Este [3]

[126] Este, eins der ältesten Fürstenhäuser Italiens, das im 10. Jahrh. den markgräflichen Titel führte. Sein Ahnherr ist Markgraf Otbert I., nachweisbar bis 972, der unter Kaiser Otto I. Pfalzgraf von Italien war. Dessen Enkel Hugo gehörte zu den Gegnern Heinrichs II. und geriet 1014 in deutsche Gefangenschaft, wurde aber bald begnadigt. Sein Neffe Albert Azzo II. begleitete den König Heinrich IV. 1077 nach Canossa; er war mit einer Schwester des Herzogs Welf III. von Kärnten, Kuniza, vermählt und starb 1097. Durch seine Söhne Welf IV. und Fulco I. spaltete sich das Haus in eine deutsche und eine italienische Linie. Von jener stammen durch den Herzog Heinrich den Löwen (s.d.) die Fürstenhäuser Braunschweig und Hannover ab (s. Welfen). Aus der italienischen Linie der E., die seit dem Ende des 13. Jahrh. die Herrschaft über Ferrara, Modena und Reggio erwarb, sind besonders die Folgenden zu erwähnen:

Nikolaus III., entsprossen aus unrechtmäßiger Ehe, mußte sich seine Rechte mit Hilfe der Republiken Florenz, Venedig und Bologna und der Herren von Padua erst erkämpfen und stellte 1402 die von seinem Vater Albert zu Ferrara gestiftete Universität wieder her. Er starb 1441. – Lionel, illegitimer Sohn des vorigen, von Papst Martin V. legitimiert, erneuerte 1442 die verfallene Universität abermals und unterstützte kräftig das neuerwachte Studium der klassischen Literatur. Er starb 1. Okt. 1450. – Borso, Bruder des vorigen, wurde 1452 von Kaiser Friedrich III. zum Herzog von Modena u. Reggio, 14. April 1471 vom Papst Paul II. zum Herzog von Ferrara ernannt, das er als päpstliches Lehen besaß. Er starb 20. Aug. 1471. – Herkules I., Bruder des vorigen, wußte trotz häufiger Kriege den Wohlstand seines Landes zu sichern und machte mit Hilfe seines Ministers Bojardo, Grafen von Scandiano, seinen Hof zum Sammelplatz berühmter Gelehrten und Dichter; er starb 25. Jan. 1505. (Vgl. Bertoni, La Biblioteca Estense, Turin 1903.) – Alfons I., Sohn des vorigen, als Feldherr und Staatsmann ausgezeichnet und von den Dichtern, namentlich Ariosto, hochgefeiert, war in zweiter Ehe mit Lucrezia Borgia vermählt. 1509 trat er der Liga von Cambrai bei, ward vom Papst Julius II. zum Gonfaloniere der römischen Kirche ernannt und kämpfte mit Glück gegen die Venezianer. Als er sich aber weigerte, sich mit dem Papst von der Liga loszusagen, bannte ihn dieser, erklärte ihn seiner päpstlichen Lehen verlustig und entriß ihm Modena und Reggio. Julius' Nachfolger, Leo X., suchte auch Ferrara zu gewinnen, und wenn auch nach Leos Tode Alfonso einen Teil des Gebiets von Modena zurückeroberte, so hatte er doch mit Clemens VII. wiederum zu kämpfen. Erst nach der Einnahme Roms (1527) gewann Alfons sein angestammtes Gebiet zurück, das ihm im April 1531 ein Schiedsspruch Karls V. bestätigte. Alfons starb 31. Okt. 1534. – Herkules II., Sohn des vorigen, geb. 4. April 1508, gest. 3. Okt. 1559, war der Gemahl Renatas, Tochter Ludwigs XII. von Frankreich, die als Anhängerin der Reformation berühmt geworden ist und für ihre Überzeugung schwere Anfechtungen erlitt. Er sowie sein Bruder, der Kardinal Hippolyt, der die prächtige Villa d'Este in Tivoli erbaute, begünstigten Künste und Wissenschaften. Vgl. »Renata, Herzogin von Ferrara«, mit einem Vorwort von W. v. Giesebrecht (Gotha 1869); Blümner, Renata von E. (Frankf. 