Feuersichere Gebäude

[511] Feuersichere Gebäude werden Häuser aller Art dann genannt, wenn sie beim Ausbruch eines Feuers ihren Insassen die Rettung ermöglichen, die in ihnen lagernden Waren vor Zerstörung schützen und nach dem Löschen des Brandes ohne Erneuerung ihrer Hauptteile denselben Zwecken weiter dienen könn en. Die Eigenschaften solcher Gebäude müssen dem Ausbruch eines Brandes tunlichst vorbeugen, die Weiterverbreitung des Feuers erschweren und seine Bekämpfung durch die Feuerwehr erleichtern. Zu den feuersichern Baukonstruktionen (s.d.), mittels deren dies erreicht wird, treten, je nach der Bestimmung des Gebäudes, besondere Vorsichtsmaßregeln in der Einrichtung und im Betrieb. Für Wohnhäuser wächst das Bedürfnis nach Feuersicherheit mit der Zahl der Bewohner. Für städtische Mietshäuser pflegen daher die Gebäudehöhe und die Zahl der Geschosse durch polizeiliche Bestimmungen auf ein gewisses Maß beschränkt zu werden. Bei geschlossener Bebauung sind Brandmauern an der Grenze anzulegen, die nach rheinischem Recht für beide Häuser gemeinschaftlich, sonst meistens gesondert für jedes Haus ausgeführt werden müssen. Ausgedehnte Gebäudeanlagen erhalten auch im Innern Abscheidungen durch Brandmauern. Massivbau ist in Städten die Regel. Unter Umständen, z. B. bei offener Bebauung, ist in gewissen Grenzen Fachwerkbau erlaubt. Nicht tragende Scheidewände im Innern dürfen aus Holz hergestellt, müssen aber, ebenso wie Balkendecken, geputzt werden. Die Anzahl und feuerfeste Konstruktion der Treppen richtet sich nach der Ausdehnung des Gebäudes und Anzahl der Stockwerke. Die Schornsteine sind gegen das Holzwerk der Balkenlagen zu isolieren. Die Decken unterhalb von Feuerungsanlagen sind entweder ganz unverbrennlich herzustellen oder doch durch eine massive Isolierschicht zu schützen. Für gewerbliche Anlagen, Fabriken, Lagergebäude, Geschäftshäusern. dgl. sind meist verschärfte Feuersicherheitsvorschriften erforderlich, namentlich wenn sie nicht auf Grund anderweiter landespolizeilicher Bestimmungen vereinzelt stehen. So sollen Stockwerkstreppen tunlichst nicht nach Lagerkellern herunterführen, letztere vielmehr besondere Zugänge erhalten. Die Türen der Fabrikräume nach den Treppen sind nach außen aufschlagend, feuersicher und zweckmäßig in Nischen so anzulegen, daß die offenen Flügel die Podeste nicht versperren. Treppen und Ausgänge sind in genügender Zahl herzustellen, für den Notfall Steigeisen an den Außenfronten anzubringen. Tragende Eisenkonstruktionen sind glutsicher zu ummanteln. Luftschächte, welche die Stichflamme anziehen, sind möglichst zu vermeiden, Aufzugschächte feuersicher zu umschließen. Haupttreibriemen sind in besondern gemauerten Schächten unterzubringen, Transmissionen da, wo sie Brandmauern durchbrechen, zu dichten. Brandmauern in Speichern werden bis 1 m über Dach geführt. Besonders feuergefährliche Lagerräume bedürfen noch weitergehender Vorsichtsmaßregeln, z. B. allseitig freier Lage, Heizung, Beleuchtung von außen u. dgl. Zu den feuergefährlichen Gewerbebetrieben gehören auch die Tischlerwerkstätten. Ist ihre Unterbringung in der Nähe von Wohnräumen unvermeidlich, so ist wenigstens für einen feuerfesten Abschluß von letztern Sorge zu tragen. Gasmesser müssen in feuersichern Räumen und dürfen nicht unter Treppen aufgestellt werden; die einzelnen Flammen sind durch Blakerbleche, Drahtkörbe etc. zu schützen. Bei elektrischer Beleuchtung ist neben gefahrloser Ausstellung der Dynamomaschinen brandsichere Installation der Leitungsdrähte und Schaltvorrichtungen nötig. Schließlich ist für sachgemäße Anlage von Blitzableitern und für entsprechende Löschvorkehrungen (Hydranten, Schlauchhähne, Wasserbehälter mit Handspritzen und Eimern etc.) Sorge zu tragen.

In Amerika haben sich Gesellschaften auf Gegenseitigkeit gebildet, die für ihre Fabriken von absolut feuersichern Baukonstruktionen absehen, dagegen den Hauptwert auf gute Betriebsvorschriften, Sicherheit der Beleuchtung, gute Löschvorrichtungen, geregelten Wachtdienst und selbsttätige Spreng- und Löschvorrichtungen legen.

