bielef. 1900); Meißner, Franz von D. (Berl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 581-582.
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