Echo [1]

[350] Echo (Widerhall), der nach seinem Ausgangspunkt zurückgeworfene und daselbst wieder vernommene Schall. Läßt man in einiger Entfernung von einer Mauer, einer Felswand, einem Waldrand etc. einen lauten Ruf erschallen, so hört man nach der Zeit, die der Schall braucht, um nach der Wand und wieder zurück zum Standpunkt des Rufenden zu gelangen, den Ruf von der Wand zurückschallen. Die Wand wirft den Schall ebenso zurück wie ein Spiegel das Licht, und wir hören den zurückgeworfenen Schall gerade so, als ob eine zweite Person, die als Spiegelbild[350] des Rufenden ebensoweit hinter der zurückwerfenden Fläche steht als dieser vor ihr, zu gleicher Zeit den nämlichen Ruf ertönen ließe. Um eine Silbe auszusprechen, braucht man mindestens 1/5 Sekunde; steht man daher so weit von der Wand entfernt, daß der Schall zum Hin- und Rückweg 1/5 Sekunde gebraucht, so wird der zurückgeworfene Schall gerade in dem Augenblick zurückkehren, in dem das Aussprechen einer Silbe vollendet ist. Da der Schall in einer Sekunde 340 m zurücklegt, muß man, um ein einsilbiges E. zu vernehmen, 34 m von der Wand entfernt sein; steht man 2, 3, 4 ... mal so weit von der zurückwerfenden Fläche entfernt, so wird man 2, 3, 4 ... Silben aussprechen können, ehe die erste zurückkehrt, und sonach ein zwei-, drei-, vier- etc. silbiges E. vernehmen. Ein siebzehnsilbiges E. findet sich im Park des englischen Schlosses Woodstock, das E. am Grabmal der Cäcilia Metella in der römischen Campagna wiederholt einen Hexameter. Ist die Fläche weniger als 34 m entfernt, so wird der zurückgeworfene Schall schon eintreffen, ehe die Silbe vollständig ausgesprochen ist, und sich mit dieser teilweise vermischen. In Kirchen und großen Sälen macht sich dieser Nachhall oft störend bemerklich. Man kann ihn durch solche Mittel, welche regelmäßige Reflexion stören oder abschwächen, z. B. Vorhänge, Teppiche, Ornamente etc., beseitigen, auch kann diese Wirkung von selbst eintreten, wenn der Saal mit Zuhörern gefüllt ist. In kleineren Sälen wirkt umgekehrt der Nachhall günstig, die Tonfülle erscheint vergrößert, da die geringe Zeitdifferenz zwischen direktem und reflektiertem Schall unmerklich bleibt. In solchem Falle wirken somit zahlreiche anwesende Personen, Vorhänge etc. durch Beseitigung des Nachhalls störend. Teilweise kann der Nachhall auch durch Resonanz (s. d.) bedingt sein, wenn nämlich der Raum große Gegenstände enthält, die in Mitschwingung versetzt werden, oder tiefe Nischen, deren Luftinhalt zu selbständiger Schwingung angeregt wird. Sind mehrere zurückwerfende Flächen in verschiedenen Entfernungen vorhanden, so entsteht ein mehrfaches E. Am Lurleifelsen z. B. hört man einen Pistolenschuß 17–20mal mit wechselnder Stärke ähnlich dem Donnerrollen wiederholt. Derartige Echos finden sich bei Koblenz, auf der Großen Gans bei der Bastei in der Sächsischen Schweiz, bei Adersbach in Böhmen, Rosneath in Schottland etc. Zwischen Wänden, die einen Winkel miteinander machen, werden die Schallwellen hin und her geworfen und erzeugen ein mehrfaches E. Zwischen den beiden Flügeln des Schlosses Simonetta bei Mailand wird ein Pistolenschuß bis 60mal wiederholt. Auch parallele Wände, die einander in entsprechender Entfernung gegenüberstehen, können ein vielfaches E. erzeugen. Schallwellen, die von dem einen Brennpunkt einer Ellipse ausgehen, werden an derselben so zurückgeworfen, daß sie in dem andern Brennpunkt gleichzeitig zusammentreffen; in einem Saal, dessen Wände elliptisch gewölbt sind, wird man daher die am einen Brennpunkt leise gesprochenen Worte am andern deutlich vernehmen, während im ganzen übrigen Raum nichts gehört wird. Im Karyatidensaal des Pariser Louvre, dessen Decke zylindrisch gewölbt ist, sind zwei Vasen aufgestellt, und wenn jemand in die eine Vase leise hineinspricht, so hört eine andre Person, die in die zweite Vase hineinhorcht, die geflüsterten Worte, als kämen sie aus dieser Vase heraus. Die von der ersten Vase schräg aufwärts nach der Mitte der gewölbten Decke gehenden Schallstrahlen werden nämlich alle in die zweite Vase zurückgeworfen. Gebäude, die absichtlich oder zufällig so gebaut sind, daß das, was an einem Punkt in ihrem Innern leise gesprochen wird, nur an einem bestimmten andern Punkt gehört werden kann, nennt man Sprachgewölbe (Echogewölbe). Die Schallwellen werden nicht nur an festen Wänden, sondern auch überall da zurückgeworfen, wo sie in ein Mittel von andrer Beschaffenheit, z. B. aus dichterer in dünnere Luft oder umgekehrt, übergehen. Vgl. Akustische Wolke.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 350-351.
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