1870); Fontana, Renata di Francia, duchessa di Ferrara (Rom 1889–99, 3 Bde.); Rodocanacchi, Renée de France, duchesse de Ferrara (Par. 1895). – Alfons II., Sohn des vorigen, liebte ebenfalls Künste und Wissenschaften, aber noch mehr Glanz und Pracht und machte seit 1574 kostspielige, aber vergebliche Versuche, die Krone Polens zu erlangen; an seinem Hofe lebte Tasso, den er längere Zeit gefangen halten ließ. Er starb 27. Okt. 1597 kinderlos. Der von ihm zum Nachfolger bestimmte Cäsar, Sohn eines natürlichen Sohnes Alfons' I., ward zwar vom Kaiser im Besitz der Reichslehen Modena und Reggio bestätigt, aber vom Papst Clemens VII. nicht anerkannt, der Ferrara als heimgefallenes päpstliches Lehen einzog. Auf Cäsars (gest. 1628) Sohn Alfons III., der nach einem Jahre die Regierung niederlegte und in einem Kapuzinerkloster in Tirol 1644 sein Leben beschloß, folgten als Regenten sein Bruder Franz I. (gest. 1658), der sich als Feldherr einen Namen machte und 1635 von Kaiser Ferdinand II. das Fürstentum Correggio erhielt, dann Alfons IV. (gest. 1662), Franz II. (gest. 1694). – Raynald, Oheim des letztern, geb. 1655, gest. 26. Okt. 1737, war Kardinal, legte aber, nach dem Tode seines Neffen auf den Thron gerufen, den Purpur nieder und vermählte sich mit Charlotte Felizitas, Tochter des Herzogs Johann Friedrich von Hannover, wodurch die beiden Zweige des Hauses E. wieder vereinigt wurden. Er schloß sich im Spanischen Erbfolgekrieg an Österreich an und suchte vergebens mit österreichischer Hilfe Ferrara zurückzugewinnen, erwarb aber 1708 Mirandola und 1737 Novellara durch kaiserliche Belehnung. – Franz III., Sohn des vorigen, verlor im Österreichischen Erbfolgekrieg 1745 alle seine Besitzungen, ward aber durch den Aachener Frieden darin wieder eingesetzt; starb 23. Febr. 1780. – Herkules III. Raynald, Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. 22. Nov. 1727, erheiratete die Fürstentümer Massa und Carrara, wurde aber 1796 durch die Franzosen aus seinem Herzogtum vertrieben, das mit der Zisalpinischen Republik vereinigt ward. Mit seinem Tode (14. Okt. 1803) erlosch der Mannesstamm des italienischen Hauses E. Seine einzige Tochter, Maria Beatrix, ward mit Ferdinand, dem dritten Sohn des Kaisers Franz I., geb. 1754, gest. 24. Dez. 1806, vermählt, der dadurch der Gründer des Hauses Österreich-E. ward, 1803 zur Entschädigung für das verlorne Modena den [126] Breisgau und die Ortenau erhielt, aber durch den Preßburger Frieden 1805 beides wieder verlor. – Sein, ältester Sohn, Franz IV., geb. 1779, gest. 21. Jan. 1846, erhielt 1814 das Herzogtum Modena zurück und nach dem Tode seiner Mutter 1829 auch Massa und Carrara. Sein Sohn Franz V., geb. 1. Juni 1819, gest. 20. Nov. 1875 in Wien, verlor 1859 sein Land an das Königreich Italien. Nach seinem Tode ging der Name Österreich-E. an den Erzherzog Franz Ferdinand, ältesten Sohn des Erzherzogs Karl Ludwig, Bruders des Kaisers Franz Joseph, geb. 18. Dez. 1863, über. Vgl. Muratori, Trattato dell' antichità Estensi (Modena 1717–40, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 126-127.
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