Wieder besondere Sicherheitsmaßregeln werden bei Theatern, Zirkusgebäuden und Versammlungssälen getroffen. Die Schutzmaßregeln sollen hier nicht nur die unmittelbare Gefahr eines Brandes, Ersticken und Verbrennen, sondern auch die Folgen einer begründeten oder unbegründeten Panik ins Auge fassen. Deshalb sind die Möglichkeit schneller und gefahrloser Entleerung und der Schutz der menschenerfüllten Räume, Ausgänge und Treppen gegen Verqualmung das nächste Erforderniss; der Schutz des Bauwerkes selbst ist nebensächlich. Selbsttätige Lösch- und Sicherheitsvorkehrungen haben wenig Wert. Weitgehende Verbesserungen für Theater enthält das sogen. Asphaleiasystem (s. Theater). Eine bedeutsame Verbesserung liegt in der Einführung des elektrischen Lichtes. Für den Schnürboden des Theaters und seine Seile wird jetzt unverbrennliches Material verwendet, die Malleinwand der Kulissen durch Asbestgewebe ersetzt. Die Verqualmung der Bühne oder des Zuschauerraumes sollen große Lüftungsöffnungen in den Decken dieser Räume verhindern, deren Verschlüsse von verschiedenen Stellen des Hauses zu bewegen sein müssen. Für den Bühnenschutzvorhang wird Wellblech verwendet. Für ausgiebige Wasserversorgung (Hydranten, Regenapparate) sind meist Hausreservoire[511] erforderlich. Ungemein wichtig ist die zweckmäßige Anlage der Ausgänge und Treppen eines Theaters. Die Gesamtbreiten beider sind nach der Zuschauerzahl zu bemessen; die Türen müssen nach außen aufschlagen und sich mit einem Griff öffnen lassen. Eine systematische Zusammenstellung aller Schutzvorrichtungen in Theatern enthält für Preußen die 1889 in Kraft getretene Polizeiverordnung für den Neubau von Theatern. Nach ihr werden Theater mit über 800 Personen als große, mit unter 800 Zuschauern als kleine angesehen. Erstere dürfen nur noch mit elektrischem Licht beleuchtet werden. Im übrigen werden außer den bereits erwähnten Sicherheitsmaßregeln noch gefordert: allseitig freie Lage des Theaters, oder doch wenigstens Höfe neben dem Zuschauerhause, Blitzableiter, Mindestmaße hinsichtlich der Sitz- und Gangbreiten, breite Umgänge rings um die Bühne, das Parkett und die Ränge, für die Bühne und die Ränge besondere, unmittelbar ins Freie führende Treppen, unverbrennliche oder schwer entflammbare Stoffe für die Kulissen, Soffiten, Aushängen der Grundrisse des Hauses in den Vorräumen etc. Zirkusanlagen bieten geringere Gefahren als Theater. Hier sind neben der Schaffung reichlicher Ausgänge für das Publikum und einer besondern Zufahrt für die Stallungen nur geeignete Vorkehrungen für den Abschluß der Garderoben, Dekorationsmagazine und Futterlagerräume zu treffen. Die Vorschriften für den Betrieb, die Beleuchtung etc. sind weniger streng.

Als öffentliche Versammlungssäle gelten alle baulichen Anlagen, die zur gleichzeitigen Aufnahme einer großen Anzahl von Personen zu öffentlichen Lustbarkeiten, Versammlungen und ähnlichen Zwecken dienen, z. B. Konzertsäle, Tanzsäle, Brauereisäle u. dgl. Für sie sind vor allem genügende Ausgänge und Treppen erforderlich; ihre Anlage unterliegt in Preußen gleichfalls den besondern Vorschriften der Polizeiverordnung von 1889. Für öffentliche Gebäude enthalten die in Preußen geltenden Vorschriften vom Jahre 1892, betreffend die Verkehrssicherheit in denselben, auch Bestimmungen über die Feuersicherheit. So sind Museen, Bibliotheken und Archive durchweg zu überwölben. Kassen, Depositenräume, Zimmer zur Aufbewahrung von Grundbüchern, Kataster- und Standesamtsregistern, Flurkarten etc. sind allseitig massiv zu umschließen und sowohl zu überwölben als zu unterwölben. In Kirchen, Schulen und Hörsaalgebäuden erhalten die Türen, Ausgänge und Treppen von der Besucherzahl abhängige Breitenmaße; die Türen sollen tunlichst nach außen aufschlagen. In größern Gebäuden sind nahe den Ausgängen Grundrisse und Lagepläne aufzuhängen, um der Feuerwehr eine schnelle Übersicht zu ermöglichen, u. dgl. m.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 511-512.